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09.07.2024 | Gesellschaftsrecht | ID: 1177844

Grace Period bei der Betriebsübernahme

Georg Streit

RA Mag. Georg Streit gibt einen Überblick über das neue Grace Period Gesetz und erläutert, wie Betriebsübernehmer künftig durch eine (finanz)amtliche Begleitung vor unliebsamen Überraschungen bewahrt werden sollen.

Der Gesetzgeber will die Übergabe von Betrieben attraktiver machen. Gerade noch rechtzeitig vor Ablauf der Gesetzgebungsperiode nahm sich der Gesetzgeber deshalb des Vorhabens im Regierungsprogramm an, Erleichterungen für eine Betriebsübernahme zu schaffen, das die Bundesregierung schon 2021 eingeleitet hatte. Am 15.05.2024 wurde nun das tatsächlich so genannte Grace Period Gesetz beschlossen, das am 05.06.2024 im Bundesgesetzblatt mit BGBl I 2024/56 veröffentlicht wurde.

„Aus Verantwortung für Österreich“, wie das Regierungsprogramm blumig betitelt ist, sollen verschiedene Maßnahmen des Gesetzgebers Personen, die eine Begriffsübernahme planen, quasi vor dem Staat und seiner Bürokratie selbst geschützt werden. Das Gesetz umfasst ein (kleines) Bündel von Maßnahmen, die durch Änderungen der Gewerbeordnung, beim Arbeitnehmerschutz und in der Bundesabgabenordnung Erleichterungen bei der Betriebsübergabe bewirken sollen.

Der reißerische Titel des Gesetzes fasst zusammen, was sich in den Erläuterungen des Gesetzes findet: Bürokratie wird etwas abgebaut, der Arbeitnehmerschutz in den ersten Jahren nach Betriebsübernahme etwas reduziert, vor allem aber dient sich der Staat als (kontrollierender) Begleiter der Unternehmensübertragung an, um dem übernahmewilligen Unternehmer größtmögliche Rechts- und Planungssicherheit in steuerlicher Hinsicht zu garantieren, so die Erläuterungen des Ministerialentwurfs zum Grace Period-Gesetz wörtlich. Die zunächst geplanten Änderungen im Arbeitsverfassungsgesetz blieben auf der Strecke des Gesetzgebungsverfahrens.

Grace Period: (Steuerlich) Begleiteter Unternehmensübergang (Betriebsübernahme)

Artikel 1 des Grace Period Gesetzes enthält einen neuen Unterabschnitt „2b“der Bundesabgabenordnung (BAO). Dieser trägt den Titel „Begleitung einer Unternehmensübertragung“. Darunter wird zunächst der Anwendungsbereich des begleiteten Unternehmensübergangs festgelegt. Im Fokus steht die Unternehmensübertragung im Familienkreis. Demnach können (nur) natürliche Personen, die beabsichtigen, innerhalb der nächsten zwei Jahren einen Betrieb, einen Teilbetrieb oder Anteil an einer Mitunternehmerschaft, an der ausschließlich Angehörige dieser natürlichen Person beteiligt sind, an Angehörige zu übertragen, einen Antrag auf Begleitung dieser Unternehmensübertragung stellen.

Die Begleitung des Unternehmensübergangs dient dazu, den Übernehmer bei einer Betriebsübernahme vor unliebsamen Überraschungen, vor allem steuerlicher Art zu schützen. Daher zielt die Begleitung darauf ab, einerseits bislang noch steuerlich ungeprüfte Zeiträume des übergebenden Unternehmers zu prüfen und andererseits Auskunft „über bereits verwirklichte oder noch nicht verwirklichte Sachverhalte zu erhalten“, so die Materialien zum Gesetz wörtlich. Betriebe, die Gegenstand einer begleiteten Unternehmensübertragung waren, sind für diesen Zeitraum, von einer späteren Finanzprüfung ausgenommen. Ein Unternehmen, das nach der „Begleitung“ durch das Finanzamt eine weiße Weste aufweist, sichert einen von der Vergangenheit weitgehend unbelasteten Start des Übernehmers.

Angehörige

Der Angehörigenbegriff knüpft an § 25 BAO an (Ehegatte, auch nach der Ehescheidung, Verwandte in gerader Linie und Verwandte zweiten, dritten und vierten Grades in der Seitenlinie, Verschwägerte in gerader Linie und Verschwägerte zweiten Grades in der Seitenlinie, Wahl-(Pflege-)Eltern und Wahl-(Pflege-)Kinder, Personen, die miteinander in Lebensgemeinschaft leben, sowie Kinder und Enkel einer dieser Personen im Verhältnis zur anderen Person und eingetragene Partner) und ist somit recht weit gefasst.

Der übergabewillige Unternehmer muss seine Tätigkeit auch nicht gänzlich einstellen, eine begleitete Unternehmensübertragung ist auch möglich, wenn nur einer von mehreren Betrieben oder ein Teilbetrieb oder ein Anteil an einer Mitunternehmerschaft übertragen werden soll. Der Erwerber kann auch vorher schon unternehmerisch tätig gewesen sein.

Antragstellung

Anträge auf Begleitung einer Unternehmensübertragung können ab dem 01.01.2025 eingebracht werden. Ein Antrag ist über FinanzOnline an das Finanzamt Österreich zu richten. Der zu übertragende Betrieb oder Unternehmensanteil muss daher in die Zuständigkeit des Finanzamts Österreich fallen.

Die Begleitung der Unternehmensübertragung enthält nicht nur „Elemente einer Außenprüfung“ auf Antrag, sondern auch Elemente der „begleitenden Kontrolle“. Daher fordert der Gesetzgeber während der Begleitung der Unternehmensübertragung „eine erhöhte Offenlegungspflicht auf Seiten des bzw der Abgabepflichtigen“ und verspricht eine „intensivierte Kommunikation und Auskunftsverpflichtung auf Seiten des Finanzamts Österreich“. Der den Antrag auf Begleitung stellende Übergeber und (alle) die voraussichtlichen Übernehmer müssen daher ihre Einwilligung zur Offenlegung von Informationen, „die der abgabenrechtlichen Geheimhaltung unterliegen“ erklären.

Liegen alle Voraussetzungen für die Begleitung der Unternehmensübertragung vor, hat das Finanzamt innerhalb von drei Monaten mit der Außenprüfung (vulgo „Betriebsprüfung“) des Antragstellers und des zu übertragenden (Teil)-Betriebs zu beginnen. Sie umfasst die letzten drei Jahre vor der Antragstellung und soll nach einem halben Jahr abgeschlossen sein, sodass mit einer Erledigung der Prüfung binnen längstens neun Monaten ab Antragstellung zu rechnen ist.

Die Begleitung des Unternehmensübergangs nimmt den Antragsteller und die voraussichtlichen Übernehmer in die Pflicht, unaufgefordert steuerlich relevante Sachverhalte gegenüber dem Finanzamt offenzulegen. Der Gesetzgeber hat es für notwendig befunden, die Möglichkeit der Abhaltung von Besprechungen mit dem Finanzamt für zulässig zu erklären. Jedenfalls hat das Finanzamt den voraussichtlichen Erwerbern des zu übertragenden Unternehmens(teils) für dessen Planung relevante Auskünfte zu erteilen.

Evaluierung

Nach dem Gesetz ist die Begleitung der Unternehmensübertragung bis zum 31.12.2028 (vor allem) im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Finanzverwaltung und ihre Kapazitäten durch das Finanzamt Österreich zu evaluieren. Der Bericht des Finanzministers, der bis zum 30.06.2029 vorliegen muss, wird zeigen, ob der Gnadenakt des Gesetzgebers die gewünschte Wirkung erzielt hat, die Erwartungen gar übertraf oder weiterer Handlungsbedarf des Gesetzgebers besteht.

Grace Period: Gewerbeordnung, Arbeitnehmerschutz

Die versprochene Entbürokratisierung findet auch in der Gewerbeordnung ihren Niederschlag. Und das gilt auch außerhalb eines Zusammenhangs mit einem geplanten Betriebsübergang.

Eine Gewerbeanmeldung kann nun auch ohne Vorlage eines Auszugs aus den Firmenbuch erfolgen, den beschafft sich die Gewerbebehörde in Zukunft selbst. Immerhin!

Für Betriebsanlagengenehmigungsverfahren soll eine detailliertere Regelung für Erleichterungen sorgen. Grundsätzlich hat der Antragsteller „eine Betriebsbeschreibung einschließlich eines Verzeichnisses der Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen“ vorzulegen. Nun regelt der Gesetzgeber die Mindestinhalte der Angaben im Verzeichnis, um der vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort beobachteten Entwicklung entgegenzutreten, „dass Betriebsbeschreibungen immer detailreicher werden, ohne dass dies rechtlich erforderlich wäre“. Die neue Regelung soll klarstellen, dass (zumindest für die Behörde) Rahmenangaben ausreichen.

Im Fall eines Betriebsübergangs muss schließlich die Mitteilung über eine Bestellung einer Sicherheitsvertrauensperson an das Arbeitsinspektorat nicht unmittelbar nach Bestellung erfolgen, sondern innerhalb von zwei Jahren ab der Betriebsübergabe. Erfolgt entgegen der gesetzlichen Verpflichtung keine Bestellung einer Sicherheitsvertrauensperson, sieht das Grace Period Gesetz bei Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten derzeit ohnedies keine Sanktion vor.

Und mit einem Arbeitsschutzausschuss (der in Arbeitsstätten mit regelmäßig mindestens 100 bzw bei 2/3 Büroarbeitsplätzen 250 Beschäftigten einzurichten ist) muss sich der Übernehmer eines Betriebs – rückwirkend ab 01.01.2024 – in den ersten zwei Jahren ab dem Betriebsübergang auch nur einmal statt jährlich auseinandersetzen.

Autor

Mag. Georg Streit ist Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG (Wien).

Link auf die Website: https://www.h-i-p.at/

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