Das neue Sterbeverfügungsgesetz ist in Kraft!
Erfahren Sie in diesem Beitrag die wichtigsten Eckpunkte zum neuen Sterbeverfügungsgesetz. Wer kann eine Sterbeverfügung errichten, welche Fristen gelten und was gilt es sonst zu beachten?
Wie alles begann
Am 11.12.2020 entschied der Verfassungsgerichtshof, dass ab dem Jahr 2022 (01.01.2022) die Suizidbeihilfe zulässig ist und hob die dem entgegenstehende gesetzliche Bestimmung des § 78 StGB als verfassungswidrig auf. Diese verletzte das Recht auf Selbstbestimmung, da der Tatbestand zu weit gefasst war. Es bleibt jedoch künftig weiter strafbar, wenn ein „Täter“ jemand anderen zur Selbsttötung verleitet. Das Grundrecht auf Selbstbestimmung greife nur, wenn die Entscheidung des Betroffenen frei und unbeeinflusst gefällt wurde.
Dies war der Stein des Anstoßes für das Sterbeverfügungsgesetz. Darin enthalten sind die Voraussetzungen und Wirkungen von Sterbeverfügungen. Das Gesetz sieht ein zweistufiges Modell zur Sicherstellung eines freien und selbstbestimmten Willens vor. Als Sterbeverfügung wird eine Willenserklärung bezeichnet, durch welche eine sterbewillige Person ihren dauerhaften, freien und selbstbestimmten Entschluss festhält, ihr Leben zu beenden.
Ablehnungsrecht und Diskriminierungsverbot
Niemand ist gem § 2 StVfG verpflichtet, eine Hilfeleistung zu erbringen, eine ärztliche Aufklärung durchzuführen oder an der Errichtung einer Sterbeverfügung mitzuwirken. Ein darauf gerichtetes vertragliches Leistungsversprechen kann nicht gerichtlich geltend gemacht werden. Zudem darf niemand wegen einer Hilfeleistung, einer ärztlichen Aufklärung oder der Mitwirkung an der Errichtung einer Sterbeverfügung oder der Weigerung, eine Hilfeleistung zu erbringen, eine ärztliche Aufklärung durchzuführen oder an der Errichtung einer Sterbeverfügung mitzuwirken, in welcher Art immer, benachteiligt werden.
Wirksamkeitsvoraussetzungen und Inhalt
Eine Sterbeverfügung kann nur wirksam errichtet werden, wenn die sterbewillige Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat oder österreichische Staatsangehörige ist. Die Voraussetzungen, die Wirkungen und die Beendigung einer Sterbeverfügung richten sich nach österreichischem Recht.
In einer Sterbeverfügung ist der Entschluss der sterbewilligen Person festzuhalten, ihr Leben zu beenden. Sie hat auch die ausdrückliche Erklärung zu enthalten, dass dieser Entschluss frei und selbstbestimmt nach ausführlicher Aufklärung gefasst wurde. In der Sterbeverfügung können auch eine oder mehrere Hilfe leistende Personen angegeben werden. Auf Wunsch der sterbewilligen Person kann die dokumentierende Person (Notar etc) auch nach der Errichtung weitere Hilfe leistende Personen in die Sterbeverfügung aufnehmen oder solche Personen streichen.
Die sterbewillige Person muss sowohl im Zeitpunkt der Aufklärung als auch im Zeitpunkt der Errichtung der Sterbeverfügung volljährig und entscheidungsfähig sein. Die Entscheidungsfähigkeit muss zweifelsfrei gegeben sein. Der Entschluss der sterbewilligen Person, ihr Leben zu beenden, muss frei und selbstbestimmt, insbesondere frei von Irrtum, List, Täuschung, physischem oder psychischem Zwang und Beeinflussung durch Dritte gefasst werden.
Sterbeverfügung – wer kann sie errichten?
Eine Sterbeverfügung kann nur eine Person errichten, die
- an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit
- an einer schweren, dauerhaften Krankheit (§ 120 Z 1 ASVG) mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen
Die Krankheit muss weiters einen für die betroffene Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringen! Eine Sterbeverfügung kann daher nur höchstpersönlich errichtet werden.
Erfordernis einer Aufklärung
Der Errichtung einer Sterbeverfügung hat eine Aufklärung durch zwei ärztliche Personen voranzugehen, von denen eine davon eine palliativmedizinische Qualifikation aufzuweisen hat und die unabhängig voneinander bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen im Sinne des § 6 Abs 2 freien und selbstbestimmten Entschluss geäußert hat.
Die Aufklärung hat zumindest folgende Inhalte zu umfassen:
- die im konkreten Fall möglichen Behandlungs- oder Handlungsalternativen, insbesondere Hospizversorgung und palliativmedizinische Maßnahmen
- einen Hinweis auf die Möglichkeit der Errichtung einer Patientenverfügung oder auf andere Vorsorgeinstrumente, insbesondere Vorsorgevollmacht und Vorsorgedialog
- die Dosierung des Präparats
- die für die Verträglichkeit des Präparats notwendige Begleitmedikation
- Art der Einnahme des Präparats
- Auswirkungen und mögliche Komplikationen bei der Einnahme des Präparats und
- die Tatsache, dass mit einer Patientenverfügung lebensrettende Behandlungen abgelehnt werden können
- einen Hinweis auf konkrete Angebote für ein psychotherapeutisches Gespräch sowie für suizidpräventive Beratung
- einen Hinweis auf allfällige weitere, im konkreten Fall zielführende Beratungsangebote
Der Arzt hat ein Dokument mit dem wesentlichen Inhalt der von ihm vorgenommenen Aufklärung zu errichten, wobei nicht jede ärztliche Person über sämtliche oben angeführten Inhalte aufklären muss. Ein Arzt, der über die Behandlungsalternativen aufklärt, hat das Vorliegen einer der oben genannten Krankheiten und einer glaubwürdigen Erklärung der betroffenen Person über einen für sie nicht anders abwendbaren Leidenszustand zu bestätigen. Zudem hat er die genaue Dosierungsanordnung zu treffen.
Das Dokument hat den Vor- und Familiennamen und das Geburtsdatum der sterbewilligen Person, den Vor- und Familiennamen und die Anschrift der ärztlichen Person und das Datum der Aufklärung zu enthalten und ist der sterbewilligen Person auszufolgen. Die Dokumentation kann auch im Wege einer Online-Schnittstelle zum Sterbeverfügungsregister erfolgen, die durch einen Code vor unbefugtem Zugriff zu schützen ist, sodass Zugriff nur diejenigen Personen erlangen, denen die sterbewillige Person den Code bekannt gibt. Die eingegebenen Daten dürfen längstens 30 Jahre aufbewahrt werden. Berufs- und krankenanstaltsrechtliche Bestimmungen über die ärztliche Dokumentation bleiben unberührt.
Die Hilfe leistende Person darf nicht mit der Person ident sein, die die Aufklärung leistet oder die Sterbeverfügung dokumentiert.
Fristen
Eine Sterbeverfügung darf frühestens zwölf Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung errichtet werden. Der Zweck hierbei liegt in der Chance zur Überbrückung von akuten Krisenphasen des Sterbewilligen. Leidet jemand an einer zum Tod führenden Krankheit und hat nur mehr wenige Wochen zu leben (terminale Phase), so kann eine Verfügung auch bereits zwei Wochen nach dem Aufklärungsgespräch errichtet werden. Die Sterbeverfügung verliert durch jederzeitigen Widerruf des Betroffenen ihre Wirksamkeit, spätestens jedoch nach Ablauf eines Jahres.
Was ist ein „Präparat“?
Ein Präparat ist eine für die sterbewillige Person tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital oder ein anderes, durch Verordnung festgelegtes Mittel, das in entsprechender Dosis das Leben beendet.
Wird in Folge von einer „dokumentierenden Person gesprochen“, ist darunter ein Notar oder ein rechtskundiger Mitarbeiter der Patientenvertretungen, vor dem die Sterbeverfügung errichtet wird, zu verstehen.
Ein Präparat darf nur von einer öffentlichen Apotheke, in der Sterbeverfügung angegebenen Dosierung samt der erforderlichen Begleitmedikation, an die sterbewillige oder eine in der Sterbeverfügung namentlich genannte Hilfe leistende Person nach Vorlage einer wirksamen Sterbeverfügung abgegeben werden. Die Abgabe und eine allfällige Zurückgabe sind an das Sterbeverfügungsregister unter Angabe des Datums, der abgebenden Apotheke und der Identifikationsdaten der abgebenden Person zu melden.
Vor der Abgabe hat der Apotheker zu überprüfen:
- die Identität der Person, die das Präparat abholen möchte, anhand eines amtlichen Lichtbildausweises
- ob für die sterbewillige Person bereits die Abgabe eines Präparats aufgrund der vorgelegten oder einer früheren Sterbeverfügung eingetragen worden ist durch Einsichtnahme in das Sterbeverfügungsregister
Im Falle des Verlusts oder Diebstahls des Präparats kann die sterbewillige Person vor der dokumentierenden Person verlangen, dass auf einer gültigen Sterbeverfügung oder auf einer aus diesem Anlass neu errichteten Sterbeverfügung vermerkt wird, dass neuerlich ein Präparat ausgefolgt werden kann. Die dokumentierende Person hat diesen Vermerk zu erteilen, wenn kein Zweifel an der Zuverlässigkeit der sterbewilligen Person besteht und an das Sterbeverfügungsregister zu melden.
Die Abgabe des Präparats ist unzulässig, wenn für eine Sterbeverfügung der sterbewilligen Person bereits ein Präparat abgegeben wurde und dieses Präparat nicht gleichzeitig zurückgegeben wird oder die Sterbeverfügung einen solchen Vermerk enthält.
Die sterbewillige Person und die Hilfe leistende Person, der das Präparat ausgefolgt wurde, haben das Präparat durch geeignete, den jeweiligen Umständen entsprechende Maßnahmen gegen eine unbefugte Entnahme zu sichern. Im Fall einer Aufgabe ihres Sterbewillens hat die sterbewillige Person das Präparat bei der Apotheke zurückzugeben. Der Apotheker hat zurückgegebene Präparate zu entsorgen. Wurde mit Hilfe eines Vermerks ein neues Präparat bezogen, ist ein wiedererlangtes Präparat der Apotheke zur Entsorgung zurückzugeben. Befindet sich in der Verlassenschaft eines Verstorbenen ein Präparat, so ist dies von jedem, der das Präparat auffindet, unverzüglich der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde anzuzeigen. Die Behörde hat die zur Vernichtung erforderlichen Anordnungen zu treffen.
Werbeverbot und Verbot wirtschaftlicher Vorteile
Es ist verboten, mit der Hilfeleistung zu werben. Das Werbeverbot umfasst Werbung, die eigene oder fremde Hilfeleistung oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Selbsttötung geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt oder anpreist. Es ist verboten, sterbewilligen Personen eine Hilfeleistung anzubieten oder diese durchzuführen, wenn man sich oder einem Dritten dafür wirtschaftliche Vorteile versprechen lässt oder annimmt, die über den Ersatz des nachgewiesenen Aufwands hinausgehen.
Wer diesen Verboten zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 30.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 60.000 Euro zu bestrafen. Hinsichtlich des Werbeverbotes ist auch der Versuch strafbar.