01.04.2024 | Öffentliche Verwaltung | ID: 1165111

Stolperfallen im baupolizeilichen Verfahren

Philipp Pallitsch

Lesen Sie in diesem Beitrag, was Sie bei baupolizeilichen Bescheiden beachten müssen und worauf Baubehörden bei der Einhaltung von baurechtlichen Vorschriften besonderes Augenmerk legen.

Nach Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG liegt die Vollziehung der örtlichen Baupolizei im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden (VwGH 21.03.2014, 2011/06/0201 – Slbg ROG 1998). Im Rahmen der Baupolizei wird den Baubehörden die Pflicht zur Überwachung der Einhaltung baurechtlicher Bestimmungen auferlegt.

Notwendige Bestimmtheit des Auftrags

Wesentliche Voraussetzung für einen pflichtenbegründenden, baupolizeilichen Bescheid ist die für die allfällige Vollstreckung erforderliche Bestimmtheit des Auftrages. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH bilden der Spruch und die Begründung eines Bescheides eine Einheit, weshalb die Begründung zur Auslegung eines unklaren Spruches maßgeblich ist (VwGH 12.04.2021, Ra 2019/06/0118 – Vlbg BauG). Mit der Erteilung eines baupolizeilichen Auftrags wird der Adressat grundsätzlich die Verbindlichkeit zu einer Leistung bzw zur Herstellung eines bestimmten Zustandes auferlegt.

Nach § 59 Abs 2 AVG ist daher im Spruch zugleich auch eine angemessene Frist zur Ausführung dieser Leistung oder Herstellung zu bestimmen (VwGH 29.06.2016, Ra 2016/05/0052). Nach der Judikatur des VwGH wird von der Angemessenheit einer Erfüllungsfrist ausgegangen, wenn innerhalb derselben die erforderlichen Arbeiten technisch durchführbar sind; auf wirtschaftliche Umstände ist dabei mitunter Bedacht zu nehmen (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0033).

Im Allgemeinen lässt sich vor dem Hintergrund der Judikatur des VwGH festhalten, dass ein baupolizeilicher Auftrag – unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums – immer nur im zwingend erforderlichen Ausmaß ergehen darf. Bei einem einheitlichen Bauwerk ist dieses auch stets in seiner Gesamtheit Gegenstand des baupolizeilichen Auftrages (VwGH 21.03.2014, 2012/06/0008 – Stmk BauG).

Zur Parteistellung im aufsichtsbehördlichen Verfahren

Im aufsichtsbehördlichen und im verwaltungspolizeilichen Verfahren kommt idR nur dem Adressaten des aufsichtsbehördlichen Bescheides Parteistellung zu. Der baupolizeiliche Auftrag trifft sohin den Eigentümer einer Baulichkeit; dieser ist regelmäßig auch der Eigentümer des Baugrundstücks („superficies solo cedit“) (VwGH 27.08.2013, 2013/06/0128 – Stmk BauG).

Wurde ein baupolizeilicher Beseitigungsauftrag bereits an einen Voreigentümer des Bauwerks erlassen, kann das Vollstreckungsverfahren aufgrund der dinglichen Wirkung des baupolizeilichen Auftrags auch gegen seinen Rechtsnachfolger durchgeführt werden (VwGH 29.01.2016, Ro 2014/06/0033 – Slbg BauPolG).

Den Bauordnungen und Baugesetzen kann mitunter entnommen werden, dass niemandem – weder den Nachbarn noch den Grundeigentümern selbst – ein Anspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Bescheides zukommt (VwGH 26.06.2013, 2012/05/0154 – BO für Wien). Eine Parteistellung der Nachbarn im baupolizeilichen Verfahren wird regelmäßig nicht angenommen, kann aber in den Baugesetzen oder Bauordnungen ausdrücklich vorgesehen sein (zB § 6 Abs 1 NÖ BO 2014). Nachbarn kommt regelmäßig nur dann eine Parteistellung im baupolizeilichen Verfahren zu, wenn sie durch das vorschriftswidrige Bauwerk in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden (VwGH 20.10.2009, 2008/05/0274).

Prüfpflichten der Baubehörden

Den Baubehörden wird bereits während der Bauausführung die Verpflichtung auferlegt, das Vorhaben hinsichtlich seiner bewilligungs- oder anzeigekonformen Ausführung zu überprüfen. Dabei werden die Baubehörden ermächtigt, die Übereinstimmung der tatsächlichen Bauausführung mit den eingereichten Plänen und Unterlagen zu überprüfen. Den Vertretern der Behörden ist im Rahmen der Aufsicht der Bauausführung jederzeit der Zutritt zur Baustelle zu gewähren und sind die Verantwortlichen (Bauwerber, Bauführer etc) angehalten, alle erforderlichen Informationen bereitzustellen (§ 127 BO für Wien; § 27 NÖ BO 2014; § 41 Oö BauO; § 25 Bgld BauG; § 34 K-BO; § 37 Stmk BauG; § 15 Slbg BauPolG; § 41 TBO; § 38 Vlbg BauG).

Abgrenzung konsenslose/konsenswidrige Bauausführung

Sollte die Behörde im Rahmen der Bauaufsicht eine nicht vorschriftsgemäße Bauausführung feststellen, so kann dabei im Allgemeinen zwischen der konsenslosen und der konsenswidrigen Bauausführung unterschieden werden.

Ein konsensloses Bauwerk liegt vor, wenn dieses ohne vorige Baubewilligung oder Bauanzeige ausgeführt wird.

Eine konsenswidrige Bauausführung liegt hingegen vor, wenn zwar eine Baubewilligung erteilt oder eine Bauanzeige erstattet wurde, jedoch die tatsächliche Ausführung nicht dem projektierten Vorhaben entspricht. Kommt die Baubehörde im Rahmen der Bauausführung zu dem Ergebnis, dass eine konsenslose oder konsenswidrige Ausführung vorliegt, so hat der Bauwerber um nachträgliche Baubewilligung anzusuchen oder eine nachträgliche Bauanzeige nach dem jeweiligen Materiengesetz zu erstatten. Ferner hat die Baubehörde die Herstellung des konsensgemäßen Zustands binnen einer angemessenen Frist und mitunter eine Einstellung der Bauausführung anzuordnen.

Einforderung von Erhaltungs- und Instandhaltungspflichten

Nach Vollendung des Bauwerks treffen den Eigentümer ferner Erhaltungs- und Instandhaltungspflichten. Dabei ist das errichtete Bauvorhaben im bewilligten oder angezeigten Zustand zu erhalten und sollen etwaige Baugebrechen behoben werden. Diese Verpflichtung trifft den Eigentümer des Bauwerks bereits ex lege und bedarf grundsätzlich keiner Konkretisierung durch einen baupolizeilichen Auftrag (VwGH 24.04.2018, Ra 2016/05/0140 – BO für Wien; VwGH 17.12.2015, 2012/05/0064 – NÖ BO 1996; VwGH 29.06.2022, Ra 2020/06/0041 – Stmk BauG). Kommt der Eigentümer seiner Verpflichtung hingegen nicht nach, so hat die Baubehörde – idR nach Überprüfung des Bauwerks – unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des Baugebrechens durch einen baupolizeilichen Auftrag („Instandsetzungsauftrag“) anzuordnen (§ 129 BO für Wien; § 34 NÖ BO 2014; § 48 Oö BauO; § 28 Bgld BauG; § 44 K-BO; § 39 Stmk BauG; § 19 Slbg BauPolG; § 47 TBO; § 46 Vlbg BauG).

Inhalt und Grenzen von Abbruch- und Beseitigungsaufträgen

Sollte ein Instandsetzungsauftrag nicht möglich sein – regelmäßig aufgrund von technischer Unmöglichkeit oder wirtschaftlicher Unvertretbarkeit – so haben die Baubehörden gem den jeweiligen Materiengesetzen einen Abbruch- bzw Beseitigungsauftrag anzuordnen. Ein baupolizeilicher Auftrag muss so bestimmt sein, dass er Gegenstand eines Vollstreckungsverfahrens sein kann.

Bei einem Abbruchauftrag darf daher kein Zweifel darüber bestehen, welcher Bauteil tatsächlich abzubrechen ist (VwGH 31.05.2022, Ro 2021/06/0008 – K-BO; VwGH 12.04.2021, Ra 2019/06/0118 – Vlbg BauG). Nach der Rechtsprechung des VwGH ist jedenfalls von einer ausreichenden Konkretisierung und Individualisierung auszugehen, wenn einem Fachmann erkennbar ist, welche Maßnahmen zu setzen sind (VwGH 22.10.2008, 2007/06/0051 – Stmk BauG). Ein Abbruchauftrag darf regelmäßig erst vollstreckt werden, sollte ein nachträgliches Ansuchen um baubehördliche Bewilligung rechtskräftig zurück- oder abgewiesen worden sein (VwGH 07.03.2015, Ra 2014/05/0051 – NÖ BO 1996).

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