Mobilitätspaket: Änderungen bei den Lenk- und Ruhezeiten
Gastautor Johann Schöffthaler, BA MA, fasst die wichtigsten Änderungen des Mobilitätspakets der EU übersichtlich zusammen. Achtung: Die Änderungen für Unternehmen treten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft.
Im Zuge des Mobilitätspakets der europäischen Union kam zur Änderung der Verordnung 561/2006 bezüglich Lenk- und Ruhezeiten. Die folgenden Änderungen treten grundsätzlich am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Die Veröffentlichung (Änderungsverordnung 2020/1055) erfolgte mit dem Amtsblatt der Europäischen Union L 249 vom 31.07.2020, somit trat die Verordnung am 20.08.2020 in Kraft.
Wichtige Neuerungen im Überblick
Es gibt abweichende spezielle Wirksamkeitsregelungen, welche extra erklärt werden.
1. Neu ist der Geltungsbereich der VO bzgl der Absenkung der Gewichtsgrenze für leichte Nutzfahrzeuge gemäß Artikel 2 Absatz 1 lit aa. Dieser wird auf grenzüberschreitende Güterbeförderungen oder Kabotagebeförderungen mit Fahrzeugen ab 2,5 t zulässige Höchstmasse (einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger) ausgedehnt. Für rein innerstaatliche Güterbeförderungen (primär durch österreichische Unternehmen) bleibt es bei der bisherigen Gewichtsgrenze von mehr als 3,5 t. Diese Änderung gilt ab 01.07.2026.
2.Neu ist die Erweiterung der „Handwerkerregelung“ gemäß Artikel 3 aa lit ii, wonach die „Handwerkerregelung“ in Zukunft auch auf Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen bis max 7,5 t zulässige Höchstmasse angewendet werden kann, die zur Auslieferung von handwerklich hergestellten Gütern im Werkverkehr (es darf sich um keine gewerbliche Beförderung handeln) eingesetzt werden.
3. Zusätzliche Ausnahme für Beförderungen im Werkverkehr gemäß Artikel 3 lit ha:
Die Güterbeförderungen im Werkverkehr sind künftig (wohl ab 01.07.2026) vom Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen, wenn es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Höchstmasse von mehr als 2,5 t und weniger als 3,5 t handelt, sofern das Fahren nicht die Haupttätigkeit des Fahrers darstellt.
4. Es gibt nun eine neue (klarstellende) Definition der „nichtgewerbliche Beförderung“ gemäß Artikel 4 lit r:
„Nichtgewerbliche Beförderung“ ist jede Beförderung im Straßenverkehr, außer Beförderungen auf eigene oder fremde Rechnung, die weder direkt noch indirekt entlohnt wird und durch die weder direkt noch indirekt ein Einkommen für den Fahrer oder die Fahrerin des Fahrzeugs oder für Dritte erzielt wird und die nicht im Zusammenhang mit einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit steht.
5. Es erfolgte eine Klarstellung der Fahrtunterbrechung im Mehrfahrer:inbetrieb gemäß Artikel 7 2. Absatz:
Es wird klargestellt, dass im Mehrfahrerbetrieb die Fahrtunterbrechung von 45 Minuten auch im Fahrzeug verbracht werden kann, während der andere Fahrer oder Fahrerin das Fahrzeug lenkt. Während der Fahrtunterbrechung darf jedoch der gerade lenkende Fahrer oder Fahrerin nicht bei seiner oder ihrer Lenktätigkeit unterstützt werden.
6. Die wöchentliche Ruhezeit (RZ) gemäß Artikel 8 Absatz 6 wird folgend neu geregelt:
Die bisherige Regelung (in 2 aufeinanderfolgenden Wochen jeweils entweder 2 regelmäßige Ruhezeit von mind 45 Stunden, oder 1 regelmäßige Ruhezeit von mind 45 Stunden und 1 reduzierte Ruhezeit von mind 24 Stunden mit Ausgleich der Reduzierung bis Ende der 3. Folgewoche) wird durch die folgende neue Regelung abgelöst:
Grundregel (wie bisher):
In 2 aufeinanderfolgenden Wochen müssen entweder 2 regelmäßige Ruhezeiten (mind. 45 Stunden) oder 1 regelmäßige Ruhezeit von mind 45 Stunden und 1 reduzierte Ruhezeit von mind 24 Stunden genommen werden.
Alternative Regel für grenzüberschreitende Güterbeförderung (ACHTUNG: gilt NICHT für die Personenbeförderung!!):
Außerhalb des Niederlassungsstaates des Arbeitgebers können innerhalb von 4 aufeinanderfolgenden Wochen 2 regelmäßige Ruhezeiten (mind. 45 Stunden) und 2 reduzierte Ruhezeiten (mind. 24 Stunden) genommen werden.
Wesentlich dabei ist, dass die beiden reduzierten Ruhezeiten hintereinander eingelegt werden dürfen!
Beispiel:
Woche 1 | Woche 2 | Woche 3 | Woche 4 |
45 h | 45 h | 24 h | 24 h |
Diese Regel kann nur dann angewendet werden, wenn der Fahrer oder die Fahrerin die 2 aufeinanderfolgenden reduzierten Ruhezeiten außerhalb des Niederlassungsstaates des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin und seines oder ihres Wohnsitzlandes beginnt.
Es gibt zusätzlich eine Neuregelung des Ruhezeitausgleichs, wenn 2 reduzierte Ruhezeiten hintereinander genommen werden:
In diesem Fall ist der gemeinsame Ausgleich für diese 2 aufeinanderfolgenden reduzierten Ruhezeiten (21 h+21 h =42 h) vor der, den 2 reduzierten Ruhezeiten folgenden, wöchentlichen Ruhezeiten zu nehmen.
Beispiel:
Woche 1 | Woche 2 | Woche 3 | Woche 4 |
45 h | 24 h | 24 h | 42 h + 45 h = 87 h |
Die wöchentliche Lenkzeit wird nicht angepasst und bleibt daher unverändert bestehen (56 h/Woche, 90 h/Doppelwoche).
7. Die Neuregelung für das Verbringen der wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug gemäß Artikel 8 Absatz 8:
Es wird nun klargestellt, dass regelmäßige Ruhezeiten (mind. 45 Stunden) und Ausgleichsruhezeiten von mehr als 45 Stunden nicht im Fahrzeug verbracht werden dürfen.
Für diese Ruhezeiten gilt, dass sie in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessener Schlafgelegenheit und sanitären Einrichtungen verbracht werden müssen. Sämtliche Kosten für die Unterbringung außerhalb des Fahrzeuges sind vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin zu tragen.
8. Zusätzliche begleitende Planungs-und Dokumentationspflichten des Arbeitgebers:
Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin hat die Arbeit des Fahrpersonals so zu planen, dass jeder Fahrer oder Fahrerin innerhalb von 4 jeweils aufeinanderfolgenden Wochen
- zur Betriebsstätte seines Arbeitgebers oder Arbeitgeberin (im Niederlassungsstaat), in welchem die Wochenruhe begonnen wird oder
- an seinen Wohnsitz zurückkehren kann, um dort eine regelmäßige Ruhezeit oder eine Ausgleichsruhe zu nehmen.
Im Fall von 2 aufeinanderfolgenden reduzierten Ruhezeiten muss dem Fahrer oder Fahrerin ermöglicht werden bereits vor Beginn der nachfolgenden Ausgleichsruhezeit zurückzukehren.
Der Arbeitgeber muss:
- dokumentieren, wie diese Planungsverpflichtung erfüllt wird
- die betreffenden Unterlagen aufbewahren und den Kontrollbehörden auf Verlangen vorlegen.
9. Neue „Überprüfungsklausel“ für Lenk-und Ruhezeiten im Autobus-Gelegenheitsverkehr:
Spätestens 2 Jahre nach Inkrafttreten der Änderungs-VO (somit ca August 2022) hat die Europäische Kommission zu evaluieren, ob für den Autobus-Gelegenheitsverkehr geeignetere Vorschriften für Fahrer und Fahrerinnen erlassen werden können und teilt das Ergebnis ihrer Überprüfung dem Parlament und dem Rat mit.
10. Neu ist die Informationspflicht der Europäischen Kommission über sichere und gesicherte Parkflächen – Artikel 8a:
Die Europäische Kommission ist verpflichtet, eine Liste aller zertifizierten Parkflächen (in den Mitgliedstaaten) zur Information der Fahrer und Fahrerinnen über folgende Ausstattung der Parkflächen durch Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen:
- Erkennen und Verhindern von unberechtigtem Eindringen
- Beleuchtung und Sichtverhältnisse
- Kontaktstelle und Verfahren für Notfälle
- Geschlechtergerechte sanitäre Einrichtungen
- Möglichkeiten zum Kauf von Lebensmitteln und Getränken
- Kommunikationsverbindungen
- Stromversorgung
Die Liste dieser Parkflächen wird auf einer einheitlichen amtlichen Internetseite veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert.
Die Mitgliedstaaten wiederum müssen dafür sorgen, dass derartige Parkflächen für gewerbliche Straßenbenutzer geschaffen werden.
Die Europäische Kommission hat bis 31.12.2024 einen Bericht über die Verfügbarkeit gesicherter und zertifizierter Parkflächen und geeigneter Ruheeinrichtungen für Fahrer mit allenfalls begleitenden Maßnahmen für die Erhöhung deren Anzahl und Qualität vorzulegen.
11. Die Neuregelung der Ruhezeit bei kombinierter Beförderung gemäß Artikel 9 Absatz 1:
Die bisherige Möglichkeit der flexiblen täglichen Ruhezeit während Beförderung des Fahrzeuges auf einer Fähre oder auf der rollenden Landstraße (Möglichkeit der 2-maligen Unterbrechung der Ruhezeit von insgesamt maximal 1 Stunde durch andere Tätigkeiten) wird nun auch auf die regelmäßige und reduzierte Wochenruhe ausgedehnt.
Für die reduzierte Wochenruhe gilt:
- Erlaubt ist die 2-malige Unterbrechung der Ruhezeit im Ausmaß von insgesamt maximal 1 Stunde durch andere Tätigkeiten
- Während der Ruhezeit muss dem Fahrer oder der Fahrerin eine Schlafkabine, eine Schlafkoje oder ein Liegeplatz zur Verfügung stehen.
Für die regelmäßige Wochenruhe gilt:
- Die geplante Reisedauer für Fähr-und Zugreisen muss mindestens 8 Stunden betragen.
- Der Fahrer oder die Fahrerin muss Zugang zu einer Schlafkabine auf der Fähre oder im Zug haben.
12. Autonomes Fahren gemäß Artikel 9a:
Bis zum 31.12.2025 hat die Europäische Kommission einen Bericht über die Nutzung autonomer Fahrsysteme in den Mitgliedstaaten zu erstellen und dem Europäischen Parlament und dem Rat vorzulegen. Der Bericht hat auch mögliche Auswirkungen solcher Systeme auf die Lenk-und Ruhezeiten zu bewerten.
13. „Halteplatzregel“ gemäß Artikel 12:
Die Regeln der Abweichungsmöglichkeiten von den Lenk-und Ruhezeiten werden bei der täglichen und wöchentlichen Lenkzeit an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. In Zukunft darf der Fahrer oder die Fahrerin unter außergewöhnlichen Umständen die tägliche und wöchentliche Lenkzeit:
- um bis zu 1 Stunde überschreiten, um die Betriebsstätte des Arbeitgebers, der Arbeitgeberin oder seinen oder ihren Wohnsitz zum Zweck des Einlegens einer wöchentlichen Ruhezeit zu erreichen.
- um bis zu 2 Stunden überschreiten, um die Betriebsstätte des Arbeitgebers, der Arbeitgeberin oder seinen oder ihren Wohnsitz zum Zweck des Einlegens einer regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit zu erreichen, sofern unmittelbar vor der zusätzlichen Lenkzeit eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von 30 Minuten eingelegt wurde.
Hierbei ist folgendes zu beachten:
- Der Fahrer oder die Fahrerin hat den Grund der Überschreitung spätestens bei Erreichen des Bestimmungsortes oder geeigneten Halteplatzes handschriftlich auf dem Schaublatt des analogen Kontrollgerätes, einem Ausdruck aus dem digitalen Kontrollgerät oder im Arbeitszeitplan (für den Personenlinienverkehr bei Fehlen eines Kontrollgerätes) zu vermerken.
- Für jede Lenkzeitverlängerung gebührt ein gleichwertiger Ausgleich durch eine Ruhepause, die zusammen mit einer täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit ohne Unterbrechung bis zu Ende der 3. Folgewoche nach der Verlängerungswoche genommen werden muss.
14. Erweiterung der nationalen Ausnahmemöglichkeiten von den Lenk-und Ruhezeiten für bestimmte Fahrzeuge gemäß Artikel 13 Absatz 1 lit q und r:
Künftig können die Mitgliedstaaten zusätzlich zum bisherigen Ausnahmekatalog folgende Fahrzeuge von den Vorschriften über die Lenkzeit, Fahrtunterbrechung, tägliche und wöchentliche Ruhezeit, sowie kombinierte Beförderung, freistellen oder diese abweichend regeln:
- Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen zur Beförderung von Baumaschinen für Bauunternehmen im Umkreis von max 100 km vom Standort des Unternehmens, wenn das Lenken nicht die Haupttätigkeit des Fahrers darstellt,
- Fahrzeuge, die für die Lieferung von Transportbeton verwendet werden.
15. Neue Regelung für den Arbeitszeitplan für den nationalen Personenlinienverkehr sowie bestimmte grenzüberschreitende Personenlinienverkehrsdienste gemäß Artikel 16 Absatz 3 lit a:
Die notwendigen Angaben im Arbeitszeitplan müssen, statt bisher den Zeitraum der vorangegangenen 28 Tage, künftig den Zeitraum des Kontrolltages und der vorausgehenden 56 Tage umfassen. Diese Bestimmung gilt ab 31.12.2024.