13.12.2024 | Öffentliche Verwaltung | ID: 1084435

Winterdienst am Friedhof: Wann haftet die Gemeinde?

WEKA (aga)

Erfahren Sie in diesem Betrag, ob eine Gemeinde für Stürze von Friedhofsbesuchern bei verschneiten und vereisten Wegen haftet, wenn an den Eingangstüren zum Friedhofsareal Schilder mit der Aufschrift „Kein Winterdienst“ angebracht sind.

In Österreich ist es üblich Friedhöfe zum Andenken an verstorbene Familienmitglieder deren Grab zu besuchen. Dies findet typischerweise nicht ausschließlich an bestimmten Feiertagen statt.

Das typische Verkehrsbedürfnis der Öffentlichkeit hinsichtlich eines in Benützung stehenden Friedhofs erfordert es daher, auch außerhalb von Feiertagen, Begräbnissen oder Verabschiedungen einen gefahrlosen Besuch der Gräber zumindest in regelmäßigen, im Vorhinein bekannten Abständen zu ermöglichen.

Im Zusammenhang mit dem Winterdienst auf Friedhöfen hatte der OGH (vgl OGH 17.12.2020, 6 Ob 117/20) die Frage zu klären, ob eine Gemeinde für Stürze von Friedhofsbesuchern bei verschneiten und vereisten Wegen haftet, wenn an den Eingangstüren zum Friedhofsareal Schilder mit der Aufschrift „Kein Winterdienst“ angebracht sind.

„Anlassbezogener“ Winterdienst ausreichend?

Ein bloß „anlassbezogener“ Winterdienst bedeutet, dass zwischen den Feiertagen am 1. und 2. November und dem 24. Dezember, oder zwischen dem Dreikönigstag am 6. Jänner und dem Ende der winterlichen Verhältnisse überhaupt keine Betreuung der Wege innerhalb des Friedhofsareals stattfindet, sofern nicht ein Begräbnis, eine Aufbahrung oder eine Einsegnung in diesen Zeitraum fallen. Dies wird dem Verkehrsbedürfnis der Öffentlichkeit nicht gerecht. Die Gemeinde hat daher die ihr objektiv zuzumutenden Maßnahmen nicht eingehalten.

Wenn einer Gemeinde eine ständige Betreuung der Wege aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen subjektiv nicht möglich ist, bedeutet dies daher nicht, dass sie außerhalb von konkreten „Anlässen“ von jedem Winterdienst absehen kann. Die Gemeinde wäre vielmehr verhalten, die Zugänge zu den Gräbern zumindest in regelmäßigen Zeitabständen derart zu streuen oder zu räumen, dass jedenfalls unmittelbar danach ein gefahrloser Besuch des Friedhofs ermöglicht wird. Zusätzlich wären die Friedhofsbesucher – etwa durch entsprechend konkrete Hinweisschilder – über die Zeiten, zu denen sie mit bestreuten oder geräumten Wegen rechnen können, zu informieren, sodass sie ihr Verhalten danach ausrichten können.

Haftung gemäß § 1319a ABGB

§ 1319a ABGB ist eine Sondervorschrift für die Haftung des Wegehalters für (unter anderem) die Verletzungen von Menschen am Körper oder der Gesundheit, die durch den mangelhaften Zustand eines Weges verursacht wurden. § 1319a ABGB privilegiert den Wegehalter im Vergleich zum allgemeinen Deliktsrecht im Hinblick auf den Verschuldensmaßstab: Der Schadenersatzanspruch ist nur begründet, wenn der mangelhafte Zustand des Weges auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Halters oder seiner Leute beruht.

Unter grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 1319a ABGB ist eine auffallende Sorglosigkeit zu verstehen, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falls in ungewöhnlicher Weise verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist.

Regelmäßige Streupflicht am Friedhof?

In der Rechtsprechung wurde die Streupflicht des Friedhofsbetreibers grundsätzlich bejaht (vgl RIS-Justiz RS0023329). Die Streupflicht gilt nicht nur gegenüber Begräbnisteilnehmern, sondern gegenüber sämtlichen Friedhofsbesuchern (vgl OGH 06.11.1968, 2 Ob 275/68). In der gegenständlichen Entscheidung wurde auch ausgeführt, dass ein Warnschild (mit dem Hinweis „Bei Glatteis nur bestreute Wege betreten“) die Verkehrssicherungspflichten nicht unter das Maß des Zumutbaren einschränken kann. Zu beachten ist aber, ob der Friedhofsbesucher einen anderen Weg wählen kann, weil zwar nicht alle, aber immerhin einzelne Wege auf dem Friedhof bestreut und die übrigen abgesperrt sind (OGH 06.11.1968, 2 Ob 275/68).

Fazit

Ein Friedhofsbetreiber muss damit rechnen, dass sich unter den Personen, die den Friedhof regelmäßig, das heißt unabhängig von Feiertagen und konkreten Anlässen, besuchen, ältere Personen befinden, die in ihrer Gangsicherheit gegenüber jüngeren Personen typischerweise eingeschränkt sind.

Das bewusste Belassen der Wege in einem vereisten und verschneiten Zustand, ohne jeden regelmäßigen Winterdienst, also ohne den Friedhofsbenutzern die Möglichkeit zu eröffnen, zumindest in regelmäßigen Abständen gefahrlos den Friedhof zu besuchen, wenn gleichzeitig mit dem Besuch des Friedhofs durch betagte Personen zu rechnen ist, lässt den Eintritt eines Schadens als geradezu wahrscheinlich erscheinen.

Die grob schuldhafte Verletzung dieser Pflichten begründet die Haftung der Gemeinde (vgl OGH 6 Ob 117/20d).

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