08.09.2022 | Wohnrecht | ID: 1121695

Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen durch Errichtung einer Photovoltaikanlage

Eva-Maria Hintringer

Die übermäßige Inanspruchnahme von allgemeinen Teilen kann eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 darstellen. Wie sieht dies bei der Errichtung einer Photovoltaikanlage aus?

Geschäftszahl

OGH 17.03.2022, 5 Ob 137/21i

Norm

§ 16 WEG 2002

Leitsatz

Quintessenz:

Die übermäßige Inanspruchnahme von allgemeinen Teilen kann eine gewichtige Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 darstellen. Die Errichtung einer Photovoltaikanlage, die den Großteil der Dachfläche einnehmen und es anderen Wohnungseigentümern verwehren würde, eigene Anlagen oder eine Gemeinschaftsanlage zu errichten, kann als eine solche Beeinträchtigung angesehen werden.

OGH: Gemäß § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 darf eine Änderung am eigenen Wohnungseigentum weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer bewirken. Sind von einer Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft betroffen, muss sie darüber hinaus entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen.

Eine Änderung ist nach der Rsp nicht zulässig, wenn sie bei objektiver Betrachtung mit wesentlichen Interessen der anderen Mit- und Wohnungseigentümer kollidiert, dh wenn objektiv eine als gewichtig anzusehende Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer vorliegt.

Dem OGH zufolge kann die übermäßige Inanspruchnahme von allgemeinen Teilen zum Nachteil der anderen Wohnungseigentümer als ein empfindlicher Eingriff in deren Rechtssphäre anzusehen sein. Der Umstand allein, dass andere Wohnungseigentümer die betroffenen allgemeinen Teile nicht nutzen (müssen), rechtfertigt die Eingliederung allgemeiner Teile in das Wohnungseigentumsobjekt nur eines Wohnungseigentümers nicht.

Die Ansicht, die Errichtung einer Photovoltaikanlage würde in der im Anlassfall geplanten Dimensionierung zum Nachteil der anderen Wohnungseigentümer allgemeine Teile in einem solchen Ausmaß in Anspruch nehmen, dass damit schutzwürdige Interessen iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG beeinträchtigt wären, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung.

Nach der Errichtung der geplanten Photovoltaikanlage verbliebe von der derzeit zur Errichtung einer Photovoltaikanlage geeigneten Dachfläche von 374,37 m² nur noch eine Fläche von 69,03 m² frei. Die Errichtung einer weiteren, auch kleineren Anlage wäre dann ohne entsprechende Adaptierung der anderen Dachbereiche nicht mehr möglich. Neben der Antragstellerin planen aber auch die Erst- und Zweitantragsgegner die Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des Hauses. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Photovoltaiksysteme am Dach des Gebäudes auf einer Wohnungseigentumsliegenschaft im Regelfall von der Eigentümergemeinschaft als Gemeinschaftsanlage errichtet werden. Auch eine solche Verbesserung der Liegenschaft im objektiven Interesse anderer Wohnungseigentümer käme nach Errichtung der Anlage durch die Antragstellerin nicht mehr in Betracht.

Die Genehmigung der Anlage würde somit nicht nur rein hypothetisch, sondern aktuell und tatsächlich zur Ungleichbehandlung änderungswilliger Wohnungseigentümer führen. Die darin liegende Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen wäre also schon nach der derzeitigen Sachlage gegeben. Das Angebot der Antragstellerin, nach Möglichkeit und lediglich im Fall eines Überschusses Strom an die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer abzugeben, wird zudem dem Interesse an einer eigenen Photovoltaikanlage oder dem Anschluss an eine Gemeinschaftsanlage nicht gerecht. Die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer steht dem Begehren der Antragstellerin somit entgegen.

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