07.03.2023 | Arbeitssicherheit & Brandschutz | ID: 1132286

Schutzeinrichtungen an Maschinen: Wie Manipulationen an ihnen vermieden werden können

Stefan Krähan

Ohne ein geeignetes Schutzkonzept ist das Arbeiten an einer Maschine oftmals nicht möglich bzw. bestehen erhebliche sicherheitstechnische Mängel. Diesen muss mit Schutzeinrichtungen begegnet werden, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu garantieren.

Schutzeinrichtungen an Maschinen sind essenziell, um eine Maschine für die Anwendung entsprechend sicher zu gestalten. In der Praxis kommt es in Betrieben aber immer wieder vor, dass Schutzeinrichtungen außer Kraft gesetzt werden. Teilweise werden diese abmontiert oder überbrückt, was speziell bei steuerungstechnisch überwachten Schutzeinrichtungen vorkommt.

Mängel im Schutzkonzept der Maschine als Ursache für Manipulationen

Dass Schutzeinrichtungen manipuliert werden, ist in den meisten Fällen auf Mängel im Schutzkonzept der Maschine zurückzuführen. Ist nämlich dieses Konzept nicht auf die Bedienbarkeit der Maschine abgestimmt, werden Schutzeinrichtungen als störend wahrgenommen. Die Bedienung der Maschine, das Einrichten, die Wartung, das Rüsten, die Störungsbeseitigung oder Reinigung wird durch die Schutzeinrichtung erschwert oder gar unmöglich gemacht. Für Personen, die mit solchen Maschinen arbeiten, stellt dies einen hohen Manipulationsanreiz dar.

Schutzkonzepte bzw Schutzeinrichtungen sind sinnvolle Einrichtungen, die Mitarbeiter vor entsprechenden Gefährdungen schützen sollen. Sie sollen nicht als lästige und behindernde technische Maßnahmen angesehen werden.

Manipulationen als häufige Unfallursache

Aufgrund von Überbrückungen von Schutzeinrichtungen kommt es immer wieder zu schweren und tödlichen Unfällen. Mehr als die Hälfte der Unfälle, die sich mit Maschinen ereignen, erfolgen aufgrund von Manipulationen an Schutzeinrichtungen. Die Konsequenzen sind sehr oft haftungsrechtliche Folgen für jene, die manipuliert haben sowie für Personen, die unmittelbare Verantwortung für den Bereich tragen.

Die Haftungs- bzw Rechtsfolgen werden in der betrieblichen Praxis oft nicht ernst genommen, weil Manipulation oftmals als erforderlich betrachtet wird, um Tätigkeiten an einer Maschine überhaupt durchführen zu können. „Es geht ja nicht anders“, sind typische Aussagen, die von Maschinenbedienern zu hören sind. Wird gefragt, wer die Verantwortung für die Überbrückung der Schutzeinrichtungen übernimmt, wird oftmals erwidert, dass jeder im Betrieb für sich selbst verantwortlich sei.

Wer hat die Verantwortung für die Einhaltung der Schutzvorschriften?

Diese Annahme ist im Hinblick auf den ArbeitnehmerInnenschutz aber anders, denn die Verantwortung hat jene Person, die unmittelbar für den jeweiligen Bereich auch zuständig ist. Grundsätzlich heißt es, dass der Arbeitgeber für die Einhaltung der ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften verantwortlich ist. Die Verantwortung beginnt sehr wohl beim Arbeitgeber, in vielen Fällen ist das der handelsrechtliche Geschäftsführer bzw die Geschäftsführerebene. Aber auf keinen Fall endet die Verantwortung auf dieser Ebene.

Das bedeutet konkret, dass die Verantwortung weitergegeben wird. Auch wenn dies nicht bewusst in einem Betrieb geschieht, ist ein Vorarbeiter für seine ihm unterstellten Mitarbeiter auch dafür zuständig, dass die ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften eingehalten werden. Das heißt, dass der Vorarbeiter auch in regelmäßigen Abständen überprüfen muss, ob die Rechtsvorschriften im ArbeitnehmerInnenschutz eingehalten werden. Manipulieren, demontieren und überbrücken von Schutzeinrichtungen müssen dem unmittelbaren Vorgesetzten aufgrund seiner durchzuführenden Kontrollen auffallen. Ein Umgehen und Manipulieren von Schutzeinrichtungen darf nicht geduldet werden. Es gibt auch kein wirtschaftliches Argument, das ein Überbrücken bzw Manipulieren von Schutzeinrichtungen rechtfertigt. Damit die unmittelbaren Vorgesetzten auch rechtlich mit keinen Haftungen zu rechnen haben, müssen Maschinen und Gesamtmaschinen („Anlagen“) so konzipiert sein, dass ein Überbrücken bzw Manipulieren des Schutzkonzeptes nicht möglich ist.

Wie können Arbeitgeber überprüfen, ob das vorhandene Schutzkonzept an einer Maschine manipulationssicher ausgeführt wird? 

Im Rahmen der vom Arbeitgeber durchzuführenden Arbeitsplatzevaluierung gemäß des § 4 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) ist das Schutzkonzept an einer Maschine zu überprüfen. Das bedeutet, dass die Schutzeinrichtungen auf ihre Wirkungs- und Funktionsweise zu überprüfen sind und ob die einzelnen Lebensphasen der Maschine auch sicher durchgeführt werden können. Zu den Lebensphasen einer Maschine gehören neben der bestimmungsgemäßen Verwendung, Rüsten, Wartung und Reinigung auch die Instandhaltungsmaßnahmen, unterschiedlichen Betriebsarten und die Störungsbehebung. Bei allen Tätigkeiten müssen die Schutzmaßnahmen vorhanden und funktionsfähig sein.

Herausforderung Störungsbehebung

Speziell bei Störungsbehebungen besteht oftmals die Herausforderung, dass die Störungen bei laufender Maschine zu beheben sind. In der Praxis wird gerade bei diesen Tätigkeiten manipuliert und Schutzeinrichtungen außer Kraft gesetzt. Störungen dürfen im Gefahrenbereich bei laufender Maschine nur dann behoben werden, wenn der Mitarbeiter durch einen Tippschalter („Totmannschaltung“) eine langsame Geschwindigkeit und geringe Leistung selbst steuern kann. Eine technische Einrichtung für das Verwenden im Gefahrenbereich ist auch eine dreistufig ausgeführte Schalteinrichtung, welche so funktioniert, dass beim Nicht-Betätigen bzw auch beim Durchdrücken ein Not-Halt an der Maschine ausgelöst wird. Diese technische Einrichtung muss seitens des Maschinenherstellers bzw Inverkehrbringers für die Betriebsart einer Störungsbehebung vorgesehen sein und darf nicht als Option durch den Maschinenhersteller angeboten werden.

Oftmals sind Fehlerzustände an Maschinen Anreize, um Schutzeinrichtungen außer Kraft zu setzen. Wenn die Manipulation einer Schutzeinrichtung an einer Maschine mit geringem zeitlichen oder materiellen Aufwand erfolgen kann, reicht bereits ein geringer Manipulationsanreiz, damit Schutzeinrichtungen außer Kraft gesetzt werden. Deshalb muss bereits bei der Planung des Sicherheits- bzw Schutzkonzeptes mitberücksichtigt werden, den Manipulationsaufwand zu erhöhen bzw durch eine bedienerfreundliche Verwendung erst gar keinen Manipulationsanreiz aufkommen zu lassen.

Insbesondere sind von feststehende trennende Schutzeinrichtungen so auszuführen, dass sich Schutzeinrichtungen nur mit einem Werkzeug öffnen lassen, und dass die Befestigungselemente (z.B. Schrauben) nach dem Abnehmen fix mit der Maschine, dem Maschinengestell oder der Schutzeinrichtung in Verbindung bleiben, damit die Befestigungselemente nicht verloren gehen können. Das ist auch eine gesetzliche Anforderung, welche im Anhang I Punkt 1.4.1 in der Maschinen-Sicherheitsverordnung (MSV) 2010 angeführt ist. Diese Anforderung ist vom Arbeitgeber im Rahmen der Evaluierung zu überprüfen.

Zusätzlich zu dieser Art der Schutzeinrichtung sind an Maschinen und Gesamtmaschinen („Anlagen“) oftmals auch steuerungstechnisch überwachte Schutzeinrichtungen vorhanden. Diese beweglichen trennenden Schutzeinrichtungen mit Verriegelung sollten nach dem Öffnen mit der Maschine verbunden bleiben und können nur durch absichtliche Handlungen eingestellt werden. Bewegliche trennende Schutzeinrichtungen mit Verriegelung müssen so konstruiert sein, dass bei Fehlen oder Störung eines ihrer Bestandteile das Ingangsetzen gefährlicher Maschinenfunktionen verhindert wird oder die Funktionen stillgesetzt werden. Im Zusammenhang mit beweglichen trennenden Schutzeinrichtungen ist auch der Nachlauf einer Maschine zu überprüfen, wobei durch das Öffnen einer Schutztüre oder einer Abdeckung, welche steuerungstechnisch überwacht wird, ein schnelles Stillsetzten der Maschine gewährleistet wird. Weiters besteht die Möglichkeit eine bewegliche trennende Schutzeinrichtung mit Zuhaltung auszuführen. Ein Öffnen dieser Art der Schutzeinrichtung ist erst nach dem Stillstand der Maschine möglich.

Bedeutung der Ausführung des Schutzkonzeptes

Die Ausführung des Schutzkonzeptes und insbesondere die Schutzeinrichtung entscheiden darüber, ob eine Maschine oder Gesamtmaschine („Anlage“) leicht zu manipulieren ist oder nicht. Bei mechanischen Sicherheitsverriegelungen verhindert bereits das Ausbohren von Schraubenköpfen oder die Montage besonderer Schrauben, zB für nur eine Drehrichtung, das Entfernen des mechanischen Betätigers. Gegen das einfache Dauer-Einstecken in einen Sicherheitsschalter wirken Betätiger mit Feder Wunder. Hier ist eine Manipulation nur mit gewissem Aufwand möglich und diese ist zudem auf den ersten Blick erkennbar. Sicherheitsschalter sollten mit Positionsschaltern verwendet werden, die folgende Anforderungen und Eigenschaften aufweisen: Positionsschalter mit individueller Kodierung, Scharnierschalter und berührungslos wirkende Positionsschalter mit RFID-Codierung.

Diese Sicherheits-Schalteinrichtungen sind entsprechend in die Sicherheitssteuerung der Maschine zu integrieren. Dabei dürfen Sicherheitsfunktionen an Maschinen nicht über eine konventionelle Maschine bzw die Produktionssteuerung einer Maschine laufen. Die Grundlagen für die Auslegung von Sicherheitsfunktionen in der Sicherheitssteuerung beruhen auf der europäisch harmonisierten Norm ÖNORM EN ISO 13849-1. Die Struktur einer Sicherheitssteuerung kann mit dem Software-Assistent SISTEMA (Sicherheit von Steuerungen an Maschinen) vorgenommen werden. Dabei wird, je nachdem welches Risiko abgesichert werden muss, ein entsprechendes Performance Level ausgewählt.

Praxistipp:

Grundsätzlich gilt: Je höher das Risiko ist, welches mit einer technischen Schutzeinrichtung abzusichern ist, desto höher ist die Anforderung, die an die Sicherheitssteuerung einer Maschine gestellt wird.

Die Steuerungstechnik ermöglicht es einerseits die Stellung einer Schutzeinrichtung zu überwachen und andererseits, dass die Verriegelungseinrichtung mit Zuhaltung zusätzlich eine Vorrichtung zum Blockieren der beweglichen Schutzeinrichtung in der geschlossenen Position besitzt. Solange diese Vorrichtung aktiv ist, kann damit die bewegliche trennende Schutzeinrichtung mit Zuhaltung nicht geöffnet werden. Die Verriegelungseinrichtungen mit Zuhaltungen kommen immer dann zum Einsatz, wenn der Bediener einer Maschine beim ordnungsgemäßen Öffnen von verriegelten Schutz-einrichtungen (Schutztüren) vor noch nicht abgeklungenen Gefährdungen, wie bspw vor gefährlichen Nachlaufbewegungen von bewegten Maschinenteilen, geschützt werden muss.

Optoelektronischen Schutzeinrichtungen, wie Lichtgittern und Lichtschranken müssen so an der Maschine angebracht, dass ein Hintertreten bzw Umgreifen nicht möglich ist. Sobald ein Lichtgitter oder eine Lichtschranke ausgelöst wird, muss die Sicherheitssteuerung (Sicherheits-SPS) die Maschine stillsetzen. Das kann durch die Steuerung bzw Sicherheits-SPS erfolgen, indem zyklische Abfragen in Bezug auf die Lichtgitter bzw Lichtschranken erfolgen. Bei einer Maschine, welche über keinen Manipulationsanreiz verfügt, sind das Bedien- und Schutzkonzept in einer Weise aufeinander abgestimmt, dass die Bedienperson durch die Schutzeinrichtungen keine Beeinträchtigung des Arbeitsablaufs wahrnimmt.

Fazit

Bei der Arbeitsplatzevaluierung muss der Arbeitgeber bereits bei der Lieferung überprüfen, ob die Maschine ohne Werkzeug zum Manipulieren geliefert wird. Dazu gehören nicht nur Betätiger, die oftmals für die Instandhaltung mitgeliefert werden, sondern auch Passwörter und Codes, die an den Anwender „ausgeliefert“ werden, zu berücksichtigen.

Autor

DI Stefan Krähan
Fachkundiges Organ im Bereich Maschinenbau bei der AUVA

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