Wohnungsnot und Eigenbedarfskündigung
RA Dr. Andrea Weisert erläutert, in welchen Fällen der Vermieter das Recht hat aufgrund von Eigenbedarf, das Mietverhältnis zu beenden. Welche Möglichkeiten der Eigenbedarfskündigung gibt es?
Angesichts der teuren Mieten könnte sich für Eigentümer einer Wohnung, die diese vermietet haben, die Frage stellen, ob es für sie nicht günstiger wäre, in dieser selbst zu wohnen. Fraglich ist nur, ob ein Mietverhältnis wegen des so genannten Eigenbedarfes problemlos beendet werden kann.
Eigenbedarfskündigung: Rechtliche Bestimmungen
Mietrechtliche Bestimmungen sind in verschiedenen Gesetzen enthalten, die so genannte Eigenbedarfskündigung spielt jedoch hauptsächlich eine Rolle bei Mietverhältnissen, die dem Voll- oder Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) unterliegen, denn nur im Bereich des MRG ist der Vermieter an bestimmte Kündigungsgründe gebunden (§ 30 MRG). Das heißt, er kann nicht „einfach so“ ein Bestandsverhältnis aufkündigen, er braucht dazu einen bestimmten Grund.
Die Kündigung wegen Eigenbedarfs liegt dann vor, wenn der Vermieter die vermietete Wohnung für sich selbst oder für Verwandte dringend benötigt. Man unterscheidet im Gesetz die Kündigung, bei der, wenn der Eigenbedarf vom Gericht bejaht wird, eine Interessensabwägung zwischen dem Vermieter und dem Mieter stattfindet und Aufkündigung, bei der eine Ersatzwohnung vom Vermieter angeboten wird und keine Interessensabwägung mehr stattfindet.
Eigenbedarf: Beurteilung durch das Gericht
Der Eigenbedarf ist daher vom Gericht zu beurteilen, das heißt, es muss ein maßgeblicher Grund vorliegen, dass der Vermieter plötzlich seine eigene Wohnung benötigt, entweder für sich oder für Verwandte, auf jeden Fall ist dieses Bedürfnis, seine eigene Wohnung benützen zu müssen bzw zu wollen, streng zu prüfen. Vor allem ist zu beurteilen, ob dieses Bedürfnis nicht anderweitig befriedigt werden könnte. Beispielsweise, wenn der Vermieter ohnehin zwei Wohnungen hat, wobei er eine vermietet und die andere nicht, dann wird er sich nicht aussuchen können, welche er künftig selbst bewohnt, denn er kann ja auf die unvermietete Wohnung verwiesen werden. Er befindet sich in keinem Notstand. Wenn aber zum Beispiel beide Wohnungen vermietet wären, dann könnte er sich aussuchen, welche er gerne zurückhätte zu seiner eigenen Benützung.
Bestehen eines Notstands
Auf Vermieterseite bzw auf Seiten des vom Gesetz eingeschränkten Verwandtenkreis muss sohin ein Notstand bestehen, also eine unabweisliche Notwendigkeit, den bestehenden Zustand so bald als möglich zu beseitigen, die eben nur durch die Kündigung des bestehenden Mietvertrages möglich erscheint. Es soll jedoch nur das Wohnbedürfnis geprüft werden, nicht etwa eine Ausweitung der geschäftlichen Tätigkeit eines Vermieters, weil es für ihn bequemer wäre.
Beispiele für einen Notstand
Fälle wären beispielsweise eine Wohnung, in der der Vermieter lebt, die für ihn gesundheitsschädlich oder nicht behindertengerecht ist, oder wenn er sich die Wohnung, in der er lebt, unverschuldet nicht mehr leisten kann.
Das Wohnbedürfnis darf nicht anderweitig befriedigt werden können, wobei man allerdings auch nicht etwas Unzumutbares verlangt (zum Beispiel der Vermieter könnte wieder zu seiner Mutter ziehen und im Kinderzimmer logieren).
Auch wenn das Kind des Vermieters eine Wohnung benötigt, weil es Familienzuwachs bekommen hat oder in einer anderen Stadt, wo die vermietete Wohnung sich befindet, studiert, wäre unter Umständen eine Aufkündigung wegen Eigenbedarfs möglich.
Eigenbedarfskündigung: Zwei mögliche Varianten
Man unterscheidet sohin die Eigenbedarfskündigung gem § 30 Abs 2 Z 8 MRG, bei der auch eine Interessensabwägung zwischen den Interessen des Vermieters und des Mieters vorgenommen werden muss und die nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG, wo ein Anbot einer Ersatzwohnung unterbreitet worden ist. Auch die Personengruppe, für die auch Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, unterscheidet sich in diesen beiden Bestimmungen voneinander.
Bei § 30 Abs 2 Z 8 MRG (Stichwort: Interessensabwägung) sind nur Verwandte in absteigender Linie umfasst, das heißt, die Kinder und Kindeskinder.
Währenddessen bei der Eigenbedarfskündigung nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG (Stichwort: Ersatzwohnung) auch Verwandte in gerader Linie herangezogen werden können.
Einschränkungen der Eigenbedarfskündigung
Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass das Eigentum an der gekündigten Wohnung schon länger als 10 Jahre bestehen muss. Das heißt, wenn ein Vermieter die Wohnung erst vor ein paar Jahren gekauft hat, um sein Geld gewinnbringend anzulegen, kann er nicht wegen Eigenbedarf kündigen. Anders sieht es freilich aus, wenn er die Wohnung geerbt hat, dann rechnet man auch die Zeiten des Voreigentümers mit ein.
Der Vermieter darf die Notsituation, in der er sich befindet, auch nicht selbst verschuldet haben.
Fazit
Bevor es zur Interessensabwägung gem § 30 Abs 2 Z 8 MRG kommt, muss jedoch die Bedarfsprüfung des Vermieters positiv für diesen abgeschlossen sein, das heißt, das Gericht muss feststellen, dass der Vermieter die Wohnung für sich oder seine Verwandten braucht, sohin ein Bedürfnis, das er nur mit dieser Wohnung befriedigen kann, hat. Es wird erst dann die Frage eines etwaigen vorrangigen Interesses des Mieters geprüft werden, beispielsweise würde ein Gesundheitszustand vor wirtschaftlichen Interessen behandelt werden, die Gefahr der Obdachlosigkeit spielt allerdings auch eine Rolle. Grundsätzlich sind es Einzelfälle und Einzelentscheidungen, sodass eine „rote Linie“ aus der bisherigen Rechtsprechung nicht ableitbar ist.
Autorin
Frau Dr. Weisert ist seit 2006 selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Im gleichen Jahr promovierte sie zum Doktor der Rechtswissenschaften. Ihre Haupttätigkeit liegt in der zivil- und strafrechtlichen Beratung und Vertretung. Auf folgende juristische Felder hat sie sich spezialisiert: Miet- und Wohnrecht, Immobilien- und Liegenschaftsrecht, Gewährleistungs- und Schadenersatzrecht, Familien- und Erbrecht sowie Straf- und Verwaltungsstrafrecht.
Für den WEKA-Verlag erstellt sie regelmäßig Fachbeiträge für das Portal Wohnrecht online und ist Autorin von Loseblattwerken zum WEG und Zivilverfahrensrecht.