11.07.2024 | Gesellschaftsrecht | ID: 1178138

Aufrechnung gegen Rückersatzansprüche aus verbotener Einlagenrückgewähr

Florian Linder - Lukas Schenk

MMag. Dr. Florian Linder und Dr. Lukas Schenk erläutern die Grenzen des Aufrechnungsverbots sowie Folgefragen der exekutiven Durchsetzung des Rückersatzanspruchs der Gesellschaft anhand einschlägiger Rechtsprechung.


Bei einer verbotenen Einlagenrückgewähr steht der Gesellschaft gem § 83 Abs 1 GmbHG sowie nach Bereicherungsrecht ein Rückersatzanspruch gegen den Gesellschafter zu. Hat der Gesellschafter Gegenforderungen gegen die Gesellschaft, so kann er nach der Rechtsprechung damit gegen den Rückersatzanspruch nicht aufrechnen (Aufrechnungsverbot). Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit Umfang und Grenzen des Aufrechnungsverbots und Folgefragen der exekutiven Durchsetzung des Rückersatzanspruchs der Gesellschaft.

Verbotene Einlagenrückgewähr – Rückersatzanspruch

Die Gesellschafter einer GmbH können ihre Stammeinlage nicht zurückfordern; sie haben, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den nach dem Jahresabschluss sich ergebenden Bilanzgewinn, soweit dieser nicht aus dem Gesellschaftsvertrag oder durch einen Beschluss der Gesellschafter von der Verteilung ausgeschlossen ist (§ 82 Abs 1 GmbHG). Gesellschafter, zu deren Gunsten gegen die Vorschriften des GmbHG, gegen die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages oder entgegen einem Gesellschaftsbeschluss Zahlungen von der Gesellschaft geleistet worden sind, sind der Gesellschaft zum Rückersatz verpflichtet (§ 83 Abs 1 GmbHG). Eine Rückzahlungspflicht der Gesellschafter entfällt nur bei gutgläubigem Bezug von Gewinnanteilen. Auch im Aktienrecht gilt das Verbot der Einlagenrückgewähr gem § 52 AktG und der AG steht ein Rückersatzanspruch analog § 83 GmbHG zu. Die Aktionäre haften – im Gegensatz zu GmbH-Gesellschaftern – sogar unmittelbar gegenüber den Gesellschaftsgläubigern (§ 56 AktG). Der Rückersatzanspruch gem § 83 GmbHG verjährt in fünf Jahren (§ 83 Abs 5 GmbHG).

Bereicherungsrechtlicher Anspruch

Da ein gegen §§ 82 GmbHG, 52 AktG verstoßendes Rechtsgeschäft nichtig iSd § 879 ABGB ist, steht der Gesellschaft daneben (parallel) ein Rückersatzanspruch nach allgemeinem Bereicherungsrecht zu. Der Bereicherungsanspruch verjährt in 30 bzw 40 Jahren (§§ 1472, 1485 ABGB).

Keine Aufrechnung mit Gegenforderungen

Hat der Gesellschafter Gegenforderungen gegen die Gesellschaft, dann stellt sich die Frage, ob er gegen die Rückersatzanspruch aus verbotener Einlagenrückgewähr aufrechnen kann. Der OGH hat in der Grundsatzentscheidung vom 26.04.2016, 6 Ob 72/16f dazu ausgeführt, dass unrechtmäßige Zahlungen das Gesellschaftsvermögen vermindern und dadurch der Haftungsfonds der Gläubiger geschmälert wird, daher sei die Pflicht zur Rückerstattung unrechtmäßig erlangter Zahlungen weit auszulegen. Ebenso wie die ursprüngliche Aufbringung der Stammeinlage gem § 63 Abs 3 Satz 2 GmbHG nicht durch Aufrechnung erfolgen könne, sei auch eine Aufrechnung gegen Ansprüche aus der verbotenen Rückgewähr von Einlagen nicht zulässig. Der Zweck des § 83 GmbHG liege eindeutig darin, der Gesellschaft das ihr entzogene Kapital alsbald wieder zu verschaffen. Dieser Gesetzeszweck stehe einer Aufrechnung des Gesellschafters mit Gegenforderungen entgegen (Aufrechnungsverbot).

Grenzen des Aufrechnungsverbots

In Folgeentscheidungen hat der OGH das Aufrechnungsverbot dahingehend präzisiert, dass es nur gegenüber dem gesellschaftsrechtlichen Rückersatzanspruch gem § 83 Abs 1 GmbHG gilt. Stützt sich die Gesellschaft hingegen auf allgemeines Bereicherungsrecht – etwa deshalb, weil der Anspruch gem § 83 Abs 1 GmbHG schon verjährt ist – dann besteht das Aufrechnungsverbot nicht und der Gesellschafter kann außergerichtlich oder im Prozess mit seinen Gegenforderungen aufrechnen (OGH 21.12.2017, 6 Ob 206/17p ua). Dies gilt auch bei einer GmbH & Co KG (OGH 6 ob 128/17t).

Das Aufrechnungsverbot gilt ferner nur für den Gesellschafter. In der Entscheidung 6 Ob 84/17x stellte der OGH klar, dass § 63 Abs 3 GmbHG einer Aufrechnung durch die Gesellschaft nicht entgegensteht (im konkreten Fall: „Glattstellung von Verrechnungskonten“). Dies gilt auch im Anwendungsbereich des § 83 Abs 1 GmbHG (OGH 6 Ob 128/17t). Die Aufrechnung durch die Gesellschaft – einseitig oder durch Abschluss eines Aufrechnungsvertrags – ist zulässig, wenn die Gesellschafterforderung unbestritten, fällig und vollwertig ist. Vollwertigkeit fehlt insbesondere, wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig ist (RIS-Justiz RS0059967).

Folgen für das Exekutionsverfahren

Hat die Gesellschaft über ihren Rückersatzanspruch einen rechtskräftigen Titel erlangt, dann stellt sich die Frage, ob der Gesellschafter seine Gegenforderungen im Exekutionsverfahren geltend machen kann. Nach der Rechtsprechung stellt eine Aufrechnung grundsätzlich einen Oppositionsgrund nach § 35 Abs 1 EO dar (OGH 3 Ob 172/00s). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Aufrechnung nach materiellem Recht zulässig sein muss (RIS-Justiz RS0000765). Im Zusammenhang mit beschränkt pfändbaren Unterhaltsforderungen hat der OGH ausgeführt, dass eine Aufrechnung gegen den unpfändbaren Teil nur unter den Voraussetzungen des § 293 Abs 3 EO zulässig ist (Einbringung eines Vorschusses, einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Gegenforderung oder einer vorsätzlich verursachten Schadenersatzforderung). Die Aufrechnung gegen den pfändbaren Teil einer gesetzlichen Unterhaltsforderung ist hingegen unbeschränkt zulässig (OGH 3 Ob 80/03s).

Rechtsprechung zu exekutiv betriebenen Rückersatzansprüchen aus verbotener Einlagenrückgewähr liegt soweit ersichtlich nicht vor. Aus den oben genannten Grundsätzen und der Rechtsprechung zur EO ist allerdings Folgendes abzuleiten:

  • Betreibt die Gesellschaft im Wege des Exekutionsverfahrens einen Rückersatzanspruch gem § 83 Abs 1 GmbHG, dann besteht das Aufrechnungsverbot. Der Gesellschafter kann daher auch nicht mit Verweis auf seine Gegenforderungen eine Oppositionsklage erheben. Ein Oppositionsgrund liegt nicht vor, weil die Aufrechnung hier nach materiellem Recht nicht zulässig ist. Vergleichbare Ausnahmen wie nach § 293 Abs 3 EO für Unterhaltsansprüche bestehen bei einer Einlagenrückgewähr nicht. Dabei ist es auch unerheblich, ob die Gegenforderung vor oder nach dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung 1. Instanz entstanden ist.
  • In diesem Fall muss der Gesellschafter zahlen bzw wird sein Vermögen im Weg des Exekutionsverfahrens verwertet; seine Gegenforderung muss er unabhängig davon geltend machen und allenfalls selbst ein Exekutionsverfahren gegen die Gesellschaft führen.
  • Es ändert unseres Erachtens selbst dann nichts an diesem Befund, wenn der Gesellschafter seine Gegenforderung im Titelverfahren im Weg der Widerklage geltend gemacht hat und im Urteil sowohl dem Rückersatzanspruch der Gesellschaft als auch den Gegenforderungen des Gesellschafters stattgegeben werden. Der OGH hat in einer solchen Konstellation (außerhalb des Verbots der Einlagenrückgewähr) zwar das Bestehen eines Oppositionsgrunds bejaht, selbst wenn noch keine Aufrechnungserklärung erfolgt ist (OGH 3 Ob 172/00s). Allerdings stellt der OGH auch in dieser Entscheidung darauf ab, ob die Aufrechnung nach materiellem Recht zulässig ist oder nicht.
  • Fraglich ist, ob der Gesellschafter den Rückgewähranspruch der Gesellschaft gegen sich selbst im Weg der Exekution pfänden und sich überweisen lassen könnte (diese Möglichkeit allgemein diskutierend OGH 3 Ob 172/00s). Nach hA ist die Verwertung der Stammeinlageforderung gem § 63 GmbHG mittels Exekution durch einen Drittgläubiger zulässig (OGH 8 Ob 604/91; Pelinka in FAH, GmbHG² § 63 Rz 26). Ob dies auch für die Pfändung des Rückersatzanspruchs durch den ersatzpflichtigen Gesellschafter selbst gilt, ist allerdings unklar. Dagegen könnte der Zweck sprechen, der Gesellschaft die entzogenen Mittel alsbald wieder zu verschaffen. Der OGH hat zudem die Abtretbarkeit des Rückgewähranspruchs an den Gesellschafter verneint, wenn dafür keine werthaltige Gegenleistung erbracht wird (OGH 6 Ob 114/17h).
  • Führt die Gesellschaft hingegen Exekution aufgrund eines Titels, der lediglich auf allgemeines Bereicherungsrecht gestützt ist, dann kann der Gesellschafter die Aufrechnung erklären und die Oppositionsklage erfolgreich auf seine Gegenforderungen stützen. Nach allgemeinen Grundsätzen ist hier nur erforderlich, dass der Gesellschafter die Aufrechnung nicht schon im Titelverfahren hätte erklären können – dann ist eine Oppositionsklage allgemein ausgeschlossen (Simotta in Garber/Simotta, EO § 35 Rz 43).

Autoren

MMag. Dr. Florian Linder

MMag. Dr. Florian Linder ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk Nau & Linder Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Wien/Mödling. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien und ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarktrecht. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht und Liegenschafts-, Miet- und Wohnrecht.

Florian.linder@vbsn.at

Dr. Lukas Schenk

Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk Nau & Linder Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Umstrukturierungen-Umgründungen, Gesellschaftsrecht einschließlich Gesellschafterkonflikt und Geschäftsführerberatung, Gewerberecht sowie Arbeitsrecht.

Lukas.schenk@vbsn.at

Link auf Website: https://www.vbsn.at/

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