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10.06.2022 | Gesellschaftsrecht | ID: 1116750

Geschäftsführer mit Sonderrechten und deren Abberufung

Lukas Schenk - Florian Linder

Dr. Lukas Schenk und Dr. Florian Linder erläutern anhand aktueller Judikatur, ob ein Sonderrecht auf Geschäftsführung einen Schutz vor Abberufung darstellen kann.

Die Bestellung von Geschäftsführern bei der GmbH erfolgt regelmäßig durch Gesellschafterbeschluss (im Rahmen einer Generalversammlung oder durch Umlaufbeschluss). Gesellschafter (nicht aber Fremdgeschäftsführer) können auch im Gesellschaftsvertrag zu Geschäftsführern bestellt werden. Die Bestellungskompetenz kommt zwingend den Gesellschaftern zu. Eine Delegation an ein anderes Gesellschaftsorgan ist daher ausgeschlossen (Aufsichtsrat: 6 Ob 92/07h). Die Anmeldung der Bestellung zum Firmenbuch ist von Geschäftsführern in vertretungsbefugter Anzahl vorzunehmen (vgl. 6 Ob 243/08s).

Gesellschaftern kann gesellschaftsvertraglich ein Sonderrecht auf Geschäftsführung (§ 50 Abs 4 GmbHG) eingeräumt oder die Abberufung auf wichtige Gründe beschränkt werden (§ 16 Abs 3 S 1 GmbHG). Weiters können Gesellschaftern im Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der Geschäftsführerbestellung Vorschlags-, Nominierungs-, Entsendungs-, Zustimmungs- und Vetorechte eingeräumt werden.

Entsendungs- und Nominierungsrechte

Gesellschaftsvertragliche Entsendungs- und Nominierungsrechte sowie die Abberufung eines mit Entsendungsrecht bestellten Geschäftsführers waren zuletzt Gegenstand höchstgerichtliche Entscheidungen und Gegenstand einer kritischen Auseinandersetzung in der Literatur (Karollus, GeS 2021, 111; Rüffler, GeS 2021, 227).

Während das Nominierungsrecht dem Gesellschafter ein Vorschlagsrecht verbunden mit der Verpflichtung der übrigen Gesellschafter einräumt, einen entsprechenden Bestellungsbeschluss zu fassen[1] (sofern nicht wichtige Gründe entgegenstehen), erfolgt beim Entsendungsrecht die Bestellung unmittelbar durch Erklärung des berechtigten Gesellschafters („Entsendeerklärung“). Im Gegensatz zum Nominierungsrecht bedarf es also keiner (wie immer gearteten) Mitwirkung der übrigen Gesellschafter. Der Modus der Bestellung sollte daher zweifelsfrei geregelt werden.

Entsende- und Nominierungsrechte können als Sonderrechte iSv § 50 Abs 4 GmbHG ausgestaltet werden. Aus der bloßen Bestellung eines Gesellschafters zum Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag wird im Zweifel kein Sonderrecht abgeleitet (6 Ob 99/11v). Eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 50 Abs 4 GmbHG bzw Bezeichnung als Sonderrecht ist jedenfalls zu empfehlen.

Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers

Zur Vertretungsbefugnis eines aufgrund eines Sonderrechts entsendeten Geschäftsführers führte der OGH (6 Ob 22/21k) zuletzt aus, dass diesem im Zweifel jene Rechtsposition zukomme, die das Gesetz auch in allen anderen Fällen einem Geschäftsführer zuweist. Mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag bedarf die Vertretung der Gesellschaft daher auch in diesem Fall mit Wirkung aller Geschäftsführer („echte Gesamtvertretung“; § 18 Abs 2 S 1 GmbHG). Dies gilt dann auch für die Anmeldung des entsandten Geschäftsführers zur Eintragung in das Firmenbuch. Soll also dem entsandten Geschäftsführer Einzelvertretungsbefugnis zukommen (und folglich auch die Anmeldung zur Eintragung in das Firmenbuch selbstständig vornehmen können), ist eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag erforderlich.

Schutz vor Abberufung wegen Sonderrecht auf Geschäftsführung?

Ob ein Sonderrecht auf Geschäftsführung effektiv vor einer Abberufung schützen kann, war jüngst Gegenstand mehrerer OGH-Entscheidungen. In der E vom 15.03.2021, 6 Ob 39/21k, hatte eine Gesellschafterin ein Sonderrecht auf Bestellung eines Geschäftsführers, das sie mit Entsendungserklärung ausübte (es handelte sich daher um ein Entsendungsrecht). Nur einen Tag später stimmte die Mehrheit der Gesellschafter in einer Generalversammlung für die Abberufung des entsandten Geschäftsführers, ohne dass die Zustimmung der mit Sonderrecht ausgestatteten Gesellschafterin iSd § 50 Abs 4 GmbHG vorlag. Der OGH führt aus, dass der Beschluss nicht schwebend unwirksam ist, sondern der Anfechtung gemäß § 41 GmbHG bedarf. Eine Unwirksamkeit des mit Anfechtungsklage angefochtenen Generalversammlungsbeschlusses bewirkt erst das stattgebende rechtskräftige Urteil und zwar ex tunc. Dies gilt auch für den abberufenen Geschäftsführer; bis zur Klagsstattgebung ist seine Abberufung (vorläufig) wirksam. Mangels erfolgreicher Geltendmachung mit Anfechtungsklage heilt der Verstoß gegen § 50 Abs 4 GmbHG endgültig (OGH 6 Ob 501/91).

Diese Rechtsansicht bestätigte der OGH in der E vom 23.06.2021, 6 Ob 112/21w. Das Höchstgericht führt ergänzend aus, dass der Beschluss des Firmenbuchgerichts auf Eintragung der Abberufung des Geschäftsführers nicht rechtbegründend, sondern nur deklarativ wirkt. Auch wenn die Löschung des abberufenen Geschäftsführers aus dem Firmenbuch noch nicht erfolgt ist, ändert dies nichts an der Beendigung seiner Organstellung. Der abberufene Geschäftsführer kann daher keine Vertretungsbefugnis aus der Tatsache ableiten, dass er im Firmenbuch noch nicht als Geschäftsführer gelöscht worden ist; die Vertretungsbefugnis endet daher sofort mit der Abberufung. Die nach wie vor bestehende Eintragung im Firmenbuch hat allenfalls nur Rechtswirkungen nach den Vertrauensschutztatbeständen des § 15 UGB und § 17 Abs 3 GmbHG.

Aufgrund der sofortigen Wirkung der Abberufung kann der Geschäftsführer– wenn er nicht auch Gesellschafter ist – den Abberufungsbeschluss im Übrigen selbst nicht anfechten, weil die Klagebefugnis gemäß § 41 Abs 3 GmbHG eine aufrechte Geschäftsführerstellung voraussetzt. Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter, dann kann er den Beschluss anfechten und mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (eV) gemäß § 42 Abs 4 GmbHG verbinden. Gelingt dem Anfechtungskläger der Nachweis der Voraussetzungen für die einstweilige Verfügung, insbesondere eines drohenden unwiederbringlichen Nachteils, dann wird mit Erlassung der eV die Vertretung der Gesellschaft materiell geändert: der abberufene Geschäftsführer ist wieder (vorläufig) vertretungsbefugt. Diese Tatsache ist im Firmenbuch einzutragen (OGH 6 Ob 2378/96s). Der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers bleibt dann bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage (oder allenfalls einer Aufhebung der eV) aufrecht.

Fazit

Insgesamt schützt das Sonderrecht auf Geschäftsführung daher nicht vor einer Abberufung, die sofort wirksam ist. Der Abberufungsbeschluss muss vielmehr gemäß § 41 GmbHG bekämpft werden. Dafür müssen die allgemeinen Voraussetzungen gemäß §§ 41 f GmbHG erfüllt sein wie die Anwesenheit in der Generalversammlung und die Erhebung eines Widerspruchs gegen die Beschlussfassung (§ 41 Abs 2 GmbHG), die Aktivlegitimation aufgrund der Gesellschafterstellung und die Einbringung der Klage binnen Monatsfrist (§ 41 Abs 4 GmbHG). Eine Vertretungsbefugnis für die Dauer des Anfechtungsprozesses kann nur im Weg einer einstweiligen Verfügung gemäß § 42 Abs 4 GmbHG erreicht werden.

Autoren

Dr. Lukas Schenk:

Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Umstrukturierungen-Umgründungen, Gesellschaftsrecht einschließlich Gesellschafterkonflikt und Geschäftsführerberatung, Gewerberecht sowie Arbeitsrecht.

Lukas.schenk@vbsn.at

MMag. Dr. Florian Linder:

MMag. Dr. Florian Linder ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien und ist ständiges Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarktrecht. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht und Liegenschafts-, Miet- und Wohnrecht.

Florian.linder@vbsn.at

Link zur Kanzlei:

www.vbsn.at

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Fußnote:

[1] Bei Zustimmungs- oder Vetorechten muss der berechtigte Gesellschafter der Bestellung zustimmen oder kann diese ablehnen. Es bedarf also ebenfalls eines Gesellschafterbeschlusses.

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