§ 10b GmbH – zur Frage der Zulässigkeit einer Kapitalerhöhung im Stadium der Gründungsprivilegierung
Der OGH beschäftigte sich neulich mit der Frage, ob eine GmbH auch während aufrechter Gründungsprivilegierung eine Kapitalerhöhung durchführen kann.
Geschäftszahl
OGH 25.03.2020, 6 Ob 54/20i
Norm
§ 10b GmbHG
Leitsatz
Quintessenz:
Eine GmbH kann auch während aufrechter Gründungsprivilegierung eine Kapitalerhöhung durchführen. Ein im Zuge einer Kapitalerhöhung neu hinzutretender Gesellschafter kann zwar keine gründungsprivilegierte Stammeinlage übernehmen, es können allerdings auch während aufrechter Gründungsprivilegierung Gesellschafter mit gründungsprivilegierter Stammeinlage und Gesellschafter ohne solche nebeneinander bestehen.
OGH: Nach Eintragung der Gesellschaft mit Gründungsprivilegierung im Firmenbuch ist nach § 10b GmbHG keine Gründungsprivilegierung mehr möglich, weil bereits in der ursprünglichen Fassung des Gesellschaftsvertrags für jeden Gesellschafter neben der übernommenen Stammeinlage auch die Höhe seiner gründungsprivilegierten Stammeinlage festzusetzen ist. Es können nachträglich keine gründungsprivilegierten Stammeinlagen mehr geschaffen werden.
Die Möglichkeit der Kapitalerhöhung im Stadium der Gründungsprivilegierung ist mit der hL dennoch zu bejahen. Aus § 10b GmbHG ergibt sich kein entsprechendes Verbot. Ein solches könnte nur über eine entsprechende teleologische Reduktion der §§ 52 f GmbHG erreicht werden, wofür die Voraussetzungen nicht vorliegen.
Bei Kapitalerhöhungen mit neu hinzutretenden Gesellschaftern (wie im Anlassfall) spricht nichts dagegen, dass Gesellschafter, die die Gründungsprivilegierung in Anspruch genommen haben, nachträglich einen neuen Gesellschafter im Weg der Kapitalerhöhung in die Gesellschaft aufnehmen und dieser eine (nicht privilegierte) Stammeinlage übernimmt. Das ergibt sich schon aus der Abdingbarkeit des Bezugsrechts der Gesellschafter (§ 52 Abs 3 GmbHG).
Darüber hinaus sprechen weder Wortlaut noch Systematik des § 10b GmbHG gegen eine Kapitalerhöhung. Aus dem Wort „Gründungsprivilegierung“ in Überschrift und Text der Bestimmung sowie aus der Regelung des § 10b Abs 1 GmbHG, der zufolge die Privilegierung nur am Anfang, also nicht durch Änderung des Gesellschaftsvertrags, in Anspruch genommen werden kann, folgt zwar, dass später im Wege der Kapitalerhöhung hinzutretende Gesellschafter eine Gründungsprivilegierung nicht in Anspruch nehmen können. Aus § 10b Abs 2 GmbHG, wonach bei der Gründung für jeden Gesellschafter die Höhe seiner gründungsprivilegierten Stammeinlage festzusetzen ist, ergibt sich jedoch nicht, dass auch nach der Gründung hinzutretende Gesellschafter eine gründungsprivilegierte Stammeinlage übernehmen müssten (was sie – wie
ausgeführt – auch nicht könnten).
Das Gesetz sieht somit nicht vor, dass einer gründungsprivilegierten GmbH ausschließlich Gesellschafter mit einer (auch) gründungsprivilegierten Stammeinlage angehören müssen. Es ist auch sonst kein Grund ersichtlich, warum durch späteren Hinzutritt weiterer Gesellschafter in einer GmbH gründungsprivilegierte und nicht gründungsprivilegierte Gesellschafter nicht nebeneinander bestehen können sollten. Diese Auslegung wird dadurch gestützt, dass in den Regeln über die Kapitalerhöhung zwar auf die sinngemäße Anwendung der §§ 6, 6a, 10 und 10a GmbHG, aber gerade nicht auch des § 10b GmbHG verwiesen wird (§ 52 Abs 6 GmbHG).
Im Anlassfall hat der an der Kapitalerhöhung beteiligte Neugesellschafter nicht nur eine Stammeinlage, sondern auch eine gründungsprivilegierte Stammeinlage übernommen. Da bei einem nach Gründung hinzutretenden Gesellschafter die Übernahme einer gründungsprivilegierten Stammeinlage unzulässig ist, war das Eintragungsbegehren abzuweisen.