Zur Notariatsaktspflicht beim Wechsel des Treugebers
Dr. Stefan Schermaier und Mag. Florian Schönberg erläutern anhand einer aktuellen OGH-Entscheidung, in welchen Fällen die Übertragung der Treugeberstellung der Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG bedarf.
OGH 21.02.2024, 6 Ob 66/23h
Eine in der Praxis und Lehre bereits oft diskutierte Frage ist, ob beim Wechsel des Treugebers von treuhändig gehaltenen Geschäftsanteilen an einer GmbH die Formvorschriften des § 76 Abs 2 GmbHG zur Anwendung gelangen. Die nunmehr ergangene Entscheidung des OGH vom 21.02.2024 zu 6 Ob 66/23h stellt klar, dass die Formvorschriften auch dann zur Anwendung gelangen, wenn lediglich das wirtschaftliche Eigentum an einem Geschäftsanteil übertragen wird und dieser weiter – wie bisher – von einem Treuhänder treuhändig gehalten werden soll.
1. Sachverhalt
Dieser Entscheidung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
2004 gründeten der Kläger und A eine GmbH, an der die beiden jeweils zur Hälfte beteiligt waren (im Folgenden kurz die „Gesellschaft“). Im Jahr 2010 errichteten sowohl der Kläger als auch A als Treugeber mit der U GmbH als Treuhänderin (im Folgenden kurz die „Treuhänderin“), jeweils über ihren gesamten an der Gesellschaft gehaltenen Geschäftsanteil einen Treuhand- und einen Abtretungsvertrag in Notariatsaktsform. In der Folge hielt die Treuhänderin die Geschäftsanteile jeweils treuhändig für den Kläger und für A.
Nachdem es im Jahr 2014 zu einem Konflikt zwischen dem Kläger und A gekommen war, wurde besprochen, dass der Kläger das wirtschaftliche Eigentum am Geschäftsanteil von A übernehmen bzw später eine Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile an der Gesellschaft an die Ehefrau des Klägers, die spätere Beklagte, erfolgen soll. Im Jänner 2015 schlossen der Kläger und A über den von A wirtschaftlich gehaltenen Geschäftsanteil an der Gesellschaft ein schriftlicher Abtretungsvertrag ab. Erst im Jahr 2021 errichteten der Kläger und A über diesen Vorgang einen Abtretungsvertrag in Form eines Notariatsakts. Durch das Ausscheiden von A aus dem Unternehmen im Jänner 2015 war der Kläger alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft. Wie beabsichtigt übertrug der Kläger sodann – nur mündlich – das wirtschaftliche Eigentum an sämtlichen von ihm wirtschaftlich an der Gesellschaft gehaltenen Geschäftsanteile an die Beklagte und wurde, weil diese Geschäftsanteile weiterhin von der Treuhänderin gehalten werden sollten, Ende Jänner 2015 eine schriftliche (nicht in Notariatsaktsform) Treuhandvereinbarung zwischen der Beklagten und der Treuhänderin abgeschlossen.
Im Jahr 2019 kam es zu Differenzen zwischen den Streitteilen und 2020 zur Scheidung. Im Februar 2019 legte der Kläger seine Funktion als Geschäftsführer der Gesellschaft zurück. Die Beklagte vertrat ab diesem Zeitpunkt die Gesellschaft als Geschäftsführerin alleine. Im März kündigte die Treuhänderin das Treuhandverhältnis und wurde (in Notariatsaktsform) ein Abtretungsvertrag abgeschlossen, mit welchem die U GmbH sämtliche Geschäftsanteile an der Gesellschaft an die Beklagte übertrug. Dieser Gesellschafterwechsel wurde auch in das Firmenbuch eingetragen.
Der Kläger begehrt sodann, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm den einer vollständig geleisteten Stammeinlage von EUR 35.000,– entsprechenden Geschäftsanteil an der Gesellschaft zu übertragen. Der Kläger behauptet, dass im Zuge der entgeltlichen Übernahme des Geschäftsanteils von A durch den Kläger die bestehende Treuhandschaft an den Geschäftsanteilen der Gesellschaft in eine „doppelstöckige“ Treuhandschaft umgewandelt worden sei. Es sei daher tatsächlich nicht zu einer Abtretung des wirtschaftlichen Eigentums an den Geschäftsanteilen der Gesellschaft an die Beklagte gekommen. Die Beklagte bestritt dies und brachte im Wesentlichen vor, dass eine Treuhandvereinbarung zwischen den Streitteilen nie zustande gekommen sei.
2. Entscheidungen des 1. und 2. Gerichts
Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Formgebot des § 76 Abs 2 GmbHG finde auf den Treuhandvertrag und die dem Treuhänder und dem Treugeber daraus typischerweise erwachsenden Verpflichtungen – wie auch die Rückübertragungspflicht des Treugebers – keine Anwendung. Sowohl die (vorerst mündliche) Abtretung des Geschäftsanteils an der Gesellschaft von A an den Kläger sowie in weiterer Folge die Abtretung sämtlicher Geschäftsanteile an der Gesellschaft durch vom Kläger an die Beklagte seien formwirksam zustande gekommen. Das Berufungsgericht bestätigte im Ergebnis diese Entscheidung und führte aus, dass dem Kläger kein vertraglicher Herausgabeanspruch gegenüber der Beklagten zustünde. Letztlich wäre das Klagebegehren auch insoweit unschlüssig – so man von einer Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG ausgehen würde – als, bereits die im Jahr 2015 (vorerst) mündliche Übertragung des von A an der Gesellschaft gehaltenen Geschäftsanteils an den Kläger unwirksam gewesen wäre und dieser sodann nicht sämtliche Geschäftsanteile an der Gesellschaft (vor Abschluss eines entsprechenden Notariatsakts) überhaupt an die Beklagte übertragen hätte können. Er habe diesen daher nicht wirksam bereits im Jahr 2015 an die Beklagte übertragen können. Insoweit hätte die Beklagte nie wirtschaftliche Eigentümerin werden können und könne daher das Klagebegehren auch nicht erfüllen.
3. Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
Aus dem vorliegenden Sachverhalt schloss der OGH, dass es durch die Schenkung die Übertragung jener (gesamten) Rechtsposition, die der Kläger als Treugeber innehatte, an die Klägerin beabsichtigt war und diese einen Treugeberwechsel bewirken soll. Dennoch stellt der OGH nunmehr eindeutig fest, dass bei treuhändig gehaltenen GmbH‑Geschäftsanteilen die Übertragung der Treugeberstellung der Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG unterliegt. Unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung zu § 76 Abs 2 GmbHG führte der OGH hierzu aus, dass die Formvorschrift vor allem die Immobilisierung der Geschäftsanteile, den Schutz der Parteien beim Erwerb einer Beteiligung vor Übereilung sowie die Sicherstellung, dass die Identität der jeweiligen Gesellschafter festgestellt werden kann, bezweckt (vgl RIS-Justiz RS0060256). Allerdings findet bei treuhändig gehaltenen GmbH‑Geschäftsanteilen das Formgebot des § 76 Abs 2 GmbHG auf den Treuhandvertrag keine Anwendung falls das Treugut bereits wirtschaftlich dem Treugeber zugeordnet ist (vgl RIS-Justiz RS0010442).
Demgegenüber stellte der OGH aber erneut klar, dass das Formgebot des § 76 Abs 2 GmbHG die Formbindung der Veränderung der wirtschaftlichen Zuordnung des Geschäftsanteils bezweckt und verwies auf die bereits ergangene Rechtsprechung zur Vereinbarungstreuhand. Demnach unterliegt die Vereinbarungstreuhand aufgrund der damit verbundenen wirtschaftlichen Übertragung des Treuguts (der bisherige Gesellschafter soll die von ihm gehaltenen Geschäftsanteile nicht mehr wie bisher auf eigene Rechnung, sondern in Hinkunft auf Rechnung des Treugebers halten) dem Formgebot des § 76 Abs 2 GmbHG.
Daraus folgend schloss der OGH, dass auch mit einem Wechsel des Treugebers eine Veränderung der wirtschaftlichen Zuordnung verbunden ist und daher die Übertragung der Treugeberstellung nur unter Einhaltung der Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG möglich ist.
Zur Entscheidung führten letztendlich auch die bereits bestehende und für den OGH überzeugende Judikatur in Deutschland.
Im gegenständlichen Fall folgte für den OGH daraus, dass mit der mündlichen Schenkung an die Beklagte nicht die in § 76 Abs 2 GmbHG geforderte Publizität hergestellt werden konnte. Außerdem sei die spätere notarielle Übertragung der von der Treuhänderin gehaltenen Anteile an die Beklagte nur aufgrund der Kündigung des Treuhandvertrags durch die Treuhänderin erfolgt und stelle diese somit lediglich das (formpflichtige) Verfügungsgeschäft zu dem aus der Treuhandvereinbarung mit der Beklagten folgenden (grundsätzlich formfreien) Rückübertragungsanspruch der Beklagten als Treugeberin gegenüber der Treuhänderin dar.
Im vorliegenden Fall ist schon mangels Einhaltung der Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG eine wirksame Übertragung der an der Gesellschaft gehaltenen Geschäftsanteile nicht erfolgt und wurde die Beklagte daher verpflichtet sämtliche Geschäftsanteile an der Gesellschaft an den Kläger zu übertragen.
4. Conclusio
In der gegenständlichen Entscheidung bestätigte nunmehr der OGH die in der Literatur bereits länger vorherrschende Meinung, dass bei treuhändig gehaltenen GmbH‑Geschäftsanteilen die Übertragung der Treugeberstellung der Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG bedarf. Überzeugend sind für uns insbesondere die Gedanken des OGH zum Formzweck, aber der vom OGH gezogene Größenschlusses zur bereits ergangenen Judikatur in Zusammenhang mit der Vereinbarungstreuhand.
Autoren
Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Mag. Florian Schönberg Rechtsanwalt bei TONNINGER | SCHERMAIER & Partner Rechtsanwälte (http://www.ts.at). Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Vertragsrecht.