Ab 01.07.2023 gelten wichtige Neuerungen für grenzüberschreitende Telearbeit
Achtung: Mit 30.06.2023 laufen die COVID-19-Sonderregelungen für Auslands-Homeoffice aus. Lesen Sie worauf Arbeitgeber und Arbeitnehmer achten sollten, um nicht ungewollt eine Sozialversicherungspflicht im Wohnsitzstaat auszulösen.
Ausgangslage/Problem
Telearbeit und „Homeoffice“ bleiben auch nach der Pandemie ein beliebtes Arbeitsmodell. In grenzüberschreitenden Fällen birgt Telearbeit aber die Gefahr für Mitarbeiter, ungewollt dem Sozialversicherungsrecht des Wohnsitzstaates unterstellt zu werden.
Sozialversicherungsrecht
Grundsätzlich wirkt sich die Arbeit im Homeoffice nicht auf die Dienstnehmereigenschaft oder die Pflichtversicherung aus. Es gilt vorrangig das Territorialitätsprinzip, der Dienstnehmer kann grundsätzlich nur dem Sozialversicherungsrecht eines Staates unterliegen.
Handelt es sich um eine ausnahmsweise bzw vorübergehende Verlagerung des Arbeitsortes in einen anderen Staat, bleibt das Sozialversicherungsrecht des Beschäftigungsstaates daher aufrecht.
Um einen Einfluss auf die Sozialversicherung zu haben, muss die Homeoffice-Arbeit in einem anderen EU-Staat als dem der gewöhnlichen Beschäftigung einen wesentlichen Teil der Gesamtbeschäftigung ausmachen.
Pandemiebedingte Ausnahmeregelung – COVID-19-Sonderregelungen
Denn Homeoffice von mehr als 25 % im EU-Ausland verschiebt die gesamte Pflichtversicherung in den ausländischen Wohnsitzstaat. Ist das Homeoffice aber pandemiebedingt, kommt es zu keiner Änderung der Versicherung, selbst wenn die 25 %-Grenze überschritten wird.
Die pandemiebedingte Ausnahmeregelung war vorläufig nur bis 30.06.2022 gültig, bleibt aber für einen Übergangszeitraum bis 30.06.2023 noch weiter anwendbar.
EU-Leitfaden zur Telearbeit
Grundlage dafür ist ein EU-Leitfaden zur Telearbeit, der von der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit veröffentlicht wurde, vor allem mit der Zielsetzung, dass die Bestimmungen zur Telearbeit in den Mitgliedsstaaten einheitlich ausgelegt werden.
Definiert wird die „grenzüberschreitende Telearbeit“ im EU-Leitfaden als Arbeitsleistung,
- die außerhalb der Arbeitsstätte bzw des Betriebsgeländes
- in einem anderen EU-Mitgliedstaat als jenem der üblichen Arbeitsstätte
- unter Einsatz von Informationstechnologie (um mit der Arbeitsumgebung des Unternehmens und anderer Beteiligter bzw mit Kunden verbunden zu bleiben)
erbracht wird. Vorausgesetzt wird weiters eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und die ausschließliche Erbringung von Leistungen, die der Arbeitnehmer üblicherweise am Arbeitsplatz erbringt.
Anwendbar ist der EU-Leitfaden grundsätzlich seit 01.07.2022, die COVID-19-Sonderregelungen werden aber bis 30.06.2023 für weiterhin anwendbar erklärt.
Sozialversicherungspflicht (Homeoffice im EU-Ausland)
Bei Homeoffice im EU-Ausland bleibt die Sozialversicherungspflicht demnach in Österreich in folgenden Fällen aufrecht:
- Bei einem Ausnahmeantrag, also wenn die Interessen des Dienstnehmers dafür sprechen (Art 16 Abs 1 der VO [EG] 883/2004)
- Bei keiner wesentlichen Tätigkeit im EU-Wohnsitzstaat, also weniger als 25 % in einem Zeitraum von 12 Monaten (Art 13 Abs 1 lit a der VO [EG] 883/2004) oder
- Wenn das Homeoffice pandemiebedingt erfolgt (dies jedenfalls bis 30.06.2023)
Achtung:
Ab dem 01.07.2023 kann die grenzüberschreitende Telearbeit aber zu einer Änderung des zuständigen Staates führen, wenn ein wesentlicher Teil der beruflichen Tätigkeit im Homeoffice erledigt wird; ein „wesentlicher Teil“ wird – gemessen an der Arbeitszeit und/oder am Einkommen – mit 25 % der Gesamttätigkeit beziffert.
Vorgehen nach Auslaufen der COVID-19-Sonderregelungen, Beispielfall Rahmenvereinbarung Deutschland – Österreich
Deutschland und Österreich haben darauf bereits reagiert und eine Rahmenvereinbarung geschlossen, wonach Beschäftigte,
- die ihre Tätigkeit zu mehr als 40 % in Telearbeit ausüben,
- einen Antrag auf Ausnahmevereinbarung nach Art 16 der EG-Verordnung Nr 883/2004 stellen
und somit erreichen können, dass die Rechtsvorschriften des Arbeitgeberstaates und nicht des Wohnsitzstaates anwendbar bleiben.
Beispiel:
Herr Mustermann arbeitet im Unternehmen in Österreich. Es wird vereinbart, dass Herr Mustermann von seiner 5-Tage-Woche 2 Tage pro Woche Telearbeit von seinem Wohnsitz in Deutschland aus leisten kann. Das Unternehmen und Herr Mustermann möchten, dass weiterhin die österreichischen Rechtsvorschriften anzuwenden sind.
Die Telearbeit beträgt 40 % der Gesamttätigkeit. Das Unternehmen und der Arbeitnehmer können beim DVSV einen Antrag auf Basis der in Rede stehenden Rahmenvereinbarung stellen, sodass Herr Mustermann weiterhin in Österreich sozialversichert bleibt.
Die Rahmenvereinbarung sollte zwar grundsätzlich mit 01.01.2023 in Kraft treten, da bis 30.06.2023 aber die COVID-19-Ausnahmeregelungen anwendbar bleiben, gelten diese vorrangig weiter. Die neu getroffene Rahmenvereinbarung greift daher frühestens ab dem 01.07.2023.
Praxistipp:
Bislang gibt es eine entsprechende Vereinbarung nur zwischen Österreich und Deutschland und zwischen Österreich und Tschechien, es ist aber davon auszugehen, dass vergleichbare Regelungen auch mit anderen Ländern getroffen werden. Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist also anzuraten, rechtzeitig die aktuelle Rechtslage zu prüfen und Anträge auf Ausnahmevereinbarungen beim zuständigen Versicherungsträger jenes Staates, dessen Rechtsvorschriften anwendbar bleiben sollen, zu stellen (in Österreich wäre dies der Dachverband der Sozialversicherungen, 1030 Wien).