20.06.2024 | Arbeitssicherheit & Brandschutz | ID: 1175976

Maschinensicherheit: Warum werden Schutzeinrichtungen manipuliert?

Christian Schenk - Stefan Krähan - WEKA (cva)

Ein Viertel aller Arbeitsunfälle ist – nach Einschätzung von Maschinensicherheits-Experten der DGUV – auf manipulierte Schutzeinrichtungen zurückzuführen. Warum lassen Unternehmen diese Unfälle zu?

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat zwischen 2020 und 2022 eine aktuelle Folgebefragung zu einer bereits im Jahr 2006 durchgeführten Befragung vorgenommen. Dabei wollten die Autoren wissen, ob die Bereitschaft, Manipulationen an Schutzeinrichtungen vorzunehmen bzw stillschweigend zu tolerieren, immer noch so hoch ist wie im Jahr 2006. Die Ergebnisse zeigen:

  • 27,2 % der Befragten gingen davon aus, dass in ihren Betrieben ständig oder vorübergehend manipuliert wird.
  • Eine dauerhafte Manipulation gaben 10 % der Befragten an.
  • In 17,2 % der Fälle wurden Maschinenschutzeinrichtungen für die Durchführung bestimmter Tätigkeiten manipuliert und anschließend wieder in Betrieb genommen. Das heißt, die Manipulation wurde wieder rückgängig gemacht.

Maschinensicherheit: Definition von Manipulation

Unter Manipulation versteht man das Umgehen oder Unwirksam-Machen von Schutzeinrichtungen. In der Folge wird die Maschine in einer von der Herstellfirma nicht vorgesehenen Weise oder ohne notwendige Schutzmaßnahmen verwendet. Mit welchen Mitteln die Manipulation erfolgt, ist unerheblich!

Welche Branchen sind besonders betroffen?

Besonders häufig wird die Maschinensicherheit durch manipulierte Schutzeinrichtungen in den folgenden Branchen gefährdet:

  • holz- und metallverarbeitenden Unternehmen,
  • Unternehmen der chemischen Industrie sowie
  • Energie, Textil, Elektro und Medienerzeugnisse.

Welche Art von Schutzeinrichtungen sind betroffen?

  • 45,4 % der Befragten aus Unternehmen, in denen Schutzeinrichtung manipuliert wird, gaben an, dass bewegliche trennende Schutzeinrichtungen (zB Schutztüren mit der Möglichkeit zur Verriegelung) am häufigsten von Manipulation betroffen sind:
    • 39,1 % antworteten hierbei: „häufig“
    • 6,3 % antworteten sogar: „dauerhaft“
  • Bei feststehenden trennenden Schutzeinrichtungen (zB Schutzzäunen) bejahten insgesamt 32,1 % der Befragten die Manipulation („dauernd“: 4,4 %, „häufig“: 27,7 %).
  • Nicht trennende Schutzeinrichtungen (zB Lichtschranken) wurden nur in 14,9 % der Fälle manipuliert („dauernd“: 1,3 %, „häufig“: 13,6 %).

Gründe für die Manipulation

In der Praxis zeigt sich oftmals das Bild, das eine Maschine möglichst schnell produzieren soll. Des Weiteren muss die Maschine „ständig“ verfügbar sein, es darf kaum zu Stillstandszeiten kommen und die Maschine muss auch kostengünstig sein. Und sicher muss sie natürlich auch noch sein!

Deshalb wird oft erst am Ende der Konstruktionsphase die Schutzeinrichtung auf die fertige Maschine aufgesetzt. Des Öfteren behindern solche nachträglich „hineinkonstruierten“ Lösungen den Maschinenbediener. So kann im laufenden Betrieb die gewünschte Taktrate nicht mehr erreicht werden, da zB das ständige Öffnen und Schließen von Schutztüren zu viel Zeit kostet. Oder die erforderliche Sicht auf den Produktionsprozess ist nicht mehr gegeben.

In derartigen Fällen ist vorhersehbar, dass die Maschine manipuliert wird. Dies hätte der Konstrukteur bei der Gestaltung seiner Maschine bereits berücksichtigen müssen, denn das ist eine „vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung der Maschine“.

Manipulation als Unfallursache

Ist eine Manipulation von Schutzeinrichtungen Unfallursache, haften sowohl Arbeitgeber als auch Mitarbeiter dafür, dass eine Manipulation vorgenommen worden ist. Als Arbeitgeber ist aber nicht nur die oberste Leitung zu verstehen, sondern es sind die unmittelbaren Führungskräfte, dh Vorarbeiter oder zuständige Produktionsmeister in einem Bereich, dafür verantwortlich, dass der Arbeitnehmerschutz im Unternehmen funktioniert.

Folgende Fragestellungen werden im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall an einer manipulierten Maschine gestellt werden:

  • Hat der Vorgesetzte bzw die Führungskraft die Überbrückung wahrgenommen bzw war diesem das bewusst?
  • Wurden seitens des Vorgesetzten bzw der unmittelbaren Führungskraft stichprobenweise Überprüfungen im Hinblick auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften durchgeführt?
  • Gibt es von stichprobenartigen Überprüfungen auch entsprechende Nachweise, die eine Kontrolle von Arbeitnehmerschutzvorschriften seitens des Vorgesetzten auch belegen können?
  • Wurden Überbrückungen und Manipulationen seitens des Vorgesetzten auch geduldet?
  • Wenn es bereits Verstöße gegeben hat, wurden auch entsprechende Konsequenzen für die Betroffenen vorgenommen?
  • Wurde seitens des Vorgesetzten weiterhin die Manipulation bzw die Überbrückung von Schutzeinrichtungen geduldet?

Selbst im Extremfall, wenn der Mitarbeiter trotz Ermahnungen wiederholt Arbeitsschutzvorschriften und betriebliche Regelungen verletzte, unterstellt man ihm keine Einwilligung. Bei andauernder Missachtung wird vielmehr von einer fehlenden fachlichen oder persönlichen Eignung des Mitarbeiters für die entsprechende Tätigkeit ausgegangen.

Verantwortung der Führungskraft

Damit fällt jedoch die Verantwortung wiederum auf die Führungskraft zurück, die ihn für derartige Tätigkeiten einsetzt, anstatt arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten.

Und auch Unwissenheit schützt den Vorgesetzten bzw die Führungskraft nicht vor der Verantwortung, denn dann scheint er seinen Organisationspflichten nicht nachgekommen zu sein.

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