Zur Anlaufhemmung bei Ansprüchen nach § 83 GmbHG
Die Anlaufhemmung des § 1494 ABGB ist analog auf Gesellschaften anzuwenden, wenn nicht zu erwarten ist, dass (einer) der Geschäftsführer allfällige Rückersatzansprüche der Gesellschaft gegen sich selbst gem § 83 GmbHG durchsetzen würde.
OGH-Entscheidung zur Anlaufhemmung: Sachverhalt
Im Anlassfall brachte die klagende Gesellschaft, die Ansprüche nach § 83 GmbHG geltend macht, vor, dass ihre Geschäftsführer kollektivvertretungsbefugt seien. Aufgrund einer beim Zweitbeklagten als ihrem Geschäftsführer bestehenden Interessenkollision war die Bestellung eines Kollisionskurators bewirkt worden. Die Bestellung eines Prozesskurators habe die Verjährungsfrist iSd § 1494 ABGB gehemmt.
Der OGH wendet § 1494 ABGB in bestimmten Fällen analog auf Gesellschaften an. Die Überlegung zur Hemmung der Verjährung von Ansprüchen Minderjähriger, die über keine ordnungsgemäße Vertretung verfügen, weil vom Vertreter wegen einer Interessenkollision eine gesetzmäßige Wahrung ihrer Rechte nicht zu erwarten ist, lassen sich nämlich wegen der gleichgelagerten Schutzbedürftigkeit von Gesellschaften auf jene Fälle übertragen, in denen es wegen einer Interessenkollision nicht zu erwarten ist, dass der Geschäftsführer während seiner Tätigkeit allfällige Rückersatzansprüche der Gesellschaft gegen sich selbst gem § 83 GmbHG durchsetzen würde. Verbleiben der Gesellschaft „unbefangene“ Mitglieder des Kollegialorgans nicht mehr in vertretungsbefugter Anzahl, ist daher von einer Hemmung der Verjährungsfrist auszugehen.
Dem Argument des Berufungsgerichts, es wäre dem zweiten Geschäftsführer (und der zweiten Gesellschafterin) möglich gewesen, die zur Verfolgung der Ansprüche „notwendigen Schritte einzuleiten“, weswegen die Anlaufhemmung des § 1494 ABGB nicht eintrat, kann nicht gefolgt werden.
Verjährungsfrist und Anlaufhemmung
Festzuhalten ist, dass jedem Anspruchsberechtigten die „volle“ vom Gesetz eingeräumte Verjährungsfrist zusteht und die Schutzwürdigkeit der Gesellschaft nicht deshalb dem Grunde nach zu verneinen ist, weil – selbstredend immer erst nach gewissem zeitlichen Verlauf – der an sich erst einmal gegebene Vertretungsmangel beseitigt werden kann. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass in der ersten logischen Sekunde nach der die verbotene Einlagenrückgewähr bewirkenden Handlung jedenfalls keine ordnungsgemäße Vertretung vorliegt und die Verjährung diesbezüglicher Ansprüche vorerst in analoger Anwendung des § 1494 ABGB in Form der Anlaufhemmung gehemmt ist.
Mangelt es schon ab Beginn der Verjährungsfrist an einer ordentlichen gesetzlichen Vertretung, bewirkt die Fristenhemmung nach § 1494 ABGB nämlich eine Fortlaufhemmung (Anlaufhemmung), sodass der Fristbeginn (grundsätzlich) bis zum Wegfall des Hindernisses hinausgeschoben wird.
Fazit
Im vorliegenden Fall verfügte – weil der zum Rückersatz Verpflichtete als einer von zwei für die Vertretung notwendigen Geschäftsführern fungierte und bei ihm für die Geltendmachung dieses Anspruchs eine Interessenkollision bestand – die Gesellschaft (schon) in der ersten logischen Sekunde nach der die verbotene Einlagenrückgewähr bewirkenden Handlung nicht über eine ordnungsgemäße (interessenkollisionsfreie) Vertretung. Die Verjährung der diesbezüglichen Ansprüche der Gesellschaft war somit in analoger Anwendung von § 1494 ABGB gehemmt.