10.01.2022 | Öffentliche Verwaltung | ID: 1084435

Winterdienst am Friedhof: Befreit Warntafel die Gemeinde vor der Haftung im Falle eines Sturzes?

WEKA (aga)

Erfahren Sie in diesem Betrag, ob eine Gemeinde für Stürze von Friedhofsbesuchern bei verschneiten und vereisten Wegen haftet, wenn an den Eingangstüren zum Friedhofsareal Schilder mit der Aufschrift „Kein Winterdienst“ angebracht sind.

Friedhöfe in Österreich werden nicht nur als Ort der Bestattung genutzt, sondern es ist vielmehr üblich, zum Andenken an verstorbene Familienmitglieder deren Grab zu besuchen. Solche Besuche finden typischerweise nicht ausschließlich an bestimmten Feiertagen statt. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass es stets Personen gibt, denen ein regelmäßiger Besuch des Grabes von Angehörigen zumindest einmal, oft auch mehrmals pro Woche ein persönliches Anliegen ist.

Das typische Verkehrsbedürfnis der Öffentlichkeit hinsichtlich eines in Benützung stehenden, also nicht rein historischen Friedhofs erfordert es daher, auch außerhalb von Feiertagen, Begräbnissen oder Verabschiedungen einen gefahrlosen Besuch der Gräber zumindest in regelmäßigen, im Vorhinein bekannten Abständen zu ermöglichen.

„Anlassbezogener“ Winterdienst ausreichend?

Ein bloß „anlassbezogener“ Winterdienst bedeutet, dass zwischen den Feiertagen am 1. und 2. November und dem 24. Dezember, oder zwischen dem Dreikönigstag am 6. Jänner und dem Ende der winterlichen Verhältnisse überhaupt keine Betreuung der Wege innerhalb des Friedhofsareals stattfindet, sofern nicht ein Begräbnis, eine Aufbahrung oder eine Einsegnung in diesen Zeitraum fallen. Dies wird dem Verkehrsbedürfnis der Öffentlichkeit nicht gerecht. Die Gemeinde hat daher die ihr objektiv zuzumutenden Maßnahmen nicht eingehalten.

Wenn einer Gemeinde eine ständige Betreuung der Wege aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen subjektiv nicht möglich ist, bedeutet dies daher nicht, dass sie außerhalb von konkreten „Anlässen“ von jedem Winterdienst absehen kann. Die Gemeinde wäre vielmehr verhalten, die Zugänge zu den Gräbern zumindest in regelmäßigen Zeitabständen derart zu streuen oder zu räumen, dass jedenfalls unmittelbar danach ein gefahrloser Besuch des Friedhofs ermöglicht wird. Zusätzlich wären die Friedhofsbesucher – etwa durch entsprechend konkrete Hinweisschilder – über die Zeiten, zu denen sie mit bestreuten oder geräumten Wegen rechnen können, zu informieren, sodass sie ihr Verhalten danach ausrichten können.

Haftung gemäß § 1319a ABGB

§ 1319a ABGB ist eine Sondervorschrift für die Haftung des Wegehalters für (unter anderem) die Verletzungen von Menschen am Körper oder der Gesundheit, die durch den mangelhaften Zustand eines Weges verursacht wurden. § 1319a ABGB privilegiert den Wegehalter im Vergleich zum allgemeinen Deliktsrecht im Hinblick auf den Verschuldensmaßstab: Der Schadenersatzanspruch ist nur begründet, wenn der mangelhafte Zustand des Weges auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Halters oder seiner Leute beruht.

Unter grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 1319a ABGB ist eine auffallende Sorglosigkeit zu verstehen, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falls in ungewöhnlicher Weise verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist.

Fazit

Ein Friedhofsbetreiber muss damit rechnen, dass sich unter den Personen, die den Friedhof regelmäßig, das heißt unabhängig von Feiertagen und konkreten Anlässen, besuchen, ältere Personen befinden, die in ihrer Gangsicherheit gegenüber jüngeren Personen typischerweise eingeschränkt sind.

Das bewusste Belassen der Wege in einem vereisten und verschneiten Zustand, ohne jeden regelmäßigen Winterdienst, also ohne den Friedhofsbenutzern die Möglichkeit zu eröffnen, zumindest in regelmäßigen Abständen gefahrlos den Friedhof zu besuchen, wenn gleichzeitig mit dem Besuch des Friedhofs durch betagte Personen zu rechnen ist, lässt den Eintritt eines Schadens als geradezu wahrscheinlich erscheinen.

Die grob schuldhafte Verletzung dieser Pflichten begründet die Haftung der Gemeinde (vgl OGH 6 Ob 117/20d).

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