COVID-19: Quarantäne des Arbeitnehmers ohne Bescheid – wer zahlt?
Gastautor Dr. Albert Scherzer erläutert, was es bezüglich Quarantäne und Entgeltfortzahlung für Arbeitgeber zu beachten gilt. Besteht z. B. ein Anspruch auf Entgelt bei einer bescheidlosen selbst gewählten Quarantäne nach Kontakt mit K1-Personen?
Allgemeines zur Quarantäne
Wird eine Person von der Bezirksverwaltungsbehörde unter Quarantäne gestellt, weil sie mit dem SARS-COV2-Virus infiziert oder ansteckungsverdächtig ist, bestehen Entschädigungsansprüche aufgrund des dadurch erlittenen Verdienstentgangs. Die Grundvoraussetzung dabei ist, dass die Behörde einen so genannten „Absonderungsbescheid“ erlassen hat. Kommt es nun zu einer Quarantänisierung von Arbeitnehmern, ist der Unternehmer verpflichtet, diesem den Lohn entsprechend dem Entgeltfortzahlungsgesetz auch während der Absonderungsdauer auszuzahlen.
Eine Isolation in Quarantäne ist eine präventive Vorsichtsmaßnahme und zählt daher aus arbeitsrechtlicher Sicht als sonstiger Dienstverhinderungsgrund. Erst wenn tatsächlich feststeht, dass eine Erkrankung (mit Krankschreibung) gegeben ist, liegt auch ein Krankenstand vor.
Vergütungsanspruch des Dienstnehmers
Im Konkreten sieht das Epidemiegesetz (EpiG) in dessen § 32 vor, dass der Dienstgeber seinem Arbeiter oder Angestellten einen Vergütungsbetrag zu leisten hat, der sich nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) richtet. Der Arbeitgeber hat seinen Arbeitnehmern den ihnen zustehenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen (Zeitpunkt der Lohn- bzw Gehaltszahlung).
Dienstgeber erhält Ersatz vom Bund
Der Vergütungsbetrag, der aufgrund der entfallenen Arbeitsleistung somit vorerst den Arbeitgeber belastet, wird in weiterer Folge von der öffentlichen Hand getragen, um die ohnehin erlittenen Nachteile des Arbeitgebers nicht noch weiter auszudehnen. Der Bund hat dem Dienstgeber somit die an den Dienstnehmer während dieser Erwerbsverhinderung geleistete Vergütung, sowie die darauf entfallenden Dienstgeberanteile zur Sozialversicherung, (ebenso Zuschläge nach dem Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungsgesetz) zu ersetzen.
Achtung Fristen!
Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. In weiterer Folge ist ein Antrag auf Vergütung des Verdienstentgangs binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich die Maßnahmen getroffen wurden, zu stellen. In Bezug auf Fälle mit COVID-19 ist jedoch die Sonderbestimmung des § 49 Abs 1 EpiG zu beachten. Abweichend davon ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme besteht, binnen drei Monaten vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen.
Wann ist die Quarantäne zu verhängen? (Kontakt zu K1-Personen)
Corona-Hochrisiko-Personen (Kategorie-1-Kontaktpersonen) sind Kontaktpersonen mit hohem Infektionsrisiko, wenn sie mit einem bestätigten Covid-19-Fall mindestens 15 Minuten direkten Kontakt bei einer Entfernung unter zwei Metern (zB im eigenen Haushalt, in Warteräumen, Bildungseinrichtungen, im Berufsumfeld, bei privaten Veranstaltungen) hatten. Als K1-Person gilt ferner, wer ungeschützten, direkten Kontakt mit infektiösem Sekret (zB Aushustungen) oder aber direkten physischen Kontakt hatte.
Trifft dies zu, muss die betroffene Person abgesondert und die Gesundheitsbehörden umgehend informiert werden.
Ausnahme:
Bestanden im Hinblick auf den Kontakt zum bestätigten Fall geeignete und nachvollziehbar korrekt umgesetzte Maßnahmen zur Minimierung des Infektionsrisikos der Kontaktperson, können diese Personen. abweichend als Kontaktpersonen der Kategorie II klassifiziert werden. In diesem Fall ist keine verpflichtende Quarantänisierung vorgesehen.
Entgeltfortzahlung bei symptomloser Quarantäne
Der Angestellte behält gem § 8 Abs 3 des Angestelltengesetzes (AngG) den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert wird. Symptomlose Quarantäne, die von der Behörde verfügt wurde, stellt mit höchster Wahrscheinlichkeit einen „anderen wichtigen Grund dar“.
Für Arbeiter sind die Bestimmungen des jeweiligen Kollektivvertrages heranzuziehen. Besteht kein solcher oder enthält dieser keine entsprechenden Regelungen, ist auf das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) zurückzugreifen, das eine dem AngG idente Bestimmung enthält (siehe § 1154b Abs 5 ABGB).
Achtung:
Diese Regelung des ABGB kann durch Kollektivverträge auch zum Nachteil des Arbeiters verändert oder konkretisiert werden. Sind die „anderen wichtigen Verhinderungsgründe“ im Kollektivvertrag erschöpfend aufgezählt, besteht folglich kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Bescheidlose selbst gewählte Quarantäne nach Kontakt mit K1-Personen
Schwieriger ist die Lage, wenn ein entsprechender Kontakt zu einer K1-Person zwar vorgelegen, die Behörde jedoch (noch) keinen Absonderungsbescheid erlassen hat. In diesem Fall besteht lediglich die Möglichkeit einer Mitteilung an den Arbeitgeber. Das Problem liegt für den Arbeitnehmer darin, da er keine eindeutige rechtliche Grundlage für die Fortzahlung seines Entgelts in Anspruch nehmen kann (siehe unten) und seitens des Arbeitgebers, dass keine Regressmöglichkeit gegenüber dem Bund besteht. Aus bisheriger Sicht empfiehlt es sich jedenfalls, den Arbeitnehmer dahingehend anzuhalten, einen entsprechenden Bescheid von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft bzw Magistrat) anzuregen. Das Bestehen des Entgeltfortzahlungsanspruches ist nach überwiegender Auffassung in diesem Fall zu bejahen, allerdings besteht hierfür keine absolute Rechtssicherheit.
Krankenstand bei Krankheitssymptomen
Krankheit wird im sozialversicherungsrechtlichen Sinn eingeschränkt nur dann anerkannt, wenn der regelwidrige Körperzustand oder Geisteszustand auch eine Krankenbehandlung notwendig macht (RIS-Justiz RS0084692). Treten daher Symptome auf, die auf eine SARS-COV2-Infektion hindeuten, gerade wenn ein Kontakt zu einer K1-Person bestand, wird einer Krankschreibung in der Form des klassischen Krankenstands grundsätzlich nichts entgegenstehen. Voraussetzung dafür ist, dass eine ärztliche Krankschreibung erfolgt (Nachweispflicht). Die telefonische Krankschreibung ist in Zusammenhang mit COVID-19 möglich (seit 1. November bis Ende März auch bei anderen Krankheiten).
Bis zur behördlichen Absonderung bzw bis zum Vorliegen eines Testergebnisses können die Betroffenen einen zugelassenen Arzt telefonisch kontaktieren und nach einer telemedizinischen Abklärung aus der Ferne krankgeschrieben werden. Voraussetzung ist, dass die Person auch die entsprechenden Symptome aufweist!
Bescheidlose selbst gewählte Quarantäne ohne Kontakt mit K1-Personen
Begibt sich ein Arbeitnehmer in Quarantäne, ohne in Kontakt zu K1-Personen gestanden zu haben, besteht wohl kein Anspruch auf Fortzahlung des Lohnes bzw Gehaltes, da in diesem Fall dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet wäre. Auch andere arbeitsrechtliche Konsequenzen sind in diesem Fall nicht auszuschließen. Allgemeine Sorge aufgrund der aktuellen Lage ist aus heutiger Sicht nicht ausreichend, um ein Fernbleiben vom Arbeitsplatz und etwaige Fortzahlungen zu rechtfertigen.