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Neue europäische Nachhaltigkeitsberichtsstandards – ESRS: Update
Mag. Milka Milicic und Mag. Carla Zimmermann-Gassner, LL.B. erläutern die wichtigsten Eckpunkte zu den neuen ESRS, die noch im Sommer 2023 verabschiedet werden sollen.
Die „European Sustainability Reporting Standards“ (ESRS) stellen einheitliche europäische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung dar und dienen als Leitkriterien für die Berichterstattung gemäß der neuen EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD). Noch im Sommer 2023 sollten die im November 2022 präsentierten Entwürfe der ESRS als sog delegierte Rechtsakte verabschiedet werden. Nachstehender Beitrag verschafft einen Überblick über die wesentlichen Aspekte der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Sinne der erwähnten Unionsakte.
EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung von Unternehmen („Corporate Sustainability Reporting Directive“ - CSRD)
Die Richtlinie (EU) 2022/2464 zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung von Unternehmen trat am 05.01.2023 in Kraft und ist binnen 18 Monaten in nationales Recht der EU-Mitgliedstaaten umzusetzen.
Verpflichtete Unternehmen
Die CSRD verpflichtet große sowie kapitalmarktnotierte Unternehmen, detaillierte Informationen zu Nachhaltigkeitsaspekten im Rahmen des Lageberichts zu veröffentlichen. Als große Unternehmen gelten in Österreich jene Unternehmen, die mindestens zwei der drei Kriterien des
§ 221 UGB, nämlich i) Nettoumsatz von EUR 40 Millionen, ii) Bilanzsumme von EUR 20 Millionen und/oder iii) 250 Arbeitnehmer:innen im Jahresdurchschnitt, erfüllen.
Alle großen Unternehmen unterliegen der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD. Darüber hinaus sind vom Anwendungsbereich der Richtlinie alle kapitalmarktorientierten Unternehmen, mit Ausnahme von börsennotierten Kleinstunternehmen, erfasst. Eine Ausnahme von der Berichterstattungspflicht ist bei der Berichterstattung auf Konzernebene vorgesehen: Ist ein Tochterunternehmen im Nachhaltigkeitsbericht der Muttergesellschaft berücksichtigt, entfällt die Pflicht der Tochtergesellschaft zur Berichterstattung. Ferner erstreckt sich die Anwendbarkeit der CSRD auch auf Drittlandunternehmen, welche im Unionsgebiet einen Nettoumsatz von EUR 150 Millionen erzielen und ebendort eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung haben.
Geltungsbeginn
Die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD tritt für betroffene Unternehmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft:
- für kapitalmarktorientierte Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 500 Mitarbeiter:innen für Geschäftsjahre beginnend ab 2024, dh erstmals im Jahr 2025;
- für große Kapitalgesellschaften gemäß § 221 UGB und vergleichbare Rechtsformen sowie Banken und Versicherungen für Geschäftsjahre beginnend ab 2025, dh erstmals im Jahr 2026;
- für kapitalmarktorientierte KMU bzw uU für bestimmte Nicht-EU-Unternehmen für Geschäftsjahre beginnend ab 2026 bzw 2028, sohin erstmals im Jahr 2027 bzw 2029.
Inhalt der Berichtspflichten – Prinzip der doppelten Wesentlichkeit
Inhaltlich ist die Berichterstattung iSd CSRD vom Prinzip der doppelten Wesentlichkeit geprägt. Demnach ist einerseits über die Auswirkungen der Tätigkeit des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsaspekte (Inside-Out-Perspektive) und darüber hinaus über die Auswirkungen der Nachhaltigkeitsaspekte auf Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis und Lage des Unternehmens (Outside-In-Perspektive) zu berichten.
Die europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards – ESRS im Überblick
Zur Harmonisierung der Nachhaltigkeitsdaten im Sinne der Berichtspflichten gemäß CSRD wurden von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) die „European Sustainability Reporting Standards“ (ESRS) ausgearbeitet und Ende 2022 in finaler Fassung vorgestellt.
Die Verabschiedung der ESRS durch delegierte Rechtsakte der Europäischen Kommission ist für den Sommer 2023 geplant. Delegierte Rechtsakte sind verbindliche Rechtsakte der EU-Kommission, die zur Ergänzung oder Änderung von Rechtsvorschriften erlassen werden.
Die ESRS bestehen aus insgesamt zwölf Standards, die in vier Bereichen zusammengefasst werden:
(© EFRAG, abrufbar unter www.efrag.org/lab6)
- Bereichsübergreifende Standards (Cross-Cutting Standards)
ESRS 1 Allgemeine Grundsätze
ESRS 2 Allgemeine Offenlegungsanforderungen, Strategie, Governance und Wesentlichkeitsbewertung
- Umwelt
ESRS E1 Klimawandel
ESRS E2 Umweltverschmutzung
ESRS E3 Wasser- und Meeresressourcen
ESRS E4 Biodiversität und Ökosysteme
ESRS E5 Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft
- Soziales
ESRS S1 Eigene Belegschaft
ESRS S2 ArbeitnehmerInnen in der Wertschöpfungskette
ESRS S3 Betroffene Gemeinschaften
ESRS S4 Verbraucher und Endnutzer
- Governance
ESRS G1 Unternehmensführung
Die Standards zu ökologischen, sozialen und Governance-Themen sind stets im Kontext mit den beiden an erster Stelle angeführten Cross-Cutting Standards zu verstehen.
Die vorliegenden europäischen Nachhaltigkeitsstandards stellen ferner erst ein erstes Paket von derartigen Standards dar.
Verpflichtende ESRS-Standards
Sämtliche nach der CSRD verpflichteten Unternehmen müssen über die in ESRS 2 genannten Allgemeinen Angaben berichten. Dabei geht es um Governance-Prozesse und Unternehmensstrategien zu Nachhaltigkeitsthemen, Auswirkungen, Risiken und Chancen im Zusammenhang mit dem Prozess der Wesentlichkeitsanalyse und die zur Messung von Nachhaltigkeitsaspekten herangezogenen Mess- und Zielgrößen.
Für Unternehmen ab 250 Mitarbeiter:innen sind darüber hinaus Angaben zu ESRS S1 „Eigene Belegschaft“ unabhängig von dem Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse verpflichtend. Schließlich müssen alle CSRD-pflichtigen Unternehmen Angaben zum ESRS E1 Klimawandel tätigen, die grob in die Bereiche Eindämmung des Klimawandels, Anpassung an den Klimawandel sowie Energieproduktion und -verbrauch eingeteilt werden können. Ob weitere Standards berichtet werden müssen, hängt von deren Wesentlichkeit für das Unternehmen ab. Dies muss individuell im Wege der Wesentlichkeitsanalyse geprüft werden.
Die EFRAG hat für die ersten drei Anwendungsjahre Übergangsregelungen beschlossen, die Erleichterungen darstellen und im Anhang D der ESRS 1 nachgelesen werden können.
(Qualitative) Anforderungen der Berichterstattung nach ESRS
Verpflichtete Unternehmen haben nach den ESRS alle wesentlichen Informationen über die Auswirkungen, Risiken und Chancen bezüglich der Umwelt sowie Sozial- und Governance-Aspekte offenzulegen. Sind einzelne Aspekte im konkreten Unternehmen durch die ESRS-Vorgaben nicht (ausreichend) abgedeckt, sollten unternehmensspezifische Angaben gemacht werden.
Im Rahmen der Berichterstattung nach ESRS sind bestimmte qualitative Anforderungen hinsichtlich der offengelegten Informationen, wie die Relevanz und die getreue Darstellung sowie Vergleichbarkeit, Überprüfbarkeit und Verständlichkeit, zu erfüllen.
Die ESRS gehen weiters auch vom Prinzip der doppelten Wesentlichkeit aus: die impact materiality (Nachhaltigkeitsaspekte mit wesentlichen Auswirkungen des Unternehmens auf Menschen oder die Umwelt) und die financial materiality (Nachhaltigkeitsaspekte mit wesentlichen finanziellen Auswirkungen auf das Unternehmen).
Die Berichtsperiode der Nachhaltigkeitsberichterstattung entspricht der Periode der finanziellen Berichterstattung (dh dem Geschäftsjahr). Gegebenenfalls sind auch retrospektive und zukunftsorientierte Informationen in den Nachhaltigkeitsbericht aufzunehmen. Bei der Darstellung von Entwicklungen ist ein Vergleichsjahr als Basis festzulegen.
Die ESRS sehen darüber hinaus zahlreiche weitere Vorgaben vor, welche bei der unternehmensinternen Nachhaltigkeitsprüfung bzw Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten zu beachten sind. (Mehr zum Thema Nachhaltigkeitsbericht und ESRS finden Sie im Praxishandbuch „Nachhaltigkeits-Berichterstattung“.)
Conclusio
Mit den europäischen Nachhaltigkeitsstandards soll ein einheitliches Regelwerk für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen innerhalb der EU geschaffen werden. Die erweiterten Berichtspflichten nach CRSD und ESRS verfolgen die Ziele der Europäischen Nachhaltigkeitsinitiative und sollen zu einer nachhaltig(er)en Wirtschaft beitragen. Die Auswirkungen in der Praxis bleiben abzuwarten.
Autorinnen
Mag. Milka Milicic und Mag. Carla Zimmermann-Gassner, LL.B. sind Rechtsanwältinnen bei GIBEL ZIRM Rechtsanwälte in Wien und Autorinnen von zahlreichen Publikationen. Sie betreuen nationale und internationale Mandate in allen Bereichen des Unternehmens- und Wirtschaftsrechtes.
Link auf die Kanzlei: https://www.gibelzirm.com/de