All-In-Vertrag & All-In-Vereinbarungen – was gilt es zu beachten?
Welche Form und Vorgaben gelten für All-In-Verträge? Welche Auswirkungen hatte die Arbeitszeitnovelle 2018 auf All-In-Verträge und -Vereinbarungen? Antworten darauf finden Sie in diesem Beitrag.
Allgemeines
Unter so genannten All-In-Vereinbarungen (All-In-Vertrag) versteht man eine besondere Art der Pauschalentlohnung, bei der vereinbart wird, dass mit dem All-In-Entgelt sämtliche vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitsleistungen abgegolten werden sollen.
Hinweis:
Eine solche Vereinbarung ist nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich – nicht nur bei leitenden Angestellten – zulässig (RIS-Justiz RS0051519, 9 ObA 287/89, 9 ObA 268/92, 9 ObA 158/93 mwN).
Sie hindert den Arbeitnehmer jedoch nicht, über das All-In-Entgelt hinausgehende Ansprüche zu erheben, wenn und soweit sein unabdingbarer gesetzlicher Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeitsleistung durch die vereinbarte Pauschalentlohnung nicht gedeckt ist. Es ist daher eine genaue Abgrenzung darüber erforderlich, welche Entgeltbestandteile die Normalarbeit und welche die Überstunden betreffen (RIS-Justiz RS0051519).
Zu beachten ist, dass einige Kollektivverträge (Rahmen-)Bedingungen für Pauschalentlohnungsvereinbarungen vorsehen können. Beispielsweise sieht der IT-Kollektivvertrag in § 5 I. Abs 5 vor, dass eine Überstundenpauschale entweder betragsmäßig oder in Form einer Stundenanzahl auszuweisen ist. Vor Abschluss einer Pauschalentlohnungsvereinbarung ist daher ein Blick in den maßgeblichen Kollektivvertrag geboten.
Form und Vorgaben
Eine bestimmte Form des Abschlusses ist für die All-In-Vereinbarung nicht erforderlich. Eine All-In-Vereinbarung kann durch Einzelvertrag entweder ausdrücklich oder schlüssig getroffen werden, ohne dass es auf deren Bezeichnung ankäme (OGH 29.8.1990, 9 ObA 218/90). Dem Arbeitnehmer muss aber bei Vertragsabschluss erkennbar sein, dass mit dem gewährten Entgelt auch die Überstundenvergütung (Normallohn und Zuschlag) abgegolten sein soll (RIS-Justiz RS0051519).
Alleine aus der überkollektivvertraglichen Entlohnung kann für sich genommen nicht auf eine Pauschalierungsvereinbarung betreffend die Überstunden geschlossen werden (Pfeil in Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht [2018], Rz 19 zu § 10 AZG, S 1332). Die Zahl der zu leistenden Überstunden muss in der All-In-Vereinbarung nicht genannt werden (Schrank, Arbeitszeit Kommentar5, Rz 25 zu § 10 AZG, S 306).
Entscheidend für die Wirksamkeit der All-In-Vereinbarung ist im Regelfall, dass das Grundgehalt oder der Grundlohn, welcher für die Normalarbeitszeit zusteht, zumindest bestimmbar ist bzw die objektive Möglichkeit besteht, das Grundgehalt/den Grundlohn von jenem Entgeltbestandteil abzugrenzen, der der Abgeltung anderer Ansprüche des Arbeitnehmers dient. Dies ist insofern von Bedeutung, als eine zunehmende Anzahl von Überstunden nicht zu einer für den Arbeitnehmer unabsehbaren Verringerung des Normallohns führen sollte (Heilegger, Zur rechtlichen Zulässigkeit und Interpretation von All-In-Vereinbarungen, DRdA 2012, S 17). Überdies muss prüfbar sein, ob durch die Pauschale tatsächlich alle geleisteten Überstunden bzw die anderen Ansprüche des Arbeitnehmers abgedeckt sind (Heilegger, Zur rechtlichen Zulässigkeit und Interpretation von All-In-Vereinbarungen, DRdA 2012, S 17).
Im Zusammenhang mit der Bestimmbarkeit des Grundgehalts oder Grundlohns ist auch § 2g AVRAG zu beachten, welcher normiert, dass bei Pauschalentgeltvereinbarungen, die ab dem 01.01.2016 abgeschlossen werden, im Arbeitsvertrag oder dem Dienstzettel das Grundgehalt oder Grundlohn iSd § 2 Abs 2 Z 9 AVRAG betragsmäßig anzuführen ist. Unterbleibt eine Angabe hat der Arbeitnehmer zwingend Anspruch auf das Grundgehalt oder den Grundlohn einschließlich der branchen- und ortsüblichen Überzahlungen, welche am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebühren.
Dies kann zu einer nicht unbeträchtlichen Verteuerung der Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber führen und ist vor allem für die Prüfung einer Unterdeckung von Relevanz:
Zu berücksichtigen ist nämlich, dass das Grundgehalt oder der Grundlohn einschließlich der branchen- und ortsüblichen Überzahlungen, welche am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebühren, im Regelfall deutlich höher sein werden, als das kollektivvertragliche Mindestgehalt oder der Mindestlohn, welcher bei All-In-Entgelten regelmäßig zur Prüfung einer Unterdeckung herangezogen wird.
Selbstverständlich können durch einen All-In-Vertrag die gesetzlichen Höchstarbeitszeitgrenzen, Mindestruhezeiten und die Verpflichtung zur Arbeitszeitaufzeichnung nicht aufgehoben oder beschränkt werden.
Hinweis:
Für den Arbeitgeber bedeutet dies Folgendes:
Trotz All-In-Vertrag sollte bei Vertragsgestaltung unbedingt eine Abgrenzung zwischen dem Grundgehalt/Grundlohn für die Normalarbeitszeit und jenen Entgeltbestandteilen, die der (pauschalierten) Abgeltung anderer Ansprüche des Arbeitnehmers dienen, erfolgen. Das Grundgehalt/Der Grundlohn ist jedenfalls im Dienstzettel oder Arbeitsvertrag anzuführen.
Umfang
Der Umfang einer All-In-Vereinbarung ist grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln.
Zur Abdeckung der Ansprüche des Arbeitnehmers können neben dem Grundgehalt oder Grundlohn auch Sachbezüge (wie die Privatnutzung des Dienstwagens), Provisionen, Gewinnbeteiligungen und Funktionszulagen, die auf quantitative Mehrleistungen ausgerichtet sind bzw den Charakter einer Überstundenpauschale haben, berücksichtigt werden (Heilegger, Zur rechtlichen Zulässigkeit und Interpretation von All-In-Vereinbarungen, DRdA 2012, S 18). Auch eine höhere kollektivvertragliche Einstufung oder die Anrechnung einer größeren Anzahl von Verwendungsgruppenjahren kann der Abgeltung von Mehrarbeit dienen (OGH 21.2.2002, 8 ObA 79/01b).
Es ist zulässig, neben dem Entgelt für Mehr- und Überstunden auch die Abgeltung anderer Entgeltteile vorzusehen, wie Sonderzahlungen, Feiertagszulagen oder Sonntagszuschläge (RIS-Justiz RS0051519, RS0030836, Schrank, Arbeitszeit Kommentar [2018]5, Rz 25 zu § 10, Seite 306). Die Urlaubsersatzleistung kann allerdings nicht in die All-In-Vereinbarung einbezogen werden, da dies gegen das Ablöseverbot des § 7 UrlG verstoßen würde.
Wenn die Vereinbarung auf „gesetzlich zulässige Überstunden“ abstellt, werden nur diese durch die Pauschale abgedeckt. Die unzulässigen Überstunden sind in diesem Fall gesondert zu vergüten (Schrank, Arbeitszeit Kommentar [2018]5, Rz 26 zu § 10 AZG, S 307, OGH 11.5.2006, 8 ObA 11/06k; OGH 6.4.2005, 9 ObA 71/04p). Üblicherweise wird davon auszugehen sein, dass sich Arbeitsvertragsparteien nur zur Leistung jener Überstunden verpflichten wollen, die gesetzlich zulässig sind. Ohne ausdrückliche Erwähnung erfasst ein All-In-Entgelt daher nur all jene Bezüge, die bei Arbeitsleistung im zulässigen Ausmaß anfallen (OLG Wien 28.9.2016, 7 Ra 77/16v). Inwieweit die erbrachten Überstunden durch das Überstundenpauschale tatsächlich abgedeckt sind, hat grundsätzlich der Arbeitgeber zu überprüfen (vgl OGH 9 ObA 39/03f).
Hinweis:
Gem § 7 Abs 6 AZG neu sind Arbeitnehmer berechtigt, Überstunden ohne Angabe von Gründen abzulehnen, wenn dadurch die Tagesarbeitszeit von 10 Stunden bzw die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird.
Für einen Dienstnehmer besteht keine Verpflichtung, Arbeitsstunden über die gesetzliche Höchstgrenze der Arbeitszeit zu leisten. Leistet er dennoch Überstunden über das höchstzulässige Überstundenausmaß, so sind diese gesondert zu entlohnen. In diesem Fall gebührt dem Arbeitnehmer das Grundentgelt samt Überstundenzuschlag. Eine All-In-Vereinbarung kann auch diese Überstunden wirksam einbeziehen, es bedarf dazu aber einer entsprechenden Vertragsklausel im Arbeitsvertrag (vgl Arb 13.347, OLG Wien 7 Ra 77/16v).
Auswirkung der Arbeitszeitnovelle 2018 auf All-In-Vereinbarungen?
Ob mit einer All-In Vereinbarung auch die (neue) 11. und 12. Überstunde pro Tag mit abgegolten ist, hängt von der Auslegung der betroffenen Vereinbarung ab.
Ist die Vereinbarung entsprechend weit formuliert (etwa „alle wie immer gearteten Überstunden“, „jedwede Überstunden“), wird die 11. und 12. Überstunde pro Tag nach meiner Einschätzung mitumfasst sein.
Unklar bleibt, wie sich in diesem Fall das Wahlrecht des Arbeitnehmers gem § 10 Abs 4 AZG (Geld oder Zeitausgleich für die 11. und 12. Arbeitsstunde) auswirkt. Denkbar wäre, dass der Arbeitgeber die Pauschalierungsvereinbarung (anteilig) kürzen kann, wenn sich der Arbeitnehmer (rechtsmissbräuchlich) für Zeitausgleich als Ausgleich für die 11. und 12. Stunde pro Tag anstelle einer Abgeltung in Geld entscheidet. Es fehlt aber höchstgerichtliche Judikatur zu dieser Frage.
Verjährung/Verfall
Verfall
Möglich und zulässig ist, eine Verfallsfrist für jene Überstunden vorzusehen, welche durch einen All-In-Vertrag nicht gedeckt sind.
Als Beginn der Verfallsfrist für Überstunden, die nicht durch eine vereinbarte Überstundenpauschale abgegolten sind, kann allerdings frühestens jener Zeitpunkt infrage kommen, zu dem die Überstunden eines Beobachtungszeitraums abrechenbar sind (OGH 29.1.2014, 9 ObA 166/13x).
Wenn der Arbeitgeber am Ende des Beobachtungszeitraumes bzw bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Abrechnung durchführt, kann kein Verfall eintreten (OLG Wien 12.3.2004, 8 Ra 20/04a).
Gem § 26 Abs 9 AZG werden Verfallsfristen gehemmt, wenn wegen des Fehlens von Arbeitszeitaufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden die Feststellung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit unzumutbar ist.
Fristen von 3–4 Monaten sind zulässig (RIS-Justiz RS0016688, T28), soweit sie gesetzlich oder kollektivvertraglich vorgesehene Fristen nicht verkürzen.
Verjährung
Die Verjährungsfrist für die Geltendmachung eines All-In-Entgeltes beträgt gem § 1486 Z 5 ABGB drei Jahre. Es handelt sich gem § 1502 ABGB um eine dispositive Regelung, die verkürzt werden kann. Für den Beginn des Laufes der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1486 Z 5 ABGB ist der Zeitpunkt entscheidend, zu dem der Geltendmachung des Anspruches kein rechtliches Hindernis (zB mangelnde Fälligkeit) mehr entgegensteht (vgl OGH 9 ObA 87/13d).
Wichtige Ausnahmen vom AZG
Leitende Angestellte und sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit maßgeblicher selbstständiger Entscheidungsbefugnis
Gem § 1 Abs 2 Z 8 AZG sind leitende Angestellte und sonstige Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, denen maßgebliche selbstständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist, vom Anwendungsbereich des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen.
Voraussetzung ist, dass deren gesamte Arbeitszeit aufgrund der besonderen Merkmale der Tätigkeit
- nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird, oder
- von diesen Arbeitnehmerinnen bzw Arbeitnehmern hinsichtlich Lage und Dauer selbst festgelegt werden kann.
Ein Anspruch des leitenden Angestellten auf ein bestimmtes Mindestentgelt lässt sich aus § 1152 ABGB nicht ableiten. Jedoch können „Schuld- und Hungerlöhne“, deren Höhe in auffallendem Missverhältnis zum Wert der Leistung des Dienstnehmers steht, als „Lohnwucher“ gegen die guten Sitten verstoßen, wenn ihre Vereinbarung durch Ausbeutung des Leichtsinnes, einer Zwangslage, der Unerfahrenheit oder der Verstandsschwäche des Dienstnehmers zustande gekommen ist (RIS-Justiz RS0016702).
Der Begriff des „leitenden Angestellten“ im AZG ist weiter gefasst als jener im ArbVG (RIS-Justiz RS0051261), insbesondere ist nicht unbedingt erforderlich, dass der Mitarbeiter Dienstverhältnisse begründen oder auflösen kann (Risak in Gerlach/Risak/Schrank/Höfle, Praxishandbuch Arbeitsvertragsgestaltung [2012], S 189 unter Verweis auf OGH 4 Ob 28/75, Arb 9351).
Es ist vielmehr auf den faktischen Einfluss des Arbeitnehmers und auf dessen Funktion im Betrieb abzustellen.
Zu beachten ist, dass die betroffenen Mitarbeiter oftmals dem jeweiligen Branchenkollektivvertrag unterliegen, der (zwingende) Regelungen zur Überstundenvergütung enthalten kann.
Wird ein Überstundenpauschalentgelt oder eine All Inclusive-Vereinbarung getroffen, so hat im Anwendungsbereich des Kollektivvertrages für die Berechnung der monatlichen Pauschalsummen der Grundsatz zu gelten, dass sie der durchschnittlich geleisteten Überstundenzahl entspricht, wobei die Überstundenzuschläge ebenfalls einzurechnen sind. Die Überstundenpauschale ist entweder betragsmäßig oder in Form der Stundenanzahl auszuweisen.
Bei einem Angestellten, der diesem Kollektivvertrag unterliegt, wären daher bei Vereinbarung einer All-In Vereinbarung die oben angeführten Grundsätze zu beachten. Der Arbeitnehmer ist trotz der Ausnahme aus dem AZG keineswegs „schutzlos“.
Hinweis:
Seit 01.09.2018 sind sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen maßgebliche selbstständige Entscheidungsbefugnis zukommt und deren gesamte Arbeitszeit aufgrund der besonderen Merkmale ihrer Tätigkeit nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird, oder von diesen Arbeitnehmerinnen bzw Arbeitnehmern hinsichtlich Lage und Dauer selbst festgelegt werden kann, vom Anwendungsbereich des AZG ausgenommen.
Nach den Materialien kann es sich bei sonstigen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, denen maßgebliche selbstständige Entscheidungsbefugnis zukommt, weiterhin nur um Führungskräfte handeln, die maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb haben. Im Gegensatz zum Begriff des „leitenden Angestellten“, der nach der Judikatur im Wesentlichen nur die 1. und 2. Führungsebene umfasst, wird nunmehr auch die 3. Führungsebene bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einbezogen.