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1 Ob 73/10g; OGH; 1. Juni 2010
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.–Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Kustor, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. „H*****“ *****–GmbH & Co KG, 2. „H*****“ *****–GmbH, beide *****, und 3. Monika S*****, alle vertreten durch Appiano & Kramer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 763.738,04 sA, über die Revision der erst- und der zweitbeklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Jänner 2010, GZ 40 R 236/09s–20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 30. September 2009, GZ 4 C 794/08i–16, gegenüber der erst– und zweitbeklagten Partei abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die erst– und die zweitbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 3.721,21 (darin enthalten EUR 620,20 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung
Die Klägerin ist Vermieterin, die Erstbeklagte Mieterin von Geschäftsräumlichkeiten in Wien. Die Zweitbeklagte ist die Komplementärin der Erstbeklagten. Die Drittbeklagte, gegen die das Klagebegehren rechtskräftig abgewiesen wurde, ist Geschäftsführerin der Zweitbeklagten.
Hauptthema des Revisionsverfahrens ist, ob bereits die – im Jahr 2000 der klagenden Vermieterin bekannt gegebene – Kündigung der erstbeklagten Personengesellschaft durch einen Kommanditisten einen Machtwechsel iSd § 12a Abs 3 MRG bewirkte oder erst die Erhöhung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters der Komplementär-GmbH (Zweitbeklagte) und Kommanditisten von 50 % auf 66,67 % und ob damit das Zinsanhebungsbegehren der Klägerin nicht verfristet bzw die auf eine Verletzung der Anzeigepflicht gestützte Schadenersatzforderung gerechtfertigt ist.
Das Berufungsgericht ging im Gegensatz zum Erstgericht von der zweiten Variante aus und sprach in seinem Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren gegenüber der erst- und der zweitbeklagten Partei dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob die Anzeigepflicht das vertretungsbefugte Organ einer Mietergesellschaft treffe und dieses als natürliche Person neben der Mietergesellschaft schadenersatzpflichtig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der erst- und der zweitbeklagten Partei ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Die dem Zulassungsausspruch zu Grunde gelegte Rechtsfrage stellt sich nicht, weil die Abweisung des Klagebegehrens gegen die Drittbeklagte und Geschäftsführerin der Zweitbeklagten von der Klägerin nicht bekämpft wurde und damit rechtskräftig ist, wie auch die Revisionswerber selbst erkennen. Andere erhebliche Rechtsfragen werden in der Revision aber nicht aufgezeigt.
1. Voraussetzung für eine Anhebung des Hauptmietzinses nach § 12a Abs 3 MRG ist eine Änderung der Einflussmöglichkeit innerhalb der betroffenen Mietergesellschaft, die kumulativ sowohl für den rechtlichen als auch für den wirtschaftlichen Bereich gegeben sein muss (RIS–Justiz RS 0069560). Ein derartiger Machtwechsel in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht wird grundsätzlich dann bejaht, wenn es zum „Kippen der Mehrheitsverhältnisse“ gekommen ist (RIS–Justiz RS 0111167). Bei einer Kommanditgesellschaft wird eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten schon dann angenommen, wenn der persönlich haftende Gesellschafter ausgetauscht wird oder sich die Beteiligungsverhältnisse bei den kraft Gesetzes geschäftsführungsbefugten Komplementären entscheidend verschieben (RIS–Justiz RS 0108809; RS 0108984). Das beruht auf der Überlegung, dass bei den Personengesellschaften des Handelsrechts der persönlich haftende Gesellschafter wegen des Grundsatzes der Einzelgeschäftsführungsbefugnis auf die Geschäftstätigkeit im gesetzestypischen Fall immer einen bestimmenden Einfluss ausübt. Eine Änderung bei den Kommanditisten bewirkt aber keinen Machtwechsel (5 Ob 257/07s mwN = wobl 2009/13).
2. Die Auffassung des Berufungsgerichts zum Machtwechsel hält sich im Rahmen dieser von der Judikatur entwickelten Kriterien. Richtig ist zwar, dass bei der beklagten Mietergesellschaft die drei Kommanditisten mit den drei Gesellschaftern der Komplementär–GmbH ident waren und ihr jeweiliger Anteil an der GmbH & Co KG dem Geschäftsanteil an der GmbH entsprach. Diese Gleichschaltung sollte durch die Gesellschaftsverträge (unstrittige Urkunden Blg ./5 und ./6) insoweit garantiert werden, als diese den Übergang von Geschäftsanteilen an der GmbH nur im Fall des Übergangs der Gesellschaftsanteile an der GmbH & Co KG im gleichen Verhältnis zuließen und einen Kommanditisten im Fall seines Ausscheidens aus der GmbH & Co KG oder deren Kündigung zur Übertragung auch seines Geschäftsanteils an die Erwerber des Kommanditgesellschaftsanteils im gleichen Verhältnis verpflichteten. Dementsprechend hat der Kommanditist, der die Personengesellschaft zum 31.03.2000 aufkündigte, auch angekündigt, seiner Verpflichtung, den Gesellschaftsanteil an der Komplementär-GmbH an die beiden verbleibenden Kommanditisten oder an einen von diesen namhaft gemachten Dritten abzutreten, zu entsprechen.
3. Entgegen der Auffassung der Revisionswerber war daher zum Zeitpunkt der Kündigung noch keinesfalls völlig klar, dass sich der 50%ige Anteil einer verbleibenden Gesellschafterin an der GmbH erhöhen und dies zu einem Kippen der Mehrheitsverhältnisse führen würde: Die gesellschaftsvertraglichen Regelungen sehen eindeutig auch die Übertragung von Gesellschaftsanteilen an dritte Personen im Falle des Ausscheidens eines Kommanditisten oder der Kündigung der Personengesellschaft durch einen Kommanditisten vor. Wird aber im letzteren Fall der Geschäftsanteil des kündigenden Kommanditisten an der Komplementär–GmbH an einen Dritten übertragen, schließt der in den Gesellschaftsverträgen vorgeschriebene „Gleichklang“ ein endgültiges Anwachsen des Kommanditanteils des ausscheidenden Kommanditisten zu Gunsten der verbleibenden Gesellschafter der GmbH & Co KG aus. Gerade dies zeigt, dass eine iSd § 12a Abs 3 MRG entscheidende Änderung erst mit der Übertragung des Geschäftsanteils des ausscheidenden Kommanditisten in der notwendigen Notariatsaktform (§ 76 Abs 2 GmbHG) und durch die anschließende Eintragung dieser Übertragung im Firmenbuch bewirkt wurde.
4. Die in der Revision betonte, nach den Gesellschaftsverträgen sowohl für die GmbH als auch für die GmbH & Co KG vorgesehene Einstimmigkeit von Gesellschafterbeschlüssen zwingt nicht zu einer gegenteiligen Beurteilung. Laut § 4 Abs 1 des die GmbH & Co KG betreffenden Gesellschaftsvertrags (Blg ./5) obliegt – gesetzeskonform - die Geschäftsführung und Vertretung bei der GmbH & Co KG der Komplementärin, die wieder durch einen geeigneten Geschäftsführer vertreten wird. Richtig ist, dass der die GmbH betreffende Gesellschaftsvertrag (Blg ./6) in seinem § 5 Abs 2 Stimmeneinhelligkeit vorsieht. Nach § 5 Abs 4 richtet sich das Stimmrecht aber nach der Höhe der geleisteten Einlagen. Beschlüsse können nach § 5 Abs 5 des Gesellschaftsvertrags gefasst werden, wenn bei einer Generalversammlung wenigstens mehr als die Hälfte des eingezahlten Stammkapitals vertreten ist. Seit der Abtretung des Geschäftsanteils durch den ausscheidenden Kommanditisten und Gesellschafter der GmbH repräsentiert einer der beiden verbleibenden Gesellschafter mehr als die Hälfte des einbezahlten Stammkapitals (unstrittige Abtretungsverträge Blg ./23 und ./24), was nach den diese Gesellschaftskonstruktion betreffenden vertraglichen Regelungen eine wesentliche Änderung der Einflussmöglichkeit bedeutet.
5. Die Revision meint weiters, die Anzeigepflicht nach § 12a Abs 1 Satz 2 MRG sei durch die Bekanntgabe der Kündigung der Gesellschaft durch einen der Kommanditisten erfüllt worden. Damit übersieht sie, dass sich die Anzeige grundsätzlich auf den anspruchsrelevanten Tatbestand beziehen muss, um die Rechtsfolge der sechsmonatigen Präklusivfrist (§ 12a Abs 2 Satz 1 MRG) auszulösen. Wie bereits oben ausgeführt, ist der anhebungsrelevante Tatbestand aber erst mit der Abtretung und dem Kippen der Mehrheitsverhältnisse in der Komplementär-GmbH eingetreten. Nur bei einer völlig sicheren zukünftigen Änderung der Einflussmöglichkeit lässt die Judikatur eine „Vorausanzeige“ genügen und verzichtet auf eine weitere Anzeige (5 Ob 234/04d). Den Revisionswerbern ist zwar einzuräumen, dass nach dem festgestellten Sachverhalt die Beklagten bei einem Treffen mit dem Prokuristen der Klägerin und deren Sachbearbeiter anerkannt haben, dass (aufgrund des Ausscheidens eines Kommanditisten) ein Anhebungstatbestand gemäß § 12a Abs 3 MRG vorliege (S 22 Ersturteil) und die Klägerin daraus jahrelang keine Konsequenzen gezogen hat. Lag aber zu diesem Zeitpunkt gar kein anhebungsrelevanter Tatbestand iSd § 12a Abs 3 MRG vor, könnte ein (gemeinsamer) Irrtum der Parteien des Mietvertrags auch nicht das Recht der Vermieterin auf Anhebung des Hauptmietzinses auslösen.
6. Die einzelfallbezogene (RIS–Justiz RS 0109021 [T5]) Frage, ob die Untätigkeit der Vermieterin einen konkludenten Verzicht auf die Anzeigepflicht bedeutete, hat das Berufungsgericht in einer vertretbaren Weise gelöst. Grundsätzlich ist bei der Prüfung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn gelegen sind (RIS–Justiz RS 0014157). Auch wenn – irrtümlich – die Beteiligten der Meinung gewesen sein sollten, der Anhebungstatbestand sei bereits durch die Kündigung verwirklicht, muss eine weitere Untätigkeit der Vermieterin entgegen der Auffassung der Revision nicht zwingend einen konkludenten Verzicht auf jene Anzeigepflicht bedeuten, die letztlich erst durch den tatsächlich relevanten, der Vermieterin nicht mehr bekannt gegebenen Machtwechsel ausgelöst wurde. Diese Auffassung würde nämlich eindeutig die Möglichkeit des Vermieters, endgültig zu entscheiden, welcher Vorgang in einer Gesellschaft eine Anhebung des Hauptmietzinses rechtfertigt, beeinträchtigen.
7. Als weiteres Argument halten die Revisionswerber der Schadenersatzverpflichtung der Mietergesellschaft, die auf eine Verletzung der Anzeigepflicht gegründet wurde, die Vertretbarkeit ihrer Rechtsansicht über die vollständige Erfüllung der Anzeigepflicht bereits anlässlich der Besprechung am 25.10.2000 entgegen. Dass eine Verletzung der Anzeigepflicht des § 12a Abs 3 MRG Schadenersatzansprüche der Vermieterin gegenüber der Erstbeklagten und Mieterin begründet (vgl dazu 4 Ob 220/08v = wobl 2009/120 mwN), bezweifelt die Revision gar nicht. Es handelt sich bei der Anzeigepflicht um eine – gesetzlich als Schutzgesetz zugunsten des Vermieters (4 Ob 220/08v) normierte – aus dem bestehenden Bestandvertrag abgeleitete Nebenpflicht des Mieters, dem Vermieter anhebungsrelevante Tatbestände mitzuteilen. Verletzt der Mieter diese Pflicht, hat er nach § 1298 ABGB nachzuweisen, dass ihn daran kein Verschulden trifft. Dem Berufungsgericht kann auch in diesem Punkt keine auffällige Fehlbeurteilung vorgeworfen werden, konnten sich doch die Beklagten keinesfalls sicher sein, dass die Kündigung der Gesellschaft zwingend ein Kippen der Mehrheitsverhältnisse in der Komplementär–GmbH zur Folge hatte. Ab welchem Zeitpunkt ein Machtwechsel eintritt, kann in der Regel von der Mietergesellschaft besser beurteilt werden als vom Vermieter, dem die vertragliche Gestaltung der Gesellschaft nicht zwingend bekannt sein muss.
8. Der hier zu beurteilende Schaden besteht darin, dass die Vermieterin an der rechtzeitigen Geltendmachung des erhöhten Mietzinses verhindert war und jene Mietzinse, die früher als drei Jahre vor Einbringung der Klage aufgelaufen sind, verjährt sind. Die Klägerin hat bereits in der Klage ausdrücklich auf die Verletzung der Anzeigepflicht sowie die deshalb entgangene Möglichkeit zur Hauptmietzinsanhebung auf einen konkreten Betrag pro m² verwiesen und das Klagebegehren auch auf Schadenersatz gestützt. Entgegen der Auffassung der Revisionswerber hat das Berufungsgericht nicht in unvertretbarer Weise über ein unschlüssiges Begehren entschieden.
9. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde geprüft, er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
10. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. In diesem Fall findet auch bei einem Zwischenurteil kein Kostenvorbehalt statt. Vielmehr sind der Klägerin die Kosten der Revisionsbeantwortung nach den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO zuzusprechen (vgl RIS–Justiz RS 0123222).