19.04.2022 | Öffentliche Verwaltung | ID: 1113195

Aufenthaltsrecht und Arbeitsmarktzugang für Ukraine-Vertriebene

Andreas Gerhartl

Lesen Sie in diesem Beitrag, welche Aufenthaltsrechte Ukraine-Flüchtlinge in Österreich haben und ob sie hier auch einer Beschäftigung nachgehen dürfen.

Infolge der Ukraine-Krise flüchten Vertriebene auch nach Österreich. Diese haben grundsätzlich auch Zugang zum Arbeitsmarkt, benötigen aber eine Beschäftigungsbewilligung. Diese kann (bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen) grundsätzlich für alle Branchen erteilt werden.

Rechtsgrundlagen

Der Rat für Justiz und Inneres der EU hat am 03.03.2022 die Aktivierung der bereits seit 20.07.2001 bestehenden Massenzustrom-RL (RL 2001/55/EG) beschlossen. In Österreich wurden in Umsetzung dieser Richtlinie bereits vor Jahren grundsätzliche Regelungen in diverse Gesetze aufgenommen (§ 62 AsylG sowie Grundversorgungsgesetze der Länder). Aktuelle Rechtsgrundlagen bilden die in Ausführung des AsylG erlassene Vertrieben-Verordnung (BGBl II 92/2022) und die Verordnung zur Änderung der Asylgesetz-Durchführungsverordnung (BGBl II 93/2022).

Vorübergehendes Aufenthaltsrecht

Folgenden Personengruppen kommt nach der Vertriebenen-Verordnung ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht in Österreich zu:

  • Ukrainische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Ukraine, die aus dieser aufgrund des bewaffneten Konflikts ab dem 24.02.2022 vertrieben wurden,
  • sonstige Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die in der Ukraine einen internationalen Schutzstatus oder vergleichbaren nationalen Schutzstatus (jeweils nach ukrainischem Recht) genießen, die aus dieser aufgrund des bewaffneten Konflikts ab dem 24.02.2022 vertrieben wurden,
  • Familienangehörige (Ehegatten eingetragene Partner; minderjährige ledige Kinder; enge Verwandte, die in häuslicher Gemeinschaft gelebt und vollständig oder größtenteils von diesen abhängig waren) einer Person, der (aus anderen Gründen) ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht in Österreich zukommt, die vor dem 24.02.2022 bereits in der Ukraine aufhältig waren.

Auch ukrainische Staatsangehörige, die am 24.02.2022 einen Aufenthaltstitel nach dem österreichischen NAG innehatten oder sich sonst rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben (Visum) und die aufgrund des bewaffneten Konfliktes nicht in die Ukraine oder ihren (anderen) Wohnsitzstaat zurückkehren können, können das vorübergehende Aufenthaltsrecht nach Ablauf des vorherigen Titels in Anspruch nehmen.

Einreise und Aufenthaltsdauer

Bei der Einreise nach Österreich müssen keine COVID-19-Präventionsmaßnahmen (Vorliegen eines negatives Testergebnisses etc) beachtet werden, da gem § 9 Abs 2 Z 5 der COVID-19-Einreiseverordnung Personen, die aufgrund einer kriegerischen Auseinandersetzung einreisen, vom Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen sind.

Das vorübergehende Aufenthaltsrecht besteht derzeit bis zum 03.03.2023. Wird es nicht gem Art 6 Abs 1 lit b der RL 2001/55/EG beendet, verlängert es sich automatisch um jeweils sechs Monate, längstens jedoch um ein Jahr. Ergeht ein Beschluss des Rates gem Art 6 Abs 1 lit b oder Abs 2 der RL 2001/55/EG, endet das Aufenthaltsrecht zu dem im Beschluss genannten Zeitpunkt. Das Aufenthaltsrecht erlischt weiters, wenn der Betreffende das Bundesgebiet nicht bloß kurzfristig verlässt.

Ausweis für Vertriebene

Allen Personen, die nach der Vertriebenen-Verordnung ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht erhalten, wird gemäß § 62 Abs 4 AsylG iVm § 2 Abs 5 AsylG-Durchführungsverordnung ein „Ausweis für Vertriebene“ (blaue Aufenthaltskarte) ausgestellt.

Verfahren

Geflüchtete Personen können/müssen sich bei der Polizei registrieren und können auf diesem Weg die blaue Aufenthaltskarte beantragen: https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=7441626F4962686A465A773D.

Mit der Erfassung durch die Exekutive (wenn die Person länger als drei Tage in Österreich bleiben möchte) ist die Einbeziehung in die Grundversorgung sichergestellt.

Die blaue Aufenthaltskarte wird grundsätzlich ohne weiteres Verfahren ausgestellt (bei Personen, die keinen Pass mit biometrischen Merkmalen haben oder keinen Identitätsnachweis, erfolgt zuvor jedoch eine Abklärung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl). Die blaue Aufenthaltskarte wird gemeinsam mit einem Informationsschreiben an die betroffenen Personen versandt.

Wenn eine Person die weiße Aufenthaltskarte beantragt oder auch bereits erhalten hat, kann dennoch eine blaue Aufenthaltskarte beantragt werden. Die Gültigkeit der weißen Aufenthaltskarte erlischt im Fall der Ausstellung der blauen Aufenthaltskarte. Die weiße Aufenthaltskarte wird ausgestellt, wenn ein Asylwerber zum Asylverfahren zugelassen wird. Mit dieser wird dokumentiert, dass der Asylwerber (nur) für die Dauer des Asylverfahrens ein Aufenthaltsrecht hat.

Arbeitsmarktzugang

Für Inhaber eines Ausweises für Vertriebene ist § 1 Z 2 der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung (BHZÜV) anzuwenden, die gemäß § 32 Abs 12 AuslBG als Verordnung iSd § 4 Abs 4 AuslBG weitergilt. Nach dieser Bestimmung kann durch Verordnung festgelegt werden, dass für Personen, an deren Beschäftigung öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen, Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden dürfen.

Eine Arbeitsaufnahme ist nur mit gültiger Beschäftigungsbewilligung zulässig. Die Kriterien für einen rechtskonformen Arbeitsmarktzugang wurden am 11.03.2022 durch einen Erlass des BMA (GZ: 2022-0.178.109) festgelegt. Aus Sicht des BMA liegt es demnach im öffentlichen Interesse, Kriegsvertriebenen während ihres Aufenthalts weitestgehend Möglichkeiten zu eröffnen, durch eigene Erwerbstätigkeit für ihren Unterhalt aufzukommen, zumal in vielen Bereichen Arbeitskräfte, insbes Fachkräfte dringend gesucht werden. Dementsprechend sind alle Personen mit einem gültigen Ausweis für Vertriebene mit bedarfsgerechten Förderangeboten wie zB Deutschkursen, Kompetenzerhebungen und Qualifizierungen bei der Arbeitsmarktintegration zu unterstützen und auch aktiv auf offenen Stellen zu vermitteln.

Beschäftigungsbewilligungen sind – bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen – gestützt auf § 4 Abs 3 Z 14 AuslBG in allen Branchen zu erteilen. Aufgrund der aktuellen Arbeitsmarktlage ist es vertretbar, von der Arbeitsmarktprüfung/Ersatzkraftstellung abzusehen. Die Beschäftigungsbewilligungen sind sowohl bei Antragstellung durch den Arbeitgeber als auch im Falle der aktiven Vermittlung durch das AMS amtswegig zu erteilen. Eine Antragstellung ist auch über das eAMS-Konto für Unternehmen unter Services für Ausländerbeschäftigung/Beschäftigungsbewilligung möglich.

Branchen und Laufzeit

In den Branchen Tourismus sowie Land- und Forstwirtschaft können Beschäftigungsbewilligungen für Vertriebene auch außerhalb der Saisonkontingente erteilt werden. Aufgrund der aktuellen Regelungen im Ausländerbeschäftigungsgesetz ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an Arbeitskräfteüberlasser hingegen derzeit nicht zulässig.

Bezüglich der Laufzeit von erteilten Beschäftigungsbewilligungen für Vertriebene gibt es keine Einschränkungen. Anzuwenden sind die Regeln des § 7 AuslBG, insbesondere § 7 Abs 4 für Lehrlings-Beschäftigungsbewilligungen, anzuwenden. Demnach sind für Vertriebene – ungeachtet der weiteren aufenthaltsrechtlichen Entwicklung – Beschäftigungsbewilligungen für die gesamte Dauer der Lehrzeit plus Behaltepflicht zu erteilen.

Wenn Sie als Arbeitgeber in der aktuellen Situation Ihre Bereitschaft zur Einstellung von geflüchteten Menschen aus der Ukraine zum Ausdruck bringen möchten, eignen sich folgende Formulierungen für Ihren Inseratentext: „Wir freuen uns über Bewerbungen von geflüchteten Menschen aus der Ukraine./We look forward to receiving applications from Ukrainian refugees./Mi duzhe radi zajavkam na robotu vid bizhenciv z Ukraini."

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