12.07.2024 | Wohnrecht | ID: 1178143

„Erhaltende“ Sanierung: stets eine Neuerrichtung iSd § 1 Abs 4 Z 3 MRG?

Eva-Maria Hintringer

Aktuelle OGH-Entscheidung zur Frage, ob eine umfassende Sanierung – anstelle eines bereits genehmigten Abbruchs und Neubaus des Gebäudes – als Neuerrichtung iSd 1 Abs 4 Z 3 MRG eingestuft werden kann.

Die Neuerrichtung eines Gebäudes iSd § 1 Abs 4 z § MRG liegt nur vor, wenn durch sie neuer Wohn- oder Geschäftsraum geschaffen wird. Eine – auch umfangreiche oder kostspielige – Sanierung fällt nicht darunter. Das gilt auch, wenn sich der Vermieter für eine „erhaltende“ Sanierung statt für den bereits genehmigten Abbruch und umfassenden Neubau des Gebäudes entscheidet.

OGH: Nach § 1 Abs 4 Z 3 MRG sind (unter anderem) die Mietzinsbestimmungen der §§ 15 ff MRG auf Mietgegenstände, die im Wohnungseigentum stehen, nicht anzuwenden, sofern der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, das aufgrund einer nach dem 08.05.1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist.

Neuerrichtung nach Rechtsprechung

Eine Neuerrichtung des Gebäudes liegt nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn es sich um die Gewinnung neuen und nicht eine bloß bauliche Umgestaltung schon vorhandenen Raums für Wohnzwecke und Geschäftszwecke handelt. Bloße Adaptierungen, die Neuaufteilung von Raum oder die Teilung von Wohnungen fallen somit nicht darunter. An der tatbestandsmäßigen Neuerrichtung eines Gebäudes fehlt es daher schon dann, wenn bestehen gebliebene Räume des alten Baubestandes im neuen Haus weiterverwendet werden. Sind nur einzelne Gebäudeteile eines Objekts erhalten geblieben, ist im Rahmen einer vergleichenden Wertung zu entscheiden, ob dennoch eine Neuerrichtung iSd § 1 Abs 4 Z 1 MRG vorliegt.

Voraussetzungen für Neuerrichtung iSd 1 Abs 4 Z 3 MRG

Die Neuerrichtung von Mietgegenständen setzt voraus, dass durch bauliche Maßnahmen Räume gewonnen werden, die entweder bisher überhaupt nicht zur Verfügung standen oder zur Verwendung als Wohn- oder Geschäftsräume nicht geeignet waren. Die bloß bauliche Umgestaltung schon vorhandenen Raums für Wohn- und Geschäftszwecke sowie die Renovierung eines mangels Instandhaltung unbenützbar gewordenen Mietgegenstands sind dem OGH zufolge nicht als Neuschaffung zu qualifizieren.

Abzustellen ist bei der Beurteilung vor allem auf die vorgenommenen baulichen Änderungen; wirtschaftliche Aspekte sind somit nur nachrangig zu berücksichtigen. Auch umfangreiche und kostspielige Umbauarbeiten können den Ausnahmetatbestand der Neuerrichtung eines Gebäudes nicht erfüllen, wenn bloß alter Baubestand adaptiert oder umgestaltet wird.

An diesen Grundsätzen ändert im Anlassfall auch die ursprüngliche allfällige wirtschaftliche Abbruchreife des verfahrensgegenständlichen Hauses und die schon erteilte baubehördliche Bewilligung für dessen Abtragung nichts. Auch § 1112 ABGB (iVm § 29 Abs 1 Z 2 MRG und § 30 Abs 2 Z 14 MRG) steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Der „rechtliche Untergang“ der Bestandsache iSd § 1112 ABGB liegt nur vor, wenn die Sache an sich aus dem Rechtsverkehr gezogen wurde oder wenn die für die Vermietbarkeit überhaupt oder für die Vermietung zu einem bestimmten Zweck erforderliche Qualifikation endgültig und unabänderlich verlorengeht.

Fazit

Aus einer mangelnden Erhaltungspflicht des Vermieters kann daher nicht der Schluss gezogen werden, dass eine „erhaltende“ Sanierung, wenn sie trotzdem vorgenommen wird, stets als eine Neuerrichtung iSd § 1 Abs 4 Z 3 MRG anzusehen ist. Entscheidet sich der Vermieter trotz Unwirtschaftlichkeit für die Erhaltung und gegen einen (umfassenden) Abbruch und nachfolgenden Neubau, kann er sich für nachfolgende Mietverhältnisse nicht schon allein deshalb auf § 1 Abs 4 Z 3 MRG berufen.

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