Anspruch auf Urlaubsersatzleistung trotz unberechtigtem Austritt
Bislang wurde Arbeitnehmern bei unberechtigtem Austritt ein Ersatzanspruch des noch offenen Jahresurlaubs verwehrt. Mit 01.11.2022 trat die Änderung des §10 Abs 2 UrlG in Kraft: Es steht fortan eine Urlaubsersatzleistung bei vorzeitigem Austritt zu.
Entscheidung des EuGH zur Urlaubsersatzvergütung (EuGH 25.11.2021, C-233/20)
Der EuGH hatte über ein Vorabentscheidungsersuchen des OGH zu entscheiden und kam zum Ergebnis, dass das Fehlen des Anspruchs der Urlaubsersatzleistung bei vorzeitigem unberechtigtem Austritt (§10 Abs 2 UrlG) der EU-Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 04.11.2003 widerspreche und daher unionsrechtswidrig sei. Art 7 der Richtlinie 2003/88/EG zum Jahresurlaub sowie zu gerechten und angemessenen Arbeitsbedingungen sind von allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Nationale Gesetze haben diesbezüglich folgende Mindestvorschriften zu beachten:
- Der unionsrechtliche Mindesturlaub von vier Wochen und dessen Vergütung darf nicht beschränkt werden.
- Der Anspruch auf Ersatzvergütung des Jahresurlaubs besteht unabhängig von der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, daher auch bei vorzeitigem Austritt des Arbeitnehmers ohne wichtigen Grund.
Entscheidung des OGH zu EU-Mindestvorschriften (OGH 17.02.2022, 9 ObA 150/21f)
Der OGH stellte aufgrund des Urteils des EuGH die Unionsrechtswidrigkeit des §10 Abs 2 UrlG (alt) fest. Dieses sah vor, dass der Anspruch auf Urlaubsersatzleistung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch unberechtigten Austritt des Arbeitnehmers durch wichtigen Grund entfällt. Art 7 der Richtlinie 2003/88/EG sieht aber nur einen Anspruch auf Urlaubsersatz für den vierwöchigen Mindesturlaub vor. Wenn nationale Gesetze einen Mindesturlaub von mehr als vier Wochen gewähren, hat jeder Mitgliedstaat das Recht, selbst über den Ersatz dieses Urlaubsteils zu entscheiden.
Daher musste der Gesetzgeber entscheiden, ob für diesen die vier Wochen übersteigenden Teil des Jahresurlaubs auch ein Anspruch auf Ersatzvergütung für einen Arbeitnehmer besteht, der vorzeitig und unberechtigt das Arbeitsverhältnis beendet hat.
Nationale Umsetzung der EU-Mindestvorschriften zur Urlaubsersatzleistung: § 10 Abs 2 UrlG
In Österreich beträgt der gesetzliche Mindesturlaub gemäß §2 Abs 1 UrlG fünf bzw nach 25 Dienstjahren sechs Wochen. Das UrlG ist damit günstiger als EU-Recht, das einen vierwöchigen Mindesturlaub vorsieht. Um den Anforderungen der EU-Richtlinie und der Entscheidung des OGH gerecht zu werden, wurde §10 Abs 2 UrlG an die Mindestansprüche zur Urlaubsersatzleistung des EU-Rechts angepasst:
- Ab sofort hat jeder Arbeitnehmer auch bei vorzeitigem Austritt ohne Grund einen Ersatzanspruch des noch offenen Jahresurlaubs im Ausmaß von maximal vier Wochen.
- Der österreichische Gesetzgeber entschied sich gegen eine Ersatzleistung für die fünfte bzw sechste Woche, da dies unionsrechtlich nicht zwingend notwendig ist. Für diesen Urlaubsteil haben Arbeitgeber bei unberechtigtem vorzeitigem Austritt des Arbeitnehmers keine Urlaubsersatzleistung für das laufende Urlaubsjahr zu zahlen.