29.10.2021 | Gesellschaftsrecht | ID: 1102411

Insolvenzverschleppung: Haftung des De-facto-Geschäftsführers einer GmbH?

Eva-Maria Hintringer

Der „faktische Geschäftsführer“ ist verpflichtet, auf den formellen Geschäftsführer dahingehend einzuwirken, dass dieser seinerseits seine Pflicht zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens erfüllt.

Geschäftszahl

OGH 19.05.2021, 17 Ob 5/21s

Norm

§ 69 IO

Leitsatz

Quintessenz:

Der „faktische Geschäftsführer“ ist verpflichtet, auf den formellen Geschäftsführer dahingehend einzuwirken, dass dieser seinerseits seine Pflicht zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens erfüllt. Für den Fall der Konkursverschleppung ist nach teleologischer Interpretation des § 69 Abs 3 IO eine Orientierung an der formellen Organfunktion geboten. Der „faktische Geschäftsführer“ muss daher dauerhaft und ausgeprägt die Rolle eines zum Insolvenzantrag legitimierten Organs erfüllen.

OGH: Der „faktische Geschäftsführer“ („De-facto-Geschäftsführer“) hat nach hM auf den formellen Geschäftsführer („De-iure-Geschäftsführer“) aktiv einzuwirken, damit dieser seiner Pflicht nach § 69 Abs 2 iVm Abs 3 IO zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens nachkommt.

Unter einem „faktischen Geschäftsführer“ ist nach der Rsp zumeist eine Person zu verstehen, die – ohne wirksam zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein – das Unternehmen leitet oder (zumindest) maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt. Ob es sich bei dieser Person um einen Angestellten, Gesellschafter, Angehörigen oder Außenstehenden handelt, ist nach der Judikatur nicht entscheidend. Das Vorliegen einer „faktischen Geschäftsführung“ wird häufig dann bejaht, wenn die eigentlich bestellten Geschäftsführer als Strohmänner ihre Organfunktionen nicht ausüben und an ihrer Stelle ein anderer (meist ein Mehrheitsgesellschafter) die Gesellschaft tatsächlich leitet. Notwendig ist nach der Rsp zumeist ein nach außen erkennbarer Auftritt entsprechend einem Geschäftsführer.

Aus der Teleologie des § 69 Abs 3 IO ergibt sich für den Fall der Konkursverschleppungshaftung eine Orientierung an der formellen Organfunktion. Beim „faktischen Geschäftsführer“ muss es sich daher um eine Person handeln, die dauerhaft und ausgeprägt den Platz eines zum Insolvenzantrag legitimierten Organs einnimmt.

Im vorliegenden Fall führte das Auftreten der Zweitbeklagten nicht dazu, dass der Erstbeklagte als formeller Geschäftsführer so sehr in den Hintergrund trat, dass sein Aufgabenkreis in der GmbH vernachlässigbar gewesen wäre oder er seine Organfunktion nicht ausgeübt hätte. Vielmehr war er für wesentliche Bereiche zuständig, insbesondere für die gerade für die Verantwortlichkeit nach § 69 IO entscheidenden Finanzangelegenheiten der GmbH. Dass bestimmte Tätigkeiten von der Zweitbeklagten übernommen wurden, stellte bloß eine Aufgabendelegierung an eine Angestellte der GmbH dar. Da es nicht unüblich ist, dass Angestellte Aufgaben übernehmen, bei denen sie den Rechtsträger nach außen zu vertreten haben, könnte selbst dann noch keine faktische Geschäftsführung angenommen werden, wenn die Zweitbeklagte in ihrem Agendenkreis selbstständig Entscheidungen getroffen hätte.

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