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Arbeitsbereitschaft – ständige Anhebung der Arbeitszeit
Johann Schöffthaler, BA MA, erläutert in diesem Beitrag, welche rechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Arbeitszeitverlängerung prinzipiell gelten und welche Probleme in der Praxis auftreten können.
Kollektivverträge im Vergleich zum KA-AZG
Zur Verlängerung der Normalarbeitszeit wegen Arbeitsbereitschaft gemäß § 5 Arbeitszeitgesetz gilt:
- Der Kollektivvertrag oder,
- falls der Kollektivvertrag die Betriebsvereinbarung dazu ermächtigt, die Betriebsvereinbarung oder,
- falls kein gültiger Kollektivvertrag existiert, die Betriebsvereinbarung oder,
- falls kein Kollektivvertrag existiert und kein Betriebsrat besteht, ein Bescheid des Arbeitsinspektorats kann die wöchentliche Normalarbeitszeit bis auf 60 Stunden und/oder die tägliche Normalarbeitszeit bis auf 12 Stunden verlängern.
Primär ist sich auf den Kollektivvertrag zur Verlängerung der Arbeitszeit in Zusammenhang mit Arbeitsbereitschaft zu berufen; nur wenn für das betreffende Arbeitsverhältnis kein Kollektivvertrag wirksam ist, kommt die Betriebsvereinbarung auch ohne Grundlage eines Kollektivvertrages zum Zug. Das Arbeitsinspektorat kann wiederum nur tätig werden, wenn weder ein Kollektivvertrag vorliegt noch ein Betriebsrat errichtet wurde.
Hat ein Kollektivvertrag die Normalarbeitszeit auf 60 Stunden ausgedehnt, sollte in einer Woche der Anteil an eigentlicher Tätigkeit an der 60-stündigen Normalarbeitszeit grundsätzlich also nicht mehr als 40 Stunden betragen, die restlichen 20 Stunden müssten Arbeitsbereitschaft gemäß Judikatur sein.
Überholte Ansicht des VwGH
Überholt ist die Ansicht des VwGH 08.10.1990, 90/19/0037, DRdA 1991/37, (Ch. Klein) der Kollektivvertrag könne pauschal feststellen, dass für eine Tätigkeit der erforderliche Arbeitsbereitschaftsanteil typisch ist, und könne in diesem Fall eine Arbeitszeitverlängerung zulassen, ohne dass das Arbeitsinspektorat im Einzelfall das tatsächliche Vorliegen von Arbeitsbereitschaft überprüfen könne. Die AZG-Novelle, BGBl 1994/446 hat klargestellt, dass zusätzlich zur kollektivvertraglichen Zulassung jedenfalls Arbeitsbereitschaft regelmäßig und in erheblichem Umfang erforderlich ist (§ 5 Abs 1 Z 2 AZG).
Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Arbeitszeitverlängerung
Voraussetzung für die grundsätzliche Zulässigkeit einer Arbeitszeitverlängerung durch Arbeitsbereitschaft im Sinne von § 5 Arbeitszeitgesetz (AZG) ist
- die Definition sowie
- Dauer und
- die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Arbeitsbereitschaft.
Die Judikatur zu diesem Thema ist hierbei erklärend, wie zB OGH 30.03.2011, 9 ObA 25/11h, wonach die Arbeitszeit zumindest zu einem Drittel aus Arbeitsbereitschaft bestehen muss, damit von „erheblichem Umfang“ gesprochen werden kann. Die Frage, bezogen auf welche Zeiteinheit dieses Drittel vorliegen muss, damit die auf dieser Grundlage eröffneten Arbeitszeitverlängerungen zulässig sind, kann man aus den Entscheidungen OGH 17.10.2002, 8 ObA 35/02h, ARD 5385/3/2003, und OGH 06.10.2005, 8 ObA 83/04w, DRdA 2007/3, entnehmen, worin klargestellt wird, dass Arbeitsbereitschaft grundsätzlich für jeden Tag und für jede Woche im Vorhinein vorhersehbarer Bestandteil der Arbeitszeit sein muss, damit die damit verbundenen Rechtsfolgen – insbesondere Verlängerbarkeit der Normalarbeitszeit an diesem Tag bzw in dieser Woche – eintreten kann.
Hinweis:
Das heißt, dass an solchen Arbeitstagen, an denen von vorneherein nur mit Arbeitszeit im engeren Sinne zu rechnen ist, die Arbeitszeitverlängerung gemäß § 5 AZG nicht infrage kommt, sodass bei Überschreitung der sonst geltenden täglichen Normalarbeitszeit zuschlagspflichtige Überstundenarbeit vorliegt.
OGH zur Abgrenzungsfrage Arbeitsbereitschaft – Arbeitszeit
Zur Abgrenzung von Arbeitsbereitschaft und Arbeitszeit beschäftigte sich der OGH mit einem Fall in seiner Entscheidung vom 30. Juni 1994, 8 ObA 225/94, in dem ein Bediensteter eines Wachdienstes, der Kurzparkzonen überwachte und, wenn er ein Fahrzeug ohne gültigen Parkschein oder Ausnahmegenehmigung entdeckte, es 15 Minuten lang beobachten musste, ob es weggebracht wurde, andernfalls er anschließend ein Organmandat ausstellte. Der OGH kam zum Ergebnis, dass diese Zeit des Beobachtens Arbeitszeit im engeren Sinn (also nicht Arbeitsbereitschaft) ist.
Absolute Höchstgrenze für Arbeit
Die eigentliche Tätigkeit am einzelnen Tag bzw in der einzelnen Woche darf jenes Höchstausmaß an Arbeitszeit, welches ohne das Vorliegen von Arbeitsbereitschaft zulässig wäre (vgl. § 9 Abs 1 erster Satz AZG), nicht überschreiten. Der Gesetzgeber hat diese Grenzen als absolute Höchstgrenzen für Arbeit mit normalem Belastungsniveau (Arbeit ohne wesentliche Arbeitsbereitschafts oder auch Reisezeitanteile) festgesetzt. Wenn ein gewisser Anteil an Arbeitsbereitschaft jeden Tag und jede Woche vorliegen muss, um die Arbeitszeitverlängerung zulässig zu machen, wird der erforderliche Arbeitsbereitschaftsanteil von einem Drittel wohl aber nur im Durchschnitt erreicht werden müssen. Bzgl. des zulässigen Betrachtungszeitraum für die Durchschnittsbildung gibt es keine Klärung derzeit.
Regelung gem der EU-Arbeitszeitrichtlinie
Die Zulassung einer bis zu 60-stündigen Wochenarbeitszeit nicht nur für einzelne Arbeitsspitzen, sondern als Dauerzustand durch § 5 AZG verstößt gegen die europarechtliche Vorgabe, dass die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten darf (Art 6 lit b RL 2003/88 EG).
Dass dies so ist, sieht man am Krankenanstaltenarbeitszeitgesetz (KA-AZG), welches an geltendes Recht der Europäischen Union anzupassen war. Ursprünglich war für den österreichischen Gesetzgeber nicht ohne weiteres offensichtlich, da die Definition von Arbeitszeit in Artikel 2 Z 1 der EU-Arbeitszeitrichtlinie nicht auf den ersten Blick erkennen lässt, ob in der europarechtlich mit 48 Wochenstunden begrenzten Arbeitszeit Zeiten von Arbeitsbereitschaft inkludiert sind oder ob letztere aus europarechtlicher Sicht nicht zu reglementieren sind, da sie als Zeit ohne Beanspruchung durch Arbeit unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer irrelevant sind. Die Gefahr, dass gesetzlich zugelassene 60-Wochenstunden auch dann, wenn Teile der Wochenarbeitszeit aus Arbeitsbereitschaft bestehen, im Sinne von Art 6 lit b der Arbeitszeitrichtlinie europarechtswidrig sein könnten, war der Textierung des genannten Artikels zwar zu entnehmen, Gewissheit darüber, dass nicht nur nach österreichischem Recht, sondern auch nach EU-Recht Arbeitsbereitschaft als Arbeitszeit zu werten sei, verschafften aber erst die Urteile des EuGH vom 03.10.2000, C-303/98, Simap, sowie 09.9.2003, C-151/02, Jaeger.
Achtung:
Soweit § 5 AZG auf Dauer eine Arbeitszeitverlängerung über durchschnittliche 48 Wochenstunden hinaus zulässt, verletzt dies Europarecht.
Fakt ist, dass die beschriebene Problematik von Arbeitszeiten, die durch Bereitschaftszeiten die 48-Stunden-Grenze überschreiten, in verschiedenen Berufsfeldern (Gesundheitswesen, Bewachung, Verkehr, usw.) und in den meisten europäischen Staaten auftritt!
Mittlerweile hat der österreichische Gesetzgeber für Arbeitsverhältnisse, für die das Krankenanstaltenarbeitszeitgesetz (KA-AZG) gilt, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bei regelmäßiger und erheblicher Arbeitsbereitschaft mit 48 Stunden begrenzt.
Probleme in der Praxis
Dieselbe Problematik betrifft § 13 b Abs 3 Arbeitszeitgesetz (AZG), wonach der Kollektivvertrag, für Betriebe, für die kein Kollektivvertrag wirksam ist, die Betriebsvereinbarung, abweichend von Abs 2 eine durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von bis zu 55 Stunden zulassen, wenn zumindest die über 48 Stunden hinausgehende Arbeitszeit in Form von Arbeitsbereitschaft geleistet wird. Rechtsgrundlage für § 13 b AZG ist die Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben.
Hinweis:
Gemäß dieser Richtlinie hat die Bereitschaftszeit nichts mit Arbeitsbereitschaft im Sinne des AZG zu tun.
Bereitschaftszeiten sind andere Zeiten als Ruhepausen und Ruhezeiten, in denen das Fahrpersonal nicht verpflichtet ist, an seinem Arbeitsplatz zu bleiben, in denen es sich jedoch in Bereitschaft halten muss, um etwaigen Anweisungen zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der Fahrtätigkeit oder zur Ausführung anderer Arbeiten Folge zu leisten.
Als Bereitschaftszeit gelten insbesondere die Zeiten, in denen das Fahrpersonal ein Fahrzeug während der Beförderung auf einer Fähre oder mit einem Zug begleitet sowie Wartezeiten an den Grenzen und infolge von Fahrverboten. Diese Zeiten und ihre voraussichtliche Dauer müssen dem Fahrpersonal im Voraus bekannt sein, dh entweder vor der Abfahrt bzw unmittelbar vor dem tatsächlichen Beginn des betreffenden Zeitraums oder gemäß den allgemeinen zwischen den Sozialpartnern ausgehandelten und/oder durch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen, sowie für Fahrpersonal, das sich beim Fahren abwechselt, die Zeit, die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbracht wird.