Wann gilt ein Arztbesuch als bezahlte Dienstfreistellung?
Lesen Sie in diesem Beitrag, wann bei einem Arztbesuch Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. Zählen Wegzeiten zum Arzt als bezahlungspflichtige Dienstverhinderungszeiten? Ist ein Unfall auf dem Weg zum Arzt auch bei Telearbeit ein Arbeitsunfall?
Ein Arztbesuch während der Arbeitszeit wirft zahlreiche arbeitsrechtliche Fragen auf wie zB: Besteht in jedem Fall ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung? Zählen Wegzeiten zum Arzt auch als bezahlungspflichtige Dienstverhinderungszeiten? Gilt ein Unfall zum Arzt auch während Telearbeit immer als Arbeitsunfall? Welche gesetzlichen Änderungen gibt es diesbezüglich seit Inkrafttreten des neuen Telearbeitsgesetzes?
Grundsatz
Grundsätzlich gilt, dass Arzttermine möglichst außerhalb der Arbeitszeit zu vereinbaren sind.
Freie Arztwahl
Der Arbeitnehmer hat allerdings das Recht der freien Arztwahl. Hat der Arbeitnehmer bereits einen Hausarzt bzw Vertrauensarzt, so darf er diesen auch dann besuchen, wenn dieser nur einen Termin während der Arbeitszeit hat. Der Arbeitnehmer muss seinen Vertrauensarzt nicht wechseln, nur um einen Termin außerhalb der Arbeitszeit zu bekommen.
Der Grundsatz der freien Arztwahl darf nicht unverhältnismäßig überspannt werden. Es steht dem Arbeitgeber frei, die entgeltpflichtige Wegzeit auf ein angemessenes Ausmaß zu begrenzen (zB je eine Stunde für den Hin- und Rückweg), wenn der Arbeitnehmer ohne triftigen Grund einen Arzt in ungewöhnlicher Entfernung wählt. Der Arbeitnehmer muss sich dann für die restliche Zeit Zeitausgleich oder Urlaub nehmen (vgl Kronberger/Kraft, PVP 2018/26).
Wegzeiten für Arztbesuch als Entgeltfortzahlungsanspruch
Die Frage der Arztwahl wirkt sich auch auf die Wegzeiten aus. Für die Entgeltfortzahlung für Wegzeiten wird unterschieden, ob der Termin (zB Arzt) vom Betrieb oder von der Wohnung aus aufgesucht wird:
- Die Wegzeiten zwischen Betrieb und Arzt (und retour) zählen zu den entgeltfortzahlungspflichtigen Wegzeiten, sofern diese in die Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers fallen.
- Wegzeiten zwischen Wohnung und Arzt:
- Aufsuchen des Arztes aufgrund freier Entscheidung des Arbeitnehmers: Eine Direktfahrt steht grundsätzlich im überwiegenden Interesse den Arbeitnehmer, weil er sich das zwischenzeitige Aufsuchen des Betriebs spart. In derartigen Fällen sind keine Wegzeiten, sondern nur die Aufenthaltszeit beim Arzt zu zahlen.
- Aufsuchen des Arztes aufgrund einer Anordnung des Arbeitgebers: Ordnet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an, einen Arzt aufzusuchen, dann ist in diesem Fall die Wegzeit als Dienstzeit zu bezahlen (vgl Kronberger/Kraft, PVP 2018/36).
Arztbesuch bei Gleitzeitvereinbarungen
Gleiches gilt für Arbeitnehmer mit Gleitzeitvereinbarungen. Fällt ein Arzttermin in die fiktive Normalarbeitszeit, ist dieser ein Dienstverhinderungsgrund und damit Arbeitszeit. Der Gleitzeitrahmen hat bei Dienstverhinderungen keine Bedeutung.
Telearbeit: Fällt ein Unfall auf den Weg zum Arzt unter den Versicherungsschutz?
Grundsätzlich gelten auch Unfälle als Arbeitsunfälle, die sich im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung bei Telearbeit im engeren Sinn oder bei Telearbeit im weiteren Sinn ereignen. (§ 175 Abs 1a ASVG).
Gem § 175 Abs 2 Z 2 ASVG gelten weiterhin Unfälle auf dem Weg von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte oder der Wohnung zum Arzt und zurück dann als Arbeitsunfall, wenn dem Dienstgeber der Arztbesuch vor Antritt des Weges bekanntgegeben wurde. Dh der Versicherungsschutz gilt in diesem Fall nur für Wegunfälle bei Telearbeit im engeren Sinne (§ 175 Abs 1b)
Hinweis:
Seit 1. Jänner 2025 ist anstelle des Begriffes „Homeoffice“ der Begriff „Telearbeit“ getreten. Es wird zwischen Telearbeit im engeren Sinn und Telearbeit im weiteren Sinn unterschieden.
Telearbeit im engeren Sinn (§ 175 Abs 1a Z 1 ASVG): Diese liegt vor, wenn der Arbeitnehmer
- in seiner Wohnung oder am Nebenwohnsitz (wie bisher das Homeoffice),
- in der Wohnung eines nahen Angehörigen oder
- in einem Coworking-Space arbeitet.
Telearbeit im weiteren Sinn (§ 175 Abs 1a Z 2 ASVG): Diese liegt vor, wenn der Arbeitnehmer
- an einem von ihm selbst gewählten Ort arbeitet zB im Park, Kaffeehaus etc,
- der nicht die eigene Wohnung oder Nebenwohnsitz, die Wohnung eines nahen Angehörigen oder ein Coworking-Space ist.
Unfallversicherungsschutz
- Bei Telearbeit im engeren Sinn stehen die tatsächliche Verrichtung der Arbeitsleistung sowie der Weg zur und von der Örtlichkeit der Telearbeit unter Unfallversicherungsschutz. Auch der betriebsbedingte Weg ist von der Unfallversicherung geschützt (EBRV 2597 BlgNR XXVII. GP, 4).
- Bei Telearbeit im weiteren Sinn steht lediglich die tatsächliche Verrichtung der Arbeitsleistung unter Unfallversicherungsschutz. Der Weg zur und von der selbst gewählten Örtlichkeit der Telearbeit hingegen nicht (EBRV 2597 BlgNR XXVII. GP, 5).