Eine Untote im Gesellschaftsrecht: Die Spuren einer britischen Limited in der Judikatur
Der Brexit liegt schon einige Jahre zurück, die englische „Limited“ geistert aber immer noch durch die Judikatur. Lesen Sie im Gastbeitrag von RA Mag. Georg Streit, welche Risiken für Träger dieser Gesellschaften bestehen.
Noch immer finden sich zahlreiche Unternehmen mit dem Rechtsformzusatz „LTD“ bzw „Ltd“ im österreichischen Firmenbuch[1]. Auch nach der Klarstellung des OGH, dass eine Limited, die in Folge des Brexits ihrer Rechtsfähigkeit verlustig gegangen ist, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Österreich anzusehen (oder in Ermangelung mehrerer Gesellschafter als Einzelunternehmen fortzuführen) ist[2], beschäftigt die englische Limited immer wieder die Gerichte.
Die Träger dieser Gesellschaften gehen ein erhebliches Haftungsrisiko ein, wie man im Beitrag No more Limits: Das Schicksal einer britischen „Limited“ mit Sitz in Österreich nach dem Brexit nachlesen kann.
Anlassfall Insolvenz
Die Motivation der Protagonisten für die Wahl einer englischen Limited als Rechtsform für ihre Unternehmenstätigkeit war im Fall, der jüngst vom OGH entschieden wurde[3], die Möglichkeit der Vermeidung von Haftungen bei gleichzeitig geringen Gründungskosten (jedenfalls gegenüber einer GmbH im österreichischen Recht). Die Eintragung der nach englischem Recht errichteten Limited im österreichischen Firmenbuch scheiterte allerdings, weshalb sich die Gesellschafter entschlossen, eine inländische GmbH zu gründen, deren einzige Gesellschafterin aber die Limited sein sollte. Das klappte. Das Stammkapital der Gesellschaft wurde zur Hälfte einbezahlt und im Innenverhältnis von den beiden Gesellschaftern der britischen Limited jeweils zur Hälfte getragen. Die Limited fungierte also als Treuhänderin für diese. Explizit stellten die Gerichte übrigens fest, dass Zweck dieser Treuhandhaltung die Verschleierung der wirtschaftlichen Verhältnisse der GmbH war.
Als die österreichische GmbH letztlich insolvent war und über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wurde, war noch ein Viertel der gesamten Stammeinlage, nämliche die Hälfte des von einem Gesellschafter übernommenen Anteils offen. Darauf erhob die Masseverwalterin der GmbH Anspruch und klagte diesen Gesellschafter auf Bezahlung der offenen Stammeinlage.
Die englische Limited war zu diesem Zeitpunkt (schon vor dem Brexit) aus dem englischen Register gelöscht worden, aber immer noch im österreichischen Firmenbuch als Gesellschafterin eingetragen.
Haftung des Treugebers für die Volleinzahlung des Stammkapitals?
Die Masseverwalterin klagte jenen Gesellschafter[4], der keine Vollzahlung des Stammkapitals geleistet hatte und darüber hinaus de facto die Geschäfte der Gesellschaft geführt hatte, mit der Begründung, nach Löschung der Limited habe eine Restgesellschaft als OG weiterbestanden. Damit hatte sie zwei Instanzen lang Erfolg, das Erstgericht und das Berufungsgericht gaben dem Klagebegehren statt. Die Treuhandschaft der Limited für den beklagten Gesellschafter war für das Berufungsgericht eine Umgehung der Verpflichtung des Gesellschafters, die von ihm übernommene Stammeinlage in voller Höhe zu bezahlen. Die Rechtsgrundlage dafür bot § 63 Abs 1 GmbHG.
Es ließ allerdings die ordentliche Revision vor dem OGH zu. Denn die Frage, ob gegen einen faktischen Geschäftsführer einer GmbH, der über eine Treuhandkonstruktion Eigentümer eines Geschäftsanteils war, um so persönliche Haftungen zu vermeiden, Klage erhoben werden kann, war noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des OGH. Zu klären wäre, ob diese Konstruktion zur Haftung für den offenen Geschäftsanteil an der GmbH führen würde.
Klarstellung durch den OGH
Der OGH nahm die Revision an und die Gelegenheit wahr, sich neuerlich mit einer englischen Limited und dem Umgang mit ihr im österreichischen Recht auseinanderzusetzen. Der OGH sezierte den Sachverhalt ausführlich und kam zu folgenden Ergebnissen: eine Haftung des Treugebers für die von der Treuhänderin zu leistende Stammeinlage besteht nicht. Zu beurteilen war diese Frage nach inländischem Recht. Dieses normiert nach ständiger Rechtsprechung das Prinzip der Trennung von Geschäftsbeteiligung und Treuhandverhältnis voneinander. Die Gesellschafterposition gegenüber der Gesellschaft nimmt – bei offener wie verdeckter Treuhand – allein der Treuhänder ein. Nur er allein ist als Gesellschafter aktiv und passiv klagslegitimiert. Daraus folgt, dass aus dem Vorliegen eines Treuhandverhältnisses keine Haftung des Treugebers für die Leistung der Stammeinlage durch den Treuhänder abzuleiten ist. Denn schließlich hat der Treugeber mindestens ebenso zu beachtende Interessen, nach außen hin nicht in Erscheinung zu treten, wie die Gesellschaft an der Volleinzahlung des Stammkapitals. Daran ändert auch nichts, dass der Treugeber geschäftsführerähnliche Positionen ausübte, de facto sogar die Geschäftsführung innehatte.
Dieses Trennungsprinzip wird nur dann durchbrochen (und der Treugeber somit haftbar), wenn die Zwischenschaltung eines Treuhandgebers offenkundig in Umgehungs- oder Missbrauchsabsicht erfolgte, etwa wenn der Treuhänder (als „Strohmann“) von vornherein nicht über die erforderlichen wirtschaftlichen Mittel verfügte, um seiner Verpflichtung zur Leistung der Stammeinlage nachzukommen. Damit entschied der OGH auch gleich eine in der wissenschaftlichen Literatur bislang kontrovers beurteilte Frage[5]. Im gegenständlichen Fall war die Treuhandkonstruktion nicht unter dem erwähnten Ausnahmetatbestand zu subsumieren, sodass eine Haftung des Gesellschafters, der (mittelbar) seine Stammeinlage zur Hälfte schuldig blieb, ausschied.
Die Rechtsnatur der Untoten
Der OGH nahm die Gelegenheit wahr, sich auch mit dem Schicksal einer aus dem englischen Register gelöschten Limited, die noch im österreichischen Firmenbuch als Gesellschafterin einer GmbH eingetragen war, Stellung zu nehmen. Vor dem Brexit entstand in einem solchen Fall eine mit der gelöschten Limited nicht idente österreichische juristische Person, die er als Restgesellschaft bezeichnet[6], die nur beschränkt und für die jedenfalls ihre Gesellschafter (allenfalls bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts- oder Personengesellschaft) nicht haften.
Nach dem Brexit hingegen ist die Rechtslage, wie schon oben erwähnt, anders zu beurteilen. In diesem Fall wandelt sich die Limited in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bzw in ein Einzelunternehmen um[7].
Für allerdings bereits vor dem Brexit aus dem englischen Register gestrichene Limiteds ändert auch der Brexit nichts. Aus der – einer juristischen Person vergleichbaren – Restgesellschaft wird keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Die englische Limited ist also, selbst wenn sie längst aus dem englischen Register gelöscht ist, immer noch im österreichischen Recht präsent und geistert als Untote durch die Judikatur. Selbst der Brexit konnte diesen Spuk nicht verhindern.
Autor
Mag. Georg Streit ist Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG (Wien).
Link auf die Website: https://www.h-i-p.at/
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Fußnoten:
[1] Am 15.03.23 waren es insgesamt 240 Unternehmen, die in der Firma den Zusatz „LTD/Ltd“ führten und 280 Unternehmen, die unter „Limited/LIMITED“ firmierten – die meisten davon mit Sitz in Österreich, die wenigsten mit Sitz im Vereinigten Königreich, einige Unternehmen sind auch Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten der EU, wie Irland, Malta oder Zypern oder auch Unternehmen aus China und den USA.
[2] OGH 27.01.2022, 9 Ob 74/21d, OGH 24.05.2022, 10 Ob 41/21h
[3] OGH 25.01.2023, 6 Ob 31/22k
[4] bzw nach dessen Tod die Verlassenschaft.
[5] Vgl Schopper in Straube/Ratka/Rauter, Wiener Kommentar zum GmbHG, § 63 Rn 12 einerseits und F. Schumacher in Torggler, GmbHG, § 63 Rn 3.
[6] 6 OB 178/14s.
[7] Rechtssatz 0134015.