Jetzt verbindlich: ESRS-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung
Am 31. Juli 2023 wurden die neuen ESRS-Standards veröffentlicht, die in Zukunft die maßgebliche Grundlage der Nachhaltigkeitsberichterstattung sein werden. Der Expertenkommentar von Dr. Helmut Siller erklärt das neue Regelwerk.
CSRD
Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, müssen auch Unternehmen ihre Anstrengungen zu mehr Nachhaltigkeit verstärken und transparent(er) darüber berichten.
Die Richtlinie CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) sieht die Entwicklung europäischer Nachhaltigkeitsberichtsstandards vor.
Die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) wurde auserkoren, die konzeptionellen Arbeiten zu den ESRS (European Sustainability Reporting Standards) zu leisten, da sie selbst als Standardsetzer auf EU-Ebene in Betracht kommt.
Das Rahmenwerk der Global Reporting Initiative (GRI) ist bis dato das weltweit am weitesten verbreitete Standard-Set zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und bietet den dann verpflichteten Unternehmen eine optimale Vorbereitung auf die Reporting-Pflichten. Am 5.9.2023 gaben GRI und EFRAG eine gemeinsame Erklärung mit dem Ziel einer weiteren engen Zusammenarbeit bei der Standard-Entwicklung bekannt.
ESRS-Standards
Ein ESRS-Standard ist ähnlich aufgebaut wie ein IFRS-(bzw IAS-)Standard und zeigt – mit Ausnahme von ESRS 1 (Allgemeine Anforderungen) – im Wesentlichen die folgende Struktur:
- Inhaltsverzeichnis
- Ziel(e)
- Verbindung Zusammenspiel mit anderen ESRS
- Angabepflichten
- Governance (GOV): Die Governance-Prozesse, -Kontrollen und -Verfahren, die zur Überwachung und Steuerung von Auswirkungen, Risiken und Chancen eingesetzt werden.
- Strategie und Geschäftsmodell (SBM): Wie die Strategie und das/die Geschäftsmodell(e) des Unternehmens mit seinen wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen zusammenhängen.
- Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen (IRO): Der oder die Prozess(e), mit denen impacts, risks and opportunities (IRO) ermittelt, bewertet und gesteuert werden.
- Parameter und Ziele (metrics and targets, MT): Wie das Unternehmen seine Leistung und Entwicklungsfortschritte misst.
- Anlagen: Vor allem Anwendungsanforderungen (application requirements, AR)
Set von zwölf ESRS
Am 31. Juli 2023 wurde die durch die EU-Kommission angenommene Delegierte Verordnung veröffentlicht und dazu zwei Anhänge, und zwar
- der entscheidende Anhang 1 mit den zwölf ESRS im Detail (247 Seiten Text im Englischen, 282 Seiten Text im Deutschen);
- Anhang 2 mit Erklärungen zu Abkürzungen und einem sehr umfangreichen Glossar.
In Anhang 1 enthalten sind die ersten zwölf ESRS, jeweils mit ihrem Seitenumfang in der deutschsprachigen Fassung:
- Übergreifende Standards (Cross-Cutting Standards):
ESRS 1: Allgemeine Anforderungen (39 Seiten)
ESRS 2: Allgemeine Angaben, Strategie, Governance und Offenlegungsverpflichtungen (35 Seiten)
- Umwelt:
- ESRS E1: Klimawandel (43 Seiten)
- ESRS E2: Umweltverschmutzung (12 Seiten)
- ESRS E3: Wasser und Meeresressourcen (12 Seiten)
- ESRS E4: Biodiversität und Ökosysteme (22 Seiten)
- ESRS E5: Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft (13 Seiten)
- Soziales:
- ESRS S1: Eigene Belegschaft (44 Seiten)
- ESRS S2: Beschäftigte in der Wertschöpfungskette (18 Seiten)
- ESRS S3: Betroffene Gemeinschaften (17 Seiten)
- ESRS S4: Verbraucher und Endnutzer (16 Seiten)
- Governance:
- ESRS G1: Geschäftsverhalten (10 Seiten)
Anwendung und Zeitplan für die Nachhaltigkeitsberichterstattung
Die finalen Standards sehen im Unterschied zu den Entwürfen von Juni 2023 vor, dass Unternehmen, die keine wesentlichen IRO in Bezug auf den Klimawandel identifiziert haben und daher auf sämtliche Angaben nach ESRS E1 verzichten, eine umfangreiche Begründung für die Unwesentlichkeit des Themas für das Unternehmen abgeben müssen.
Die Berichtsstandards 2, E1 und S1 sind Pflichtstandards für alle Unternehmen, unabhängig von einer besonderen Wesentlichkeitsprüfung (S1 gilt dabei für Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden).
Das Europäische Parlament und der Rat der EU haben nun bis zu vier Monate Zeit, um Einwände zu erheben. Sollte dies nicht der Fall sein (womit realistischerweise zu rechnen ist), wird die Verordnung nach Ablauf der Frist im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt drei Tage danach in Kraft.
Für welche Unternehmen und ab wann gelten die ESRS?
Ab Geschäftsjahren, die am oder nach dem 1. Jänner 2024 beginnen:
- große Unternehmen, bei denen es sich um Unternehmen von öffentlichem Interesse handelt, die am Bilanzstichtag die durchschnittliche Zahl von 500 Beschäftigten im Geschäftsjahr überschreiten;
- Unternehmen von öffentlichem Interesse, bei denen es sich um Mutterunternehmen einer großen Gruppe handelt, die am Bilanzstichtag die durchschnittliche Zahl von 500 Beschäftigten während des Geschäftsjahres auf konsolidierter Basis übersteigt.
Rund 2.000 Unternehmen in Österreich werden davon betroffen sein.
Ab Geschäftsjahren, die am oder nach dem 1. Jänner 2025 beginnen:
- andere große Unternehmen als diejenigen großen Unternehmen, bei denen es sich um Unternehmen von öffentlichem Interesse handelt, die am Bilanzstichtag die durchschnittliche Zahl von 500 Beschäftigten im Geschäftsjahr überschreiten;
- Mutterunternehmen einer großen Gruppe, die keine Unternehmen von öffentlichem Interesse sind, bei denen es sich um Mutterunternehmen einer großen Gruppe handelt, die am Bilanzstichtag die durchschnittliche Zahl von 500 Beschäftigten während des Geschäftsjahres auf konsolidierter Basis übersteigt.
Der derzeitige Zeitplan der EFRAG sieht vor, Set 2 im Herbst 2023 öffentlich zu beraten und die überarbeiteten ESRS-Entwürfe danach der Europäischen Kommission zu übergeben.