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09.03.2021 | Ehe- und Familienrecht | ID: 1085744

Zum Kontaktrecht und Anreise mit Kind bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland

Eva-Maria Hintringer

Ein kontaktberechtigter Elternteil hat ein Kind zur Ausübung des Kontakts grundsätzlich von dessen ständigem Aufenthalt abzuholen und zurückzubringen. Psychologische, organisatorische oder wirtschaftliche Faktoren können eine Ausnahme darstellen.

Geschäftszahl

OGH 20.10.2020, 1 Ob 181/20d

Norm

§§ 186, 187 ABGB

Leitsatz

Quintessenz:

Ein kontaktberechtigter Elternteil hat ein Kind zur Ausübung des Kontakts grundsätzlich von dessen ständigem Aufenthalt abzuholen und dorthin zurückzubringen. Besondere psychologische, organisatorische oder wirtschaftliche Faktoren können aber eine Ausnahme darstellen. Eine solche liegt vor, wenn die Mutter die große räumliche Distanz durch eine Übersiedlung ins Ausland mitverursachte, nur eine Kontaktfahrt alle zwei Monate zu absolvieren hat und der Vater finanziell eingeschränkt ist.

OGH: Im Anlassfall lebte das Kind bis Sommer 2018 in Österreich. Die Eltern vereinbarten, dass ihnen die Obsorge gemeinsam zustehen solle, was pflegschaftsgerichtlich genehmigt wurde; eine Vereinbarung über die hauptsächliche Betreuung wurde nicht getroffen. Die Mutter übersiedelte mit dem Kind im Sommer 2018 – gegenüber dem Vater widerrechtlich – nach Deutschland, wo die beiden seither wohnen. Das Rekursgericht entschied, dass die Obsorge für das Kind auch in Zukunft beiden Elternteilen gemeinsam zukomme, wobei die hauptsächliche Betreuung im Haushalt der Mutter in Deutschland erfolge.

Nach der Rechtsprechung kann der (primär) zur Pflege und Erziehung berufene Elternteil nicht verpflichtet werden, das Kind, das sich ständig bei ihm im Ausland aufhält, dem anderen, kontaktberechtigten Elternteil – allein um diesem den persönlichen Verkehr mit seinem Kind zu erleichtern oder zu ermöglichen – an einem bestimmten Ort (im Inland) zuzuführen. Das gilt auch dann, wenn der hauptsächlich betreuende Elternteil dazu finanziell in der Lage wäre. Der Kontaktberechtigte hat vielmehr selbst das Kind von dessen ständigem Aufenthalt abzuholen und dorthin zurückzubringen. Die Judikatur anerkennt aber, dass besondere Umstände Ausnahmen von diesem Grundsatz rechtfertigen können. Dabei sind nicht nur psychologische Aspekte, sondern auch eine Reihe weiterer, vor allem wirtschaftlicher und organisatorischer Faktoren, die eine Regelung praktikabel machen, beachtlich, etwa das Transportproblem bei weiten Entfernungen, der mit den Fahrten verbundene Zeitaufwand und in diesem Zusammenhang auch finanzielle und berufliche Rücksichten.

Im Anlassfall liegt eine von der Mutter durch die Übersiedlung mitverursachte, beachtliche Entfernung der Wohnorte vor. Sie erachtet es aber aufgrund ihrer Berufstätigkeit und der Fahrtkosten als unzumutbar, ein Mal in zwei Monaten einen Sonntag im Zug zu verbringen, um ihr Kind in Österreich vom Vater nach der Ausübung des Kontaktrechts abzuholen. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände (Verlegung des Wohnsitzes nach Deutschland durch die Mutter; von den im Zeitraum von zwei Monaten insgesamt vier anfallenden „Kontaktfahrten“ hat die Mutter nur eine zu absolvieren; eingeschränkte finanzielle Möglichkeiten des Vaters; positives Signal für das Kind, die Mutter unterstütze den Kontakt zum Vater) ist es der Mutter zumutbar, jeden zweiten Monat an einem Sonntag nach Österreich und wieder zurück zu reisen, um ihr Kind abzuholen. Zudem wäre ein Kontaktrecht im Ausmaß von nur einem Wochenende alle zwei Monate zwischen dem Vater und seinem achtjährigen Kind für eine tragfähige Beziehung nicht ausreichend.

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