17.01.2025 | Gesellschaftsrecht | ID: 1191998

Zur Haftung des Abschlussprüfers

Stefan Schermaier - Tanja Kainz

Dr Stefan Schermaier und Tanja Kainz LL.M. (WU) erläutern anhand eines OGH-Judikats die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten. Wie wird die Haftung begründet? Gilt die Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB auch gegenüber geschädigten Dritten?

Mit dem Beschluss vom 24.10.2024 zu 8 Ob 105/24k weist der OGH die außerordentliche Revision zur Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten, die im Vertrauen auf den erteilten Bestätigungsvermerk eine Vermögensdisposition setzen und einen Vertrauensschaden erleiden, mangels erheblicher Rechtsfrage gem § 502 Abs 1 ZPO zurück und bestätigt die Entscheidung des Berufungsgerichts unter Verweis auf die bisherige Judikatur.

Rechtliche Ausgangslage und gefestigte Rechtsprechung

Abschlussprüfer werden von der Gesellschaft zur Prüfung des Jahresabschlusses beauftragt. Dies begründet sein Vertragsverhältnis zwischen den beiden Parteien. Der Abschlussprüfer stellt schließlich einen Bestätigungsvermerk aus, der das im Prüfungsbericht detailliert erläuterte und dargestellte Prüfungsergebnis zusammenfasst. Der Abschlussprüfer haftet der Gesellschaft und ihren verbundenen Unternehmen für eine gewissenhafte Prüfung nach § 275 UGB.

§ 275 UGB bietet keine Rechtsgrundlage für eine Haftung des Abschlussprüfers für fahrlässig verursachte Vermögensschäden Dritter (RS00120309). Hingegen entfaltet der Vertrag über die Prüfung des Jahresabschlusses zwischen dem Steuerberater und der zu prüfenden Gesellschaft Schutzwirkungen zugunsten Dritter, also jenen, die auf Basis des veröffentlichten Vermerks, der den fachmännisch geprüften Jahresabschluss bestätigt, wirtschaftliche Dispositionen tätigen. Ein Abschlussprüfer, der unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt einen unrichtigen Bestätigungsvermerk ausstellt, wird Dritten schadenersatzpflichtig, die im Vertrauen auf den Bestätigungsvermerk disponieren und einen Schaden erleiden. Der geschädigte Dritte ist hierfür beweispflichtig (RS0129123).

So wird durch Schaffung eines vertragsähnlichen Verhältnisses zwischen dem Abschlussprüfer und dem Dritten, der auf den ausgestellten Bestätigungsvermerk vertraut, die Haftung auf Vertrauensschäden begründet. Vertrauensschäden sind nur bei vertraglichen und vertragsähnlichen Verhältnisse zu ersetzen und mit der Höhe des hypothetischen Erfüllungsinteresses begrenzt. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB gilt auch gegenüber Dritten und verdrängt als lex specialis sowohl die kurze als auch die lange Frist der allgemeinen Verjährungsregel des § 1489 ABGB, wobei der Fristenlauf mit dem Eintritt des primären Schadens – hier durch die veranlasste Vermögensdisposition – beginnt (RS0128186; OGH 15.1.2013, 4 Ob 193/12d).

Schließlich haftet ein Abschlussprüfer gegenüber Dritten nicht wegen Insolvenzverschleppung, weil ihn keine Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages nach § 69 IO trifft.

OGH-Entscheidung zur Haftung des Abschlussprüfers: Sachverhalt

Die Kläger sind Geschäftspartner der Gesellschaft (im Folgenden kurz die „Gesellschaft“), deren Jahresabschlüsse von verschiedenen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften geprüft und bestätigt wurden: Die A-GmbH prüfte die Jahresabschlüsse 2007 bis 2010. Ein weiterer Abschlussprüfer, die B-GmbH, erstellte die Konzernabschlüsse 2008 und 2009 sowie den Jahresabschluss 2011. Den Jahres- und Konzernabschluss 2012 prüfte die C-GmbH.

Mitte 2011 nahmen die Kläger Einsicht in die Jahresabschlüsse 2008 und 2009. Dies veranlasste die Kläger Ende 2011/Anfang 2012 dazu, Geschäftsbeziehungen mit der Gesellschaft aufzunehmen und Vermögensdispositionen (wie Darlehenszahlungen) zu setzen. In spätere Jahresabschlüsse, wie auch in jenen der C-GmbH aus 2012, nahmen die Kläger keine Einsicht. Über die Gesellschaft wurde schließlich am 13.11.2013 das Konkursverfahren eröffnet, wobei die Masse unzulänglich war.

Die Kläger begehrten von der C-GmbH Schadenersatz mit der Behauptung, sie haben die Vermögensdispositionen im Vertrauen auf die Richtigkeit der Bestätigungsvermerke der Jahresabschlüsse aus 2008 und 2009 veranlasst. Da die genannten Jahresabschlüsse jedoch die A-GmbH geprüft hatte, wandte die C-GmbH mangelnde Passivlegitimation ein. Schließlich wurde die D-GmbH Anfang 2020 Rechtsnachfolgerin der drei Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften. Als nunmehrige Beklagte wandte die D-GmbH Verjährung ein.

Würdigung des OGH

Der OGH bestätigte die Ausführungen des Berufungsgerichts zur fehlenden Aktivlegitimation der Erstklägerin: Im gegenständlichen Sachverhalt begehrten die Kläger von der Gesellschaft auch Ersatz hinsichtlich des aus einem Darlehen ausgefallenen Erlöses. Jedoch hätten die Kläger, wenn sie von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft gewusst hätten, weder diese Vermögensdisposition vorgenommen noch einen vergleichbaren Vertrag mit einem Dritten abgeschlossen. Die Kläger hätten sohin keinen Erlös erzielt. Da Vertrauensschäden jedoch maximal bis zur Höhe des hypothetischen Erfüllungsinteresses zu ersetzen sind, haftete der Abschlussprüfer mangels Schadenskausalität nicht. Aktivlegitimiert war nur die Zweitklägerin, die die (Darlehens-)Zahlungen getätigt hatte.

Auch hinsichtlich der fehlenden Passivlegitimation der beklagten C-GmbH hatte der OGH keine Bedenken, so die bloße Erstellung eines Jahresabschlusses samt Bestätigungsvermerk bzw die Beteiligung daran für die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten nicht ausreicht. Die Haftung für Vertrauensschäden gründet sich auf das vom Dritten auf die Richtigkeit der eingesehenen Bestätigungsvermerke gesetzte Vertrauen. Spätere Tätigkeiten von Abschlussprüfern sind mangels Kausalität der Veranlassung der Vermögensdisposition nicht haftungsbegründend. Passivlegitimiert war jedoch die A-GmbH, deren Jahresabschlüsse eingesehen wurden und auf deren Bestätigungsvermerke man bei Veranlassung der Vermögensdisposition vertraut hatte.

Nachdem die Rechtsnachfolgerin D-GmbH als nunmehrige Beklagte ins Verfahren eintrat, vereinigte sie zwar die passivlegitimierte A-GmbH und die bis dahin beklagte C-GmbH in sich, jedoch war die fünfjährige Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB bereits verstrichen. Eine Klage gegen eine Konzerngesellschaft ist nicht geeignet, die Verjährung eines Anspruchs gegen eine andere Konzerngesellschaft zu unterbrechen (RS0034598). Ein Verstoß der Verjährungseinrede gegen die Grundsätze von Treu und Glauben erkennt der OGH ebenfalls nicht: Die Voraussetzungen für eine Einrede wider Treu und Glauben sind dann gegeben, wenn die Beklagte ein (ihr zurechenbares) Verhalten gesetzt hat, aufgrund dessen die Kläger nach objektiven Maßstäben der Auffassung sein konnten, dass ihr Anspruch entweder ohne Rechtsstreit befriedigt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft wird, sodass sie aus diesen Gründen eine rechtzeitige Klagsführung unterlassen haben (RS0034537 [T8]; RS0014838 [T5]). Gegenständlich wies die beklagte C-GmbH jedoch ausdrücklich auf ihre mangelnde Passivlegitimation hin und dennoch unterblieb eine Beiziehung der tatsächlich schadenskausalen Gesellschaft. Schließlich ist es von den Klägern nicht zu viel verlangt, sich der zu klagenden Rechtsperson bewusst zu sein, unabhängig davon, ob Personalidentität in den Organen vorliegt.

Conclusio

Die grundsätzliche Haftbarkeit des Abschlussprüfers gegenüber Dritten, die im Vertrauen auf den erteilten Bestätigungsvermerk eine Vermögensdisposition setzen und einen Vertrauensschaden erleiden, hat der OGH durch die vorliege Entscheidung abermals bestätigt. Bei der Geltendmachung von Ansprüchen ist aber die fünfjährige Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB zu beachten und – das sollte aber ohnehin dem Rechtsanwender bewusst sein – in Anspruch genommen muss jener Abschlussprüfer werden, dessen Bestätigungsvermerk (Vertrauens-) Grundlage für die Vermögensdisposition des Geschädigten gewesen ist. Allein die Erstellung des Jahresabschlusses und Bestätigungsvermerks ist daher noch nicht haftungsbegründend.

Über die Autoren

Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Tanja Kainz, LL.M. (WU) Rechtsanwaltsanwärterin bei TONNINGER | SCHERMAIER & Partner Rechtsanwälte. Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Vertragsrecht.

http://www.ts.at

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