11.07.2024 | Bau & Immobilien | ID: 1177956

Bauvertrag – Wichtige Fakten im Überblick

Dan Katzlinger - Greta Freysinger

Beim Bauvertrag handelt es sich um einen Werkvertrag. Er regelt das Vertragsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer. Auch die ÖNORM B 2110 spielt eine wichtige Rolle.

Charakteristik des Bauvertrages

Der Bauvertraggilt als Werkvertrag nach §§ 1165–1174 ABGB. Der Bauvertrag enthält die Regelung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Auftraggeber (Werkbesteller) und Auftragnehmer (Werkunternehmer). § 1151 Abs 1 ABGB definiert den Werkvertrag mit der Übernahme der Herstellung eines Werkes gegen Entgelt. Aus der Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes wird abgeleitet, dass der Werkunternehmer einen Erfolg schuldet, während beim Dienstvertrag nur die Arbeitsleistung geschuldet wird.

Schwieriger ist manchmal die Abgrenzung zum Kaufvertrag. Hier hilft die Zweifelsregel des § 1166 ABGB weiter.

Bei Arbeiten an unbeweglichen Sachen ist immer von einem Werkvertrag auszugehen, unabhängig davon, ob der Auftraggeber oder der Auftragnehmer das Material bereitstellt.

Relevant ist die Unterscheidung zwischen Kaufvertrag und Werkvertrag insbesondere im Fall der Stornierung, die rechtlich als Rücktritt vom Vertrag gilt. Dieses Recht des „Abbestellens“ besteht nämlich gem § 1168 ABGB nur beim Werkvertrag. Der Auftragnehmer hat in diesem Fall jedoch weiterhin den (allenfalls verminderten) Entgeltanspruch.

Vertragsgestaltung nach ÖNORM B 2110

Die ÖNORM B 2110 als allgemeine Werkvertragsnorm spielt in der täglichen Praxis des Baurechts eine große Rolle. Sie enthält vornormierte Vertragsbestimmungen und gilt als Vertragsformblatt/AGB iSd §§ 864a, 879 ABGB und § 6 KSchG.

Einige Bestimmungen der ÖNORM B 2110 sind gegenüber Verbrauchern zumindest teilweise unwirksam oder müssen im Einzelnen ausgehandelt werden. Diese sind gem Pkt 5.3 mit „HINWEIS KSCHG“ versehen.

Ebenso wie AGB muss auch die Anwendung der ÖNORM B 2110 zwischen den Vertragsparteien vereinbart sein (3 Ob 564/94, SZ 68/35; RdW 2000, 142; 4 Ob 101/08x, RdW 2008, 775). In der Praxis wird die Geltung der ÖNORM B 2110 häufig subsidiär zu den Bestimmungen des Bauvertrages vereinbart.

Hinweis:

Zu beachten ist, dass bei Verträgen mit Konsumenten alle ÖNORMEN, die Vertragsinhalt werden sollen, explizit genannt werden müssen. Ansonsten wäre die entsprechende Vereinbarung intransparent und damit ungültig.

Gem Punkt 5.1.2 gelten die zugrunde gelegten ÖNORMEN jeweils in der Fassung, die zum Beginn der Angebotsfrist gültig war, bzw bei Fehlen einer Angebotsfrist in der zum Datum des Angebotes gültigen Fassung. Die jüngste Fassung stammt aus dem Jahr 2023.

Bauleistungen

Die ÖNORM B 2110 (Ausgabe 2023-05-01) definiert als Bauleistungen die Herstellung, Änderung, Instandsetzung, Demontage oder den Abbruch von Bauwerken und Bauteilen, Landschaftsbau und sonstige Bauarbeiten jeder Art im Rahmen eines Werkvertrages sowie erforderliche Vorarbeiten und Hilfsarbeiten sowie Errichtung und Demontage oder Abbruch von Hilfsbauwerken sowie Leistungen der Haustechnik (Herstellung, Änderung, Reparaturen, Demontage von haustechnischen Anlagen und von Teilen derselben, zum Beispiel aus den Bereichen der Lüftungstechnik, Kältetechnik, Heizungstechnik, Sanitärtechnik, Elektrotechnik, Nachrichtentechnik, des Aufzugbaues sowie weitere technische Gebäudeausrüstungen).

Zustandekommen des Bauvertrags

Der Bauvertrag kommt als Konsensualvertrag durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande und bedarf keiner bestimmten Form (OGH 7 Ob 265/00x).

Der Bauvertrag kann daher auch dadurch zustande kommen, dass Bauarbeiten eines Auftragnehmers, der zuvor ein schriftliches Angebot abgegeben hat, widerspruchslos entgegengenommen werden. In diesem Fall ist auch eine Zustimmung zu den Bedingungen des Angebotes anzunehmen (OGH 8 Ob 58/62 EvBl 1962/392; 5 Ob 12/68 SZ 41/16 = EvBl 1968/211 = JBl 19 68, 476; vgl Karasek, ÖNORM B 2110² [Rz 228]).

Unterbleiben der Ausführung

Unterbleibt die Ausführung des Werkes, so hat der Auftragnehmer gem § 1168 ABGB nichtsdestotrotz Anspruch auf das vereinbarte Entgelt, sofern er

  • zur Leistung bereit war, und
  • durch Umstände in der Sphäre des Auftraggebers an der Leistungserbringung gehindert wurde.

Der Entgeltanspruch ist jedoch insofern gemindert, als dass sich der Auftragnehmer anrechnen lassen muss, was er sich durch das Unterbleiben der Ausführung erspart, durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich verabsäumt hat.

Entschädigungsanspruch

Wurde der Auftragnehmer infolge von Umständen aus der Sphäre des Auftraggebers durch Zeitverlust bei der Ausführung des Werkes verkürzt, so gebührt ihm eine angemessene Entschädigung.

Ob beim Auftragnehmer ein Vermögensschaden eingetreten ist, ist für den Entgeltanspruch irrelevant. Es geht vielmehr um ein zustehendes Entgelt für geleistete Mehrarbeit bzw eine Entgeltanpassung. Relevant ist daher, worin die erbrachte Mehrleistung bzw die Leistungsmodifikation besteht und welchen Lohn der AN aufgrund des bestehenden Werkvertrages dafür fordern darf. Ausgangsbasis für diesen Anspruch sind daher die vertraglich vereinbarten Kalkulationsgrundlagen. Fehlen vertragliche Grundlagen zur Bestimmung des konkreten Entgelts, ist im Zweifel ein angemessenes Entgelt zu entrichten.

Die Mehrleistungen oder zeitgebundenen Mehrkosten hat der Auftragnehmer ebenso nachzuweisen, wie die Tatsache, dass die Umstände, die eine höhere Entgeltforderung rechtfertigen, in der Sphäre des Auftraggebers liegen (Krejci, „Angemessene Entschädigung“ [§ 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB] und Schadenersatz, ZRB 2013, V.).

Eine „Störung der Leistungserbringung“ nach ÖNORM B 2110 führt nicht automatisch zur Vertragsanpassung.

Die Sphärentheorie

Nachdem die Frage, in wessen Sphäre sich ein Umstand, der zu Mehrkosten beim AN geführt hat, ereignet hat, weitreichende Folgen nach sich zieht, spielt die Zuordnung von Umständen zum AN oder zum AG eine wichtige Rolle. Damit beschäftigt sich die Sphärentheorie. § 1168 ABGB ist dispositiv, sodass die Parteien bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit abweichende Regelungen treffen können.

§ 1168 ABGB spricht nur allgemein von Umständen, die auf Seiten des Bestellers, also des Auftraggebers liegen. Im Zweifel hat sohin der AN zu beweisen, dass ein Umstand in die Sphäre des AG fällt, will er zusätzliches Entgelt verlangen.

Ist keine klare Zuordnung möglich, trifft es im Zweifel den AN, da es dann entweder der Sphäre des AN oder der sog „neutralen Sphäre“ zuzuordnen ist.

Wie beeinflussen Lohn- und Materialpreisänderungen den ÖNORM B 2110-Vertrag?

Rücktrittsrecht

§ 1168 Abs 2 ABGB gewährt dem Auftragnehmer ein Rücktrittsrecht für den Fall, dass der Auftraggeber seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Voraussetzung ist, dass der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine angemessene Nachfrist setzt und gleichzeitig erklärt, nach fruchtlosem Verstreichen der Frist den Vertrag aufzuheben.

Zentrales Thema ist in diesem Zusammenhang die Mitwirkungspflicht des AN. Hier ist insbesondere § 1170b Abs 2 ABGB hervorzuheben, der explizit auf das Rücktrittsrecht nach § 1168 Abs 2 ABGB verweist.

Ob Anlagencontracting nach einem Konzeptwechsel im Bauvertrag zulässig ist, lesen Sie hier.

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