30.12.2024 | Nachhaltigkeit | ID: 1189846

Technische und wirtschaftliche Grundlagen der Dekarbonisierung von Gebäuden

Gregor Biley - Redaktion WEKA

Die Veränderungen des Klimas beeinflussen direkt oder indirekt alle Bereiche unseres Lebens wohl allen anderen voran auch unsere Art und Weise zu wohnen. Lesen Sie in diesem Beitrag zur Dekarbonisierung von Gebäuden.

Auswirkungen des Gebäudesektors

Gebäude sind für etwa die Hälfte der Emissionen von primärem Feinstaub in der Europäischen Union verantwortlich. Darüber hinaus entfallen auf sie 40 % des Endenergieverbrauchs der Europäischen Union und 36 % der energiebedingten Treibhausgasemissionen. Hinzu kommt, dass 75 % der Gebäude der Union immer noch als energieineffizient anzusehen sind. Die Emissionslast zeigt sich hier vor allem im Zusammenhang mit der Beheizung der Gebäude: Erdgas macht rund 39 % des Energieverbrauchs für die Raumheizung in Wohngebäuden aus und hat somit den weitaus größten Anteil. An zweiter Stelle steht Öl mit 11 %, der Anteil von Kohle liegt hingegen nur bei etwa 3 %.

Die gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen für den Gebäudesektor sind vielfältig. In diesem Zusammenhang sind vor allem die folgenden Faktoren von Bedeutung:

  • Energieeffizienz 
  • Umstellung von fossilen Brennstoffen auf „erneuerbaren Strom“ und „erneuerbare Wärme“ 
  • Errichtung und Instandhaltung von Gebäuden mit nachhaltigen bzw kreislauffähigen Baumaterialien 
  • Steigerung der thermischen Effizienz von Gebäuden 
  • Berücksichtigung der Auswirkungen des Klimawandels 

Komplexe technische und wirtschaftliche Herausforderungen

Bereitstellung von erneuerbarer Wärme

Aufgrund der überragenden Bedeutung des Gebäudesektors als einer der größten CO2-Emittenten in der gesamten EU verfügt dieser über enormes Einsparungs- bzw Verbesserungspotenzial. Dieses Potenzial kann genutzt werden, die Technologien dafür stehen uns bereits jetzt zur Verfügung. Gleichzeitig gehen damit aber auch technische und wirtschaftliche Herausforderungen einher, die nachstehend am Beispiel der Umstellung der Wärmeversorgung eines Bestandsgebäudes auf erneuerbare Wärme illustriert werden sollen.

Technische Grundlagen

Das „klassische“ österreichische Zinshaus steht im Eigentum einer natürlichen oder juristischen Person, die einzelnen Wohneinheiten sind an Einzelpersonen oder Familien zur Deckung deren täglichen Wohnbedürfnisses vermietet. Die Bereitstellung von Wärme erfolgt typischerweise entweder mittels Anschlusses an ein örtliches Fernwärmenetz oder durch einen Gas- oder Ölkessel, der sich direkt auf der Liegenschaft befindet und zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser dient. Die Wärme wird von der Heizzentrale über Rohrleitungen innerhalb der Liegenschaft an die einzelnen Wohneinheiten transportiert, wo sie über Radiatoren in den Raum abgegeben wird. Die laufenden Wartungs- und Erhaltungsarbeiten an dieser Heizzentrale übernimmt regelmäßig die Hausverwaltung oder ein damit beauftragtes, externes Unternehmen. Der Vorteil dieser Variante ist, dass die Heizzentrale vergleichsweise wenig störanfällig ist und mit verhältnismäßig geringem Wartungsaufwand betrieben werden kann. Die laufenden Kosten abseits des Energieträgers sind damit überschaubar. Für den Vermieter besteht üblicherweise relativ wenig Anreiz, sich mit technischen Alternativen dazu auseinanderzusetzen.

Eine solche Alternative ist die Bereitstellung von erneuerbarer Wärme, beispielsweise über eine Wärmepumpe. Wärmepumpen existieren in verschiedenen technischen Varianten und nutzen unterschiedliche Wärmequellen. Für den Beispielfall des „klassischen“ Zinshauses mit zahlreichen zu versorgenden Wohneinheiten bietet sich beispielsweise eine Erdwärmepumpe mit einem Tiefensondenfeld an, wenngleich natürlich nicht jede Liegenschaft in das „Schema F“ eingeordnet werden kann. Die Variante einer Erdwärmepumpe spielt auch in der Quartierentwicklung ganzer Viertel, etwa durch die Schaffung von Nahwärme- bzw Energienetzen, eine große Rolle. Für andere Liegenschaften sind beispielsweise Luftwärmepumpen oder eine Rückgewinnung von Abwasserwärme passendere Lösungen. Bei besonders hohem Energiebedarf kann beispielsweise auch eine Kombination mehrerer Lösungen gewählt werden. Auch die Bereitstellung von Wärme mittels Wasserstoff oder Biomasse könnte in Zukunft eine Rolle spielen, diesen Lösungen fehlt teils aber noch die Serienreife, teilweise sind noch diffizile Fragen der Ressourcenallokation zu klären, zB bei der Nutzung von Wasserstoff, und schließlich begegnen diese Varianten der Kritik, dass sie „nur“ CO2-neutral, nicht aber CO2-frei seien.

Mit dem Betrieb einer Wärmepumpe allein ist die Dekarbonisierung eines Gebäudes aber nicht geschafft. Die Erzeugung von „grüner Wärme“ bedarf der Verwendung von Ökostrom. Dieser kann natürlich aus dem öffentlichen Netz bezogen werden und durch die bilanzielle Kennzeichnung mit Herkunftsnachweisen als Ökostrom ausgewiesen sein, in vielen Fällen – nicht zuletzt auch aufgrund des stagnierenden Netzausbaus – besteht jedoch die Notwendigkeit, zumindest einen Teil der benötigten Energie direkt auf der zu versorgenden Liegenschaft zu erzeugen. Dies kann im kleineren Rahmen etwa durch PV-Anlagen auf Dächern oder an Fassaden erzielt werden, in der Quartierentwicklung sind aber durchaus auch größer dimensionierte Lösungen, beispielsweise in der Gestalt von Freiflächen-PV Anlagen, Kleinwindkraft oder Kleinwasserkraft, denkbar. Auch die Energieaufbringung für Wärmepumpen innerhalb von Energiegemeinschaften stellt keine Seltenheit mehr dar.

Ein weiterer grundlegender Aspekt, der bei der Dekarbonisierung von Gebäuden mitbedacht werden muss, ist Energieeffizienz. Hierunter versteht das Gesetz – stark vereinfacht ausgedrückt – das „Verhältnis von Ertrag an Leistung, Dienstleistungen, Waren oder Energie zu Energieeinsatz“.

Die beste Kilowattstunde Energie ist diejenige, die nicht verbraucht wird – mit anderen Worten: „energy efficiency first“. Mit diesem Schlagwort wird auch die Zielsetzung der EU-Gebäude-RL umschrieben, deren durchgreifende Neufassung am 28.05.2024 in Kraft getreten ist. 

Rechtsgrundlagen für Gebäudeenergieeffizienz

Im Folgenden sollen nun ausgewählte Regelungsinhalte der kürzlich durchgreifend novellierten Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive oder „EPBD“) thematisiert werden. Die Richtlinie sieht vor, dass neue Gebäude, die sich im Eigentum von öffentlichen Einrichtungen befinden, ab dem 01.01.2028 Nullemissionsgebäude sein müssen. Ab dem 01.01.2030 gilt diese Verpflichtung auch für alle anderen neuen Gebäude. Für Nullemissionsgebäude gilt in diesem Zusammenhang, dass sie keine CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen verursachen dürfen. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten außerdem dazu, nationale Gebäuderenovierungspläne zu erstellen, die das Ziel gewährleisten sollen, bis in das Jahr 2050 einen dekarbonisierten Gebäudebestand – vor allem also auch im Hinblick auf den Gebäudebestand – zu erreichen. Darüber hinaus sind Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden festzulegen. Weiters ist sicherzustellen, dass die Gesamtenergieeffizienzbestehender Gebäude, welche einer „größeren Renovierung“ unterzogen werden, derart erhöht wird, dass sie den staatlich festgelegten Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden genügen. 

Wird ein Teil des Energiebedarfs durch eigenerzeugten Ökostrom gedeckt, stellt sich auch stets die Frage nach der Verwertung von Überschüssen. Der bereits angesprochene und vielfach als zu langsam kritisierte Netzausbau verunmöglicht häufig einen vollständigen Abtransport von Überschüssen, sodass alternative Konzepte erwogen werden müssen. Denkbar sind etwa die Bereitstellung von Überschüssen an E-Tankstellen oder direkt an E-Fahrzeuge („vehicle to grid“). Die Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie hat auch auf diesen Umstand reagiert und Bestimmungen geschaffen. Die Richtlinie sieht umfassende Regelungen zur nachhaltigen Mobilität vor, wobei in diesem Zusammenhang zwischen Wohn- und Nichtwohngebäuden differenziert wird.

In neuen Nichtwohngebäuden, die über mehr als fünf Kfz-Abstellplätze verfügen, ist künftig verpflichtend jeder fünfte Abstellplatz mit einem Ladepunkt für E-Fahrzeuge zu versehen. Außerdem sind bereits anlässlich der Errichtung des neuen Nichtwohngebäudes Vorkehrungen zu treffen, die die spätere Installation weiterer Ladepunkte erleichtern. Ähnliches gilt auch für bestehende Nichtwohngebäude, konkret muss hier entweder ein Ladepunkt je zehn Kfz-Stellplätze errichtet werden oder es müssen die Vorbereitungen für die spätere Errichtung von Ladepunkten auf zumindest 50 % der vorhandenen Stellplätze getroffen werden. In neuen Wohngebäuden muss ab drei vorhandenen Kfz-Stellplätzen künftig auf zumindest 50 % der vorhandenen Stellplätze eine Vorverkabelung für die spätere Errichtung von Ladepunkten installiert sein.

Dekarbonisierung von Gebäuden: Wirtschaftliche Grundlagen

Auch in wirtschaftlicher Hinsicht sind mit der Dekarbonisierung des Gebäudesektors hohe Hürden verbunden. Typischerweise wird die Implementierung des technisch notwendigen bzw sinnvollen Maßnahmenbündels auf einer durchschnittlichen Liegenschaft mehrere hunderttausende Euro an Kosten verursachen. Damit kann natürlich– wie auch von der Bundesregierung anlässlich der Vorstellung des Erneuerbaren-Wärme-Pakets erhofft – ein massiver Konjunkturaufschwung einhergehen. So sieht das Paket im Wesentlichen vor, dass ab 2024 in Neubauten keine Gasheizungen mehr installiert werden dürften. Der Tausch bereits bestehender fossiler Heizsysteme soll mit rund 75 % der Kosten gefördert werden. Allerdings können diese Kosten viele Hauseigentümer von der Umsetzung der klimapolitisch so dringend gebotenen Maßnahmen dennoch abschrecken.

So sind Wohnungseigentümergemeinschaften, deren Mitglieder die betroffenen Objekte überwiegend selbst zur Deckung des eigenen Wohnbedürfnisses bewohnen, von den Kosten oftmals überwältigt und nehmen daher eher Abstand von diesen Maßnahmen. „Institutionelle“ Liegenschaftseigentümer, die Liegenschaften in ihrem Portfolio als Anlageobjekte halten, verfügen zwar oftmals über die notwendigen finanziellen Mittel, um den Aufwand der Dekarbonisierung zu stemmen, haben für die Umsetzung dieser Maßnahmen aber häufig relativ wenig Anreiz: Typischerweise rechtfertigt die Dekarbonisierung des Gebäudes zwar eine gewisse Erhöhung des Mietzinses, eine vollständige Amortisierung von Maßnahmen während ihrer wirtschaftlichen Lebensdauer gelingt jedoch eher selten. Dieser Befund mag sich in jüngster Vergangenheit immerhin teilweise durch die gesteigerten Anforderungen an die Einhaltung von ESG-Kriterien im Immobiliensektor und die Vorgaben der Taxonomie-VO verbessert haben. Unstrittig ist jedoch weiterhin, dass es einer umfassenderen wohnrechtlichen Begleitgesetzgebung bedarf, um einen ausreichenden Anreiz zur Investition von privatem Kapital zu schaffen, wie etwa ein Blick in die Mietzinsbestimmungen im Vollanwendungsbereich des MRG zeigt:

Im Ergebnis sind daher hohe wirtschaftliche Kosten zu tragen und in vielen Fällen auch eine Fremdfinanzierung unvermeidbar. Um die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte der Dekarbonisierung ausreichend zu gewährleisten, hat die Praxis erste Lösungsansätze entwickelt, zu denen bereits einige probate Erfahrungswerte existieren.

Praktischer Ansatz

Die vorstehenden Absätze haben die verschiedenen Herausforderungen und Chancen, aber auch Risiken der Dekarbonisierung unseres Gebäudebestandes eindrücklich aufgezeigt. In Wahrheit bedarf es sowohl einer umfassenden technischen Kompetenz als auch ausreichenden kaufmännischen und wirtschaftlichen Kenntnissen, um die Dekarbonisierung zu meistern.

Die Praxis hat zur Lösung dieser schwierigen Anforderungen das sog „Contracting“ entwickelt. 

Mehr zum Thema ESG und Dekarbonisierung von Gebäuden lesen Sie im Praxishandbuch Immobilien.

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