16.08.2021 | Wohnrecht | ID: 1098524

Balkonsanierung: Ordentliche Verwaltung iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002?

Stanislava Doganova

Im Fall eines schadhaften Balkonaufbaus, der zur Gänze erneut werden musste, betreffen die Schäden funktionell die Substanz des Hauses. Zählt deren Sanierung zur ordentlichen Verwaltung?

Geschäftszahl

OGH 15.04.2021, 5 Ob 154/20p

Norm

§§ 16, 28 WEG 2002, § 3 MRG

Leitsatz

Quintessenz:

Zur ordentlichen Verwaltung gehört gemäß § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 insbesondere die ordnungsgemäße Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft iSd § 3 MRG einschließlich der baulichen Veränderungen, die über den Erhaltungszweck nicht hinausgehen und die Behebung ernster Schäden des Hauses in einem Wohnungseigentumsobjekt. Im Fall eines schadhaften Balkonaufbaus, der zur Gänze erneut werden musste, betreffen die Schäden funktionell die Substanz des Hauses, sodass deren Sanierung ordentliche Verwaltung ist.

OGH: Das WEG 2002 definiert den Begriff der Verwaltung nicht, sondern setzt ihn voraus. Verwaltungshandlungen zielen darauf ab, gemeinschaftliche Pflichten zu erfüllen oder gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsguts wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0109188 [T12]). Sie erfordern gemeinschaftliches Vorgehen, weil es um die wohlverstandenen Interessen aller Teilhaber geht (RS0109188 [T3]). Verwaltungshandlungen für die Gemeinschaft der Miteigentümer sind einerseits von bloßen Besitz- und Gebrauchshandlungen einzelner Teilhaber, andererseits von Verfügungen über das Gemeinschaftsgut oder einzelne Teile daran zu unterscheiden (5 Ob 216/15y; RS0109188). Von bloßen Besitz- oder Gebrauchshandlungen der einzelnen Miteigentümer heben sich Verwaltungshandlungen dadurch ab, dass mit ihnen Geschäfte der Gemeinschaft besorgt werden, während die Abgrenzung zu Verfügungen nach den Auswirkungen der Geschäftsführungsakte auf das gemeinschaftliche Gut und/oder die Anteile der Miteigentümer vorzunehmen ist (5 Ob 216/15y). Abzustellen ist dabei auf objektive Kriterien (vgl RS0123021; 5 Ob 216/15y). Nach diesen Grundsätzen ist die rein eigennützige Verbauung oder sonstige Veränderung allgemeiner Teile der Liegenschaft durch einen der Miteigentümer keine Maßnahme der Verwaltung der gemeinsamen Liegenschaft (RS0109188 [T13]; 5 Ob 216/15y).

Soweit Änderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft daher nur der vorteilhafteren Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts dienlich sein sollten, sind sie vom weiten Änderungsbegriff des § 16 Abs 2 WEG 2002 umfasst, dies selbst dann, wenn davon ausschließlich allgemeine Teile der Liegenschaft betroffen sind (RS0083108 [T1]). Diesfalls liegt eine Verfügung des Wohnungseigentümers über sein Objekt vor, bei der schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer deren Zustimmung oder die Genehmigung des Außerstreitrichters erfordert (5 Ob 250/05h mwN; RS0083156).

Zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungen gehören auch dann noch zur Erhaltung im Sinn des § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 iVm § 3 MRG und somit zur ordentlichen Verwaltung, wenn dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als „Verbesserungen“ anzusehen sind.

Abzustellen ist auf die Definitionen der ordentlichen Verwaltung in § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 – demnach gehört insbesondere die ordnungsgemäße Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft iSd § 3 MRG einschließlich der baulichen Veränderungen, die über den Erhaltungszweck nicht hinausgehen, und die Behebung ernster Schäden des Hauses in einem Wohnungseigentumsobjekt. Die „Außenhaut“ des Gebäudes ist nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung allgemeiner Teil (RS0069976; vgl auch RS0083334), wobei bei Balkonen und Terrassen auch auf funktionelle Kriterien abzustellen ist (RS0069976 [T5]). Die Balkontüre wurde ebenso bereits als zur Außenhaut des Gebäudes gehörig beurteilt (RS0069976 [T8]) wie ein Balkongeländer(5 Ob 61/19k). Im Fall eines schadhaften Balkonaufbaus, der zur Gänze erneut werden musste, um Schutz vor Durchfeuchtung zu bieten, sprach der Fachsenat aus (5 Ob 154/08w), dass derartige Schäden deutlich über bloß oberflächliche Mängel des Bodenbelags hinausgehen. Sie betreffen funktionell auch die Substanz des Hauses, sodass deren Sanierung der ordentlichen Verwaltung zuzuordnen ist.

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