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Obsorge bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
In einem aktuellen Judikat hat der OGH die Frage geklärt, ob bei der Übertragung der Obsorge eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings ein Abwesenheitskurator zu bestellen ist.
Ist bei einer gemeinsamen Obsorge ein Elternteil (wegen Todes, Abwesenheit, fehlender Verbindung oder Obsorgeentzugs) verhindert, geht die Obsorge auf den anderen Elternteil über. Der Elternteil ist daher unmittelbar kraft Gesetzes allein mit der Obsorge betraut und es bedarf somit keiner weiteren Entscheidung. In diesem Fall kommt es nach Wegfall der Verhinderung des -vor dem Übergang gemeinsam obsorgeberechtigten- Elternteils unmittelbar kraft Gesetzes zu dessen Wiedereintritt in die Pflichten und Rechte
Sind hingegen beide mit der Obsorge betrauten Eltern oder ein allein mit der Obsorge betrauter Elternteil verhindert, muss eine Übertragung -unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl - mit konstitutivem Beschluss erfolgen. In diesem Fall bedarf es einer förmlichen Aufhebung der Entscheidung, damit die nicht mehr verhinderten Eltern die Obsorge wieder ausüben können. Insoweit entspricht die Übertragung der Obsorge (also die Betrauung durch konstitutiv wirkenden Beschluss) nach § 178 ABGB der (teilweisen) Entziehung der Obsorge. Bei diesem Verfahren haben die Elternteile Parteienstellung, dh sie sind entweder persönlich oder durch einen Abwesenheitskurator am Verfahren zu beteiligen.
Die Bestellung eines Abwesenheitskurators muss auch "bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, zu deren Eltern der Kontakt nicht hergestellt werden kann" erfolgen. Rein verfahrensökonomische Erwägungen entbinden die Gerichte nicht von der Gewährung des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art 6 EMRK). Letzteres kann durch die Eltern persönlich oder – bei postalischer Unerreichbarkeit – durch einen Abwesenheitskurator ausgeübt werden (OGH 4Ob150/16m, 30.08.2016).