17.02.2025 | Bau & Immobilien | ID: 1193847

Die neue Bauprodukteverordnung

Lena Matull

Mit der im Dezember 2024 im Amtsblatt der EU veröffentlichten neuen Bauprodukteverordnung treten wesentliche Veränderungen für die Bauwirtschaft in Kraft.

Die Vermarktung von Bauprodukten auf dem europäischen Markt wird durch die EU-Bauprodukteverordnung (im Englischen Construction Products Regulation, kurz CPR) langfristig reguliert. Mit der im Dezember 2024 im Amtsblatt der EU veröffentlichten neuen Bauprodukteverordnung, im Folgenden als CPR 2024 abgekürzt, treten sukzessive wesentliche Veränderungen für die Bauwirtschaft in Kraft. Klare Umweltkennzeichnungen nach harmonisierten Methoden werden nach und nach Bauherren und Architekten ermöglichen, die Nachhaltigkeitsperformance von Bauprodukten miteinander zu vergleichen und so fundierte Entscheidungen zugunsten geringerer Klimawirksamkeit und höherer Kreislauffähigkeit zu treffen.

Die wichtigsten Neuerungen der Verordnung sind dabei verpflichtend offenzulegende ökologische Kennzahlen über den gesamten Lebenszyklus, die bisher lediglich freiwillig in Umweltproduktdeklarationen (EPDs: Environmental Product Declarations) veröffentlicht wurden. Damit nimmt die CPR 2024 eine wichtige Rolle im Maßnahmenpaket des EU Green Deal im Rahmen des Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft ein.

Bis die umfangreiche regulative Neuerung durch die CPR 2024 vollständig umgesetzt ist, soll eine Übergangszeit von ca fünfzehn Jahren einen reibungslosen Übergang gewährleisten. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den neuen Anforderungen ist trotzdem dringend geboten. 

Die Bauprodukteverordnung betrifft eine Vielzahl an Produktarten

Das Zusammenspiel an EU-Regularien, die den Gebäudesektor betreffen, fordert von allen Produkten, die in Gebäuden und am Bau eingesetzt werden, zukünftig valide Umweltinformationen zu liefern, da etwa durch die Vorgaben der Energy Performance of Buildings Directive nahezu alle Marktbeteiligten früher oder später auf Kennzahlen ihrer Lieferanten angewiesen sind. So gibt die EPBDetwa vor, dass ab 2030 bei allen Neubauten das Treibhausgaspotenzial im Lebenszyklus berechnet und im Energieausweis dargestellt werden muss.

Die Einführung von Zielvorgaben für das Treibhausgaspotential von Neubauten ist ebenfalls ab 2030 vorgesehen. Von dieser marktbedingten Notwendigkeit abgesehen, fallen 36 im Anhang der BauPVO genannte Produktfamilien unter den Geltungsbereich der Bauprodukteverordnung. Diese Liste deckt weitestgehend alle Produkte ab, die dauerhaft in Bauwerke integriert werden und deren Eigenschaften sich auf grundlegenden Anforderungen an diese Bauwerke auswirken. Dazu zählen Materialien wie Zement, Stahlträger, Dämmstoffe, Fenster, Türen und weitere Baukomponenten.

Wesentliche Teile der alten BauPVO finden im Rahmen einer Übergangsbestimmung bis zu 15 Jahre (bis 2039) weiterhin Anwendung. Innerhalb dieses Übergangszeitraums werden für die betroffenen Bauproduktfamilien schrittweise angepasste harmonisierte technische Normen oder Spezifikation (hEN oder htS) erarbeitet. Sobald diese per Durchführungsrechtsakt unter der neuen Bauprodukteverordnung im Amtsblatt der EU-Kommission veröffentlicht wurden, gilt eine Übergangszeit von einem Jahr bis zur verbindlichen Anwendung für alle Produkte der behandelten Gruppe.

Wesentliche Neuerungen der CPR 2024 nach aktuellem Stand 

Die neue EU-Bauprodukteverordnung regelt einerseits den europäischen Binnenmarkt für Bauprodukte, indem sie das CE-Kennzeichen basierend auf einer umfangreichen Leistungserklärung (Declaration of Performance and Conformity, kurz DoPC) zur Voraussetzung für die Marktzulassung macht. Auf der anderen Seite setzt sie für Bauprodukte die EU-Ökodesignrichtlinie um. Dies geschieht durch einen stärkeren Fokus auf die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, die Inklusion von wesentlichen Umweltmerkmalen und anderen Umweltanforderungen in die Leistungserklärung sowie die Einführung des digitalen Produktpasses (DPP)

Durch Vorgaben der Verordnung wird die Entwicklung von harmonisierten Produktanforderungen und Normen erleichtert und beschleunigt, gleichzeitig wird der Verbraucherschutz gestärkt. Der digitale Produktpass wird mittelfristig alle wesentlichen Informationen zur Sicherheit der Produkte aber auch zu Umweltaspekten, Reparierbarkeit und Kreislauffähigkeit enthalten und öffentlich einsehbar sein. Dabei gelten umfassende Übergangsfristen. Lediglich alle Artikel, die sich auf den Normungsprozess und die Definition der Produktanforderungen beziehen, gelten unmittelbar seit Inkrafttreten der Verordnung am 7. Jänner 2025. 

Normen und Produktanforderungen pro Produktgruppe selbst, sowie weitere, teils sehr wesentliche Details werden im Laufe der Übergangsfrist nach und nach in Form von delegierten Rechtsakten erarbeitet und verabschiedet. Dabei handelt es sich etwa um die tatsächliche Ausgestaltung des digitalen Produktpasssystems, die Festlegung der Bewertungs- und Überprüfungssysteme sowie verbindliche Mindestanforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit von Bauprodukten in der öffentlichen Vergabe. Auch die Einführung eines Verbraucherlabels für ökologische Nachhaltigkeit und eine mögliche Ersatzteilpflicht für Bauproduktehersteller ist angedacht aber durch die VO selbst noch nicht geregelt.

Auch in den Grundanforderungen der alten Bauprodukteverordnung waren Anforderungen an die „Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“ enthalten, die in Form einer Leistungserklärung festzuhalten waren. Allerdings waren diese zahnlos ausgestaltet, da diese lediglich eine allgemeine Forderung nach Recyclingfähigkeit, Dauerhaftigkeit und der Verwendung umweltverträglicher Rohstoffe enthielt. 

Leistungserklärungen nach der neuen BauPVO müssen hingegen die Umweltleistung des Produktes während seines gesamten Lebenszyklus belegen und dies mindestens anhand von 16 vorab in Anhang II der Verordnung angeführten Indikatoren. Diese Kennwerte beziehen sich zum Beispiel auf den Klimawandel (inklusive des GWPs: Global Warming Potential), Ozonabbau und Versauerung bis hin zur Ressourcen- und Wassernutzung. Zusätzlich können weitere Kennzahlen über die harmonisierten Normen und technischen Spezifikationen der einzelnen Produktgruppen hinzukommen. 

Die Vorgaben der CPR 2024 bereits jetzt in die Praxis übernehmen 

Unabhängig von der bereits jetzt bekannten Timeline und den in Kürze zu erwartenden Working Plans der EU-Kommission sollten Hersteller von Bauprodukten aller Produktfamilien sich bereits jetzt mit den neuen Anforderungen auseinandersetzen und die Veröffentlichung einer freiwilligen Umweltproduktdeklaration in Betracht ziehen. Dabei können wertvolle Erkenntnisse für die spätere Normkonformität gesammelt und Know-How und Ressourcen frühzeitig aufgebaut werden. Gleichzeit ist mit jeder in die Normungsphase übergehenden Produktfamilie mit einem Trickle Down Effekt zu rechnen. Betrachtet man etwa das Beispiel der Fertigbetonteilehersteller, so benötigen diese zur Erstellung einer Umweltproduktdeklaration Inputdaten ihrer vorgelagerten Zementlieferanten. Auch ohne gesetzliche Verpflichtung bereits qualitativ hochwertige und im Rahmen des EPD-Systems durch dritte verifizierte Daten zur Verfügung stellen zu können wird im Laufe der nächsten Jahre dementsprechend mehr und mehr zu einem Wettbewerbsvorteil werden.

Obwohl die Bauprodukteverordnung im ersten Schritt bis 2029 nur die Angabe des GWPs in der Leistungserklärung vorschreibt, kann aus ökobilanzieller Sicht nur wärmstens empfohlen werden, von Beginn an alle Charakterisierungsfaktoren zu berechnen. Neben dem Mehr an Erkenntnis hinsichtlich der tatsächlichen Umweltperformance des Produktes (Stichwort: Tradeoffserkennen), ist dies auch wirtschaftlich sinnvoll, da der Aufwand in der Ökobilanzierung zur Berechnung eines oder aller Indikatoren nahezu derselbe ist und ab 2029 auch die EU-Vorgabe lautet, das gesamte Set an Indikatoren miteinzubeziehen. Zu beachten ist dabei, dass die erhobenen Werte in diesem Fall auch in Gänze in die Leistungserklärung aufgenommen werden müssen, da die BauPVO nicht erlaubt, nur das GWP in der DoP zu veröffentlichen, wenn ein umfangreicheres Set an anderer Stelle deklariert wird.

Fazit und Zusammenfassung

Eine zentrale Änderung der neuen CPR VO liegt in den Basisanforderungen zur Leistungserklärung im Hinblick auf ein umfangreiches Set an Umweltindikatoren. Diese müssen zukünftig von dritter Stelle verifiziert werden und verpflichtend in Form eines Digitalen Produktpasses zugänglich gemacht werden. Gleichzeitig sind diese Indikatoren Grundlage für die CE-Kennzeichnung der auf dem europäischen Binnenmarkt vertriebenen Bauprodukte. Diese Änderung wird schrittweise auf die Produktkategorien der Branche ausgerollt und ist ab dem Vorliegen der zugehörigen Normen rechtsgültig. Nach Abschluss dieses Harmonisierungsprozesses wird spätestens 2040 der Übergang von der alten Bauprodukteverordnung aus dem Jahr 2011 zur neuen BauPVO abgeschlossen sein.

Die lange Übergangsphase ermöglicht eine gute Vorbereitung und sollte für eine frühzeitige Auseinandersetzung genutzt werden. Trotz großer Herausforderungen bietet die Verordnung auch die Chance, sich ohne Sorge vor uneinheitlichen Vergleichen mit der eigenen Umweltperformance auseinanderzusetzen, sowie wirtschaftlich sinnvolle Verbesserungspotentiale zu identifizieren und anzugehen. Gleichzeitig sichert die harmonisierte Methodik vor Greenwashing ab und ermöglicht im Falle von Nachhaltigkeitsvorteilen im Vergleich zu Mitbewerbern einen fundierten Beleg erzielter Erfolge. 

Für Projektentwickler, Planer und Architekten wird die neue Bauprodukteverordnung im Laufe der kommenden Jahre die Datenbasis für Ökobilanzierung auf Gebäudeebene schaffen und Entscheidungen für nachhaltige Varianten bedeutend unterstützen. 

Gleichzeitig hat die neue Verordnung noch einige Details offengelassen, Delegated Acts werden diese nach und nach ergänzen. Unternehmen der Baubranche sollten dementsprechend die weiteren Schritte der Übergangsphase verfolgen und sich gegebenenfalls auch aktiv mit Feedback und Stellungnahmen an den Konsultationen zu den delegierten Rechtsakten der Europäischen Kommission beteiligen. 

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