Heimliche Überwachung im Krankenstand verletzt Datenschutz
Am Arbeitsplatz ist Vertrauen oft besser als Kontrolle. Informieren Sie sich hier über die datenschutzrechtlichen Grenzen bei der Überwachung krankgeschriebener Arbeitnehmer:innen.
Dürfen Unternehmen ihre Arbeitnehmer:innen während des Krankenstands überwachen lassen, um zu prüfen, ob diese wirklich krank sind, ob sie sich im Krankenstand gebührend schonen oder ihre Arbeitsunfähigkeit eventuell nur vortäuschen? Zwei Entscheidungen zeigen enge Grenzen für eine Überwachung auf.
Überschießende Überwachung
In einem Fall wurde ein Berufsdetektiv vom Arbeitgeber beauftragt, den Arbeitnehmer während des Krankenstandes zu observieren, um gegebenenfalls Informationen zu einem „genesungswidrigen“ Verhalten zu erlangen. Der Detektiv führte eine Observation am Wohnort des Arbeitnehmers durch und beobachtete dabei auch die Lebensgefährtin des Arbeitnehmers. Diese wurde im Observationsbericht erwähnt. Der Detektiv machte zudem Fotos von der Lebensgefährtin - einmal, als sie allein am Balkon stand, einmal, als sie mit dem Motorrad wegfuhr. Die Fotos sowie der Observationsbericht wurden dem Arbeitgeber übermittelt und in einem Arbeitsgerichtsprozess verwendet. Die Lebensgefährtin beschwerte sich dagegen bei der Datenschutzbehörde.
Die Datenschutzbehörde stellte eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung nach § 1 DSG fest und begründete dies im Wesentlichen damit, der Detektiv habe mit der Überwachung der Lebensgefährtin seinen Auftrag überschritten. Die angefertigten Fotos seien im Arbeitsgerichtsverfahren nicht dienlich. Das Bundesverwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof (VwGH Ra 2024/04/0376) bestätigten diese Entscheidung. Zwar habe der Detektiv ein berechtigtes Interesse, seinen anerkannten Beruf auszuüben und sein Mandat für den Auftraggeber zu erfüllen, im konkreten Fall Beweismittel für ein Gerichtsverfahren zu beschaffen. Allerdings könne die Verarbeitung der Daten über die Lebensgefährtin damit nicht gerechtfertigt werden. Die Verarbeitung, insbesondere das Fotografieren der Lebensgefährtin, sei nicht erforderlich gewesen. Der Detektiv könne sich daher im konkreten Fall im Ergebnis nicht auf überwiegende berechtige Interessen stützen. Es liege daher keine gültige Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung vor.
Schadenersatz nach heimlicher Überwachung im Krankenstand
In einem anderen vom deutschen Bundesarbeitsgericht (8 AZR 225/23) entschiedenen Fall ließ ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit durch eine Detektei überwachen. In dem Observationsbericht wurde u. festgehalten, dass der Arbeitnehmer beim Gehen das linke Bein nachzog. Das Bundesarbeitsgericht sah darin einen Verstoß gegen die DSGVO. Der Arbeitgeber habe als Verantwortlicher im Rahmen der Observation ohne Einwilligung des Arbeitnehmers dessen Gesundheitsdaten verarbeitet. Dies sei nicht erforderlich gewesen. Habe der Arbeitgeber Zweifel am Vorliegen einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit und möchte er den Arbeitnehmer deshalb durch Detektive oder andere Personen beobachten lassen, könne die daraus folgende Verarbeitung von Gesundheitsdaten nur zulässig sein, wenn der Beweiswert einer vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist und eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse nicht möglich ist oder objektiv keine Klärung erwarten lässt. Das Bundesarbeitsgericht sprach dem Arbeitnehmer aufgrund der rechtswidrigen Observation einen immateriellen Schadenersatz in der Höhe von EUR 1.500,– zu. Der Schaden liege in dem durch die Überwachung erlittenen Kontrollverlust und insbesondere im Verlust der Sicherheit vor Beobachtung im privaten Umfeld. Aufgrund der mehrtägigen Überwachung, die eine heimliche Beobachtung und Einschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers umfasste und ihn auch im Außenbereich seines Wohnhauses betraf, sei der Verlust von Kontrolle und die daraus folgende Befürchtung weiterer Überwachung selbsterklärend und bedürfe keiner weiteren näheren Darlegung.
Einordnung und Conclusio
Legt ein Arbeitnehmer auf Verlangen des Arbeitgebers eine ärztliche Bescheinigung zur Bestätigung seiner Arbeitsunfähigkeit vor, ist grundsätzlich von der Richtigkeit der Bestätigung auszugehen. Hat der Arbeitgeber den Verdacht, dass der Arbeitnehmer trotz Vorlage einer Arztbestätigung tatsächlich arbeitsfähig war oder dass sich der Arbeitnehmer im Krankenstand „genesungswidrig“ verhalten hat, wird dies in der Praxis oftmals nur schwer aufzuklären und nachzuweisen sein. Bei einem konkreten Verdacht eines Fehlverhaltens kann eine Überwachung durch eine Detektei im Einzelfall gerechtfertigt sein, soweit dies zur Ausübung von Rechtsansprüchen des Arbeitgebers unbedingt erforderlich ist und andere gelindere Mittel nicht in Betracht kommen. Arbeitgeber bewegen sich dabei auf dünnem Eis. Bei einer rechtswidrigen Observation drohen auch Schadenersatzansprüche.