Dokument-ID: 618057

Judikatur | Entscheidung

3 Ob 234/12a; OGH, 13. März 2013

GZ: 3 Ob 234/12a | Gericht: OGH vom 13.03.2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Stift K*****, vertreten durch Dr. Reinhard Lachinger, Rechtsanwalt in Korneuburg, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei Y***** GmbH, *****, vertreten durch Stock Rafaseder Gruszkiewicz Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Dr. F*****, vertreten durch Fiebinger Polak Leon & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 4.484,64 EUR und Räumung (Klage 56 C 224/09w, führender Akt) und 17.569,72 EUR (Widerklage 56 C 157/10v), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 4. September 2012, GZ 40 R 174/12b-54, womit infolge Berufungen der klagenden und beklagten Partei das Teilurteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 16. April 2012, GZ 56 C 224/09w-47, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Die klagende Partei ist Eigentümerin einer Liegenschaft in Wien und hat als Vermieterin mit dem Beklagten als Mieter am 24. Juni 1974 einen Mietvertrag über die Wohnung Tür 25 in diesem Haus, bestehend aus Küche (= Bad), Vorzimmer, WC, zwei Zimmer und einem Kabinett, auf unbestimmte Zeit geschlossen. Dieser Mietvertrag hat folgenden auszugsweisen Inhalt:

„§ 3. Mietzins …

11. Die Aufrechnung von Gegenforderungen gegen den Mietzins oder die Zuschläge zum Mietzins ist ausgeschlossen.

§ 4. Instandhaltung

Der Mieter bestätigt, den Mietgegenstand in gutem, brauchbarem Zustand übernommen zu haben. In einverständlicher Abänderung der dem § 1096 ABGB entsprechenden Pflichten übernimmt der Mieter die Verpflichtung, den Mietgegenstand auf seine Kosten ohne Anspruch auf Ersatz, jederzeit in gutem, brauchbarem Zustand zu erhalten und nach Beendigung der Mietzeit in gutem, brauchbarem Zustand zurückzustellen.

§ 5. Benützung

...

3. Der Mieter hat für die ordnungsgemäße Erhaltung der von ihm verlegten Gas-, Wasser- und Lichtleitungen auf seine Kosten zu sorgen.“

Als der Beklagte die Wohnung am 1. Juli 1974 übernahm, war das Gas eingeleitet. Die Elektroleitungen zum Zeitpunkt des Einzugs waren teilweise stoffummantelt und ohne Schutzleiter, Abdeckungen der Schalter und Steckdosen fehlten teilweise. Im Haus gab es zwar eine Erdung in der Steigleitung, diese endete aber vor Eintritt in die Wohnung. Dies alles entsprach nicht dem Stand der Technik im Jahr 2009 und bedeutete sowohl Brand- als auch Stromschlaggefahr. Die klagende Partei beauftragte eine Fachfirma mit der Herstellung einer sicheren Elektroversorgung und dem Verlegen der Elektroleitungen unter Putz einschließlich des Verschließens der gestemmten Leitungsschlitze grob verputzt; nur die Verlegung der Leitungen für die Deckenauslässe wurde von der klagenden Partei über Putz beauftragt. Diese Arbeiten wurden zwischen 27. April 2009 bis 4. Mai 2009 durchgeführt. Die Leitungen für die Deckenauslässe wurden nur bis zur letzten Verbindungsdose gelegt, da der Beklagte eine Verlegung über Putz nicht wünschte. Für die Verlegung der Leitungen waren nicht in jedem Raum (teilweise beschriebene) Stemmarbeiten notwendig, da in manchen Räumen eine Verrohrung vorhanden war. Die gestemmten Leitungsschlitze wurden nur im Bad grob verputzt, sonst gar nicht. Der Beklagte beauftragte in der Folge selbst eine andere Firma mit der Verlegung von Elektroleitungen für Deckenauslässe in den beiden Zimmern und im Kabinett unter Putz. Diese wurden im Juni 2009 fertiggestellt, die Kosten von EUR 496,31 beglich die klagende Partei.

Am 19. März 2009 wurde die Gaszufuhr für die Wohnung des Beklagten wegen Mängel der Gasleitungen gesperrt. Die klagende Partei beauftragte die Nebenintervenientin mit der Neuverlegung der Gasleitungen einschließlich des Wiederverschließens der gestemmten Leitungsschlitze; Letzteres wurde aber von der Nebenintervenientin nicht durchgeführt. Die Leitungsschlitze und Durchbrüche befanden sich in mehreren Räumen. Nach Fertigstellung des Leitungstauschs musste eine Gaskommissionierung samt Dichtheitsprobe durchgeführt werden, die zwar die Undichtigkeit der Gaskonvektoren ergab; dennoch kam es zum Öffnen der Gaszufuhr am 27. April 2009, sodass der Durchlauferhitzer und der Gasherd wieder angeschlossen wurden, die Gaskonvektoren allerdings nicht. Bei einer weiteren Gaskommissionierung am 5. Mai 2009 wurde alles für in Ordnung befunden.

Da die klagende Partei für das Verputzen der aufgestemmten Stellen in der Wohnung nicht Sorge trug, beauftragte der Beklagte eine Baufirma mit den Verputz- und Malerarbeiten, die zwischen dem 12. Oktober 2009 und 20. November 2009 durchgeführt wurden. Diese Arbeiten umfassten das Vorzimmer nicht.

Nach dem 5. Mai 2009 kam es zu weiteren Veränderungen an der Gasleitung, sodass weitere Kommissionierungen erforderlich wurden. Erst nach der Gaskommissionierung am 21. Jänner 2010 konnten die Leitungsschlitze im Vorzimmer verschlossen werden. Das Verputzen und Ausmalen des Vorzimmers und der neu aufgestemmten Stelle in der Küche erfolgte erst Ende Jänner 2010 und war am 2. Februar 2010 abgeschlossen.

Den für Mai 2009 vorgeschriebenen Mietzins leistete der Beklagte bis auf EUR 22,59 . Auf die folgenden Vorschreibungen in der Höhe von jeweils EUR 492,59 bezahlte der Beklagte für die Monate Juni 2009 bis einschließlich Jänner 2010 gar nichts, für Februar 2010 EUR 149,54 und für März 2010 EUR 246,29.

Die klagende Partei erhob zu AZ 56 C 224/09w des Erstgerichts eine Mietzins- und Räumungsklage nach § 1118 ABGB wegen rückständiger Mieten von zuletzt (ON 28 S 2) insgesamt EUR 4.484,64 sA für die soeben genannten Monate. Der Beklagte habe sich im Mietvertrag zur Erhaltung des Bestandobjekts verpflichtet, die von der klagenden Partei beauftragten Arbeiten seien nur ein Entgegenkommen gewesen. Die vom Beklagten behaupteten Erhaltungsarbeiten würden keine ernsten Schäden des Hauses oder eine Gesundheitsgefährdung betreffen und keine (hundertprozentige) Mietzinsminderung rechtfertigen. Bereits ab Ende April 2009 sei die Beheizung und Warmwasserversorgung wieder uneingeschränkt möglich gewesen. Den vom Beklagten eingewendeten Gegenforderungen stehe das im Mietvertrag vereinbarte Aufrechnungsverbot entgegen.

Die auf Seiten der klagenden Partei beigetretene Nebenintervenientin verwies darauf, sie habe ihre Leistungen bis Ende April 2009 erbracht, Verputzarbeiten sollten von vor Ort tätigen Firmen ausgeführt werden. Die späteren Änderungen an der Gassteckdose seien wegen der vom Beklagten mehrfach gewechselten Position des Gasherdes erforderlich gewesen.

Der Beklagte bestritt und machte zuletzt (ON 12 S 5 bis 7) primär Zinsminderung für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 12. Februar 2010 (Beziehbarkeit der Wohnung) von 100 % wegen Unbewohnbarkeit im Wesentlichen wegen noch nicht fertiggestellter Nacharbeiten, für den restlichen Februar 2010 wegen Nichtfertigstellung eines Zimmers sowie Geruchsbelästigung und für März 2010 nur wegen Geruchsbelästigung geltend. Die klagende Partei habe sich nicht darum gekümmert, die aufgestemmte Wohnung wieder verputzen und ausmalen zu lassen. Bei diesen schließlich von ihm beauftragten Arbeiten habe sich herausgestellt, dass die Gasleitung partiell neu verlegt werden müsse. Später hätten sich weitere Mängel daran herausgestellt. Die Behebung der Schäden falle nicht unter § 4 des Mietvertrags. Das vereinbarte Kompensationsverbot sei nicht rechtswirksam und seine Berufung darauf schikanös. Der Beklagte erhob eine Aufrechnungseinrede.

Zu AZ 56 C 157/10v des Erstgerichts brachte der Beklagte eine Widerklage ein, mit der er die auch mittels Aufrechnungseinrede geltend gemachten Ansprüche von zuletzt insgesamt EUR 17.569,72 ersetzt begehrt.

Mit Beschluss vom 16. April 2012 verband das Erstgericht die beiden Verfahren und erklärte das Verfahren AZ 56 C 224/09w zum führenden.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten (im zweiten Rechtsgang) mit Teilurteil zur Zahlung von EUR 2.559,71 an rückständigem Mietzins. Die Entscheidung über das Räumungsbegehren, über die Kosten sowie über die Widerklage behielt es der Endentscheidung vor. Es sah die Übertragung der Erhaltungspflicht auf den Beklagten als wirksam an, da zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses im Jahr 1974 das Recht zur freien Mietzinsvereinbarung gemäß § 16 Abs 1 Z 2 MG bestanden habe. Deshalb treffe die klagende Partei keine Erhaltungspflicht für die in der Wohnung befindlichen Gasleitungen. Die stromschlag- und brandgefährliche elektrische Anlage sei nicht von der im Vertrag geregelten Erhaltungspflicht des Beklagten umfasst, da die Behebung eine Neuherstellung bedinge. Der Beklagte könne für Mai 2009 bis November 2009 einen Mietzinsminderungsanspruch von 50 % geltend machen. Die geltend gemachten Gegenforderungen würden am vereinbarten Aufrechnungsverbot scheitern.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht, jener der klagenden Partei hingegen Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass das Zahlungsbegehren mit EUR 4.484,64 zu Recht bestehe und die Aufrechnungseinrede abgewiesen werde; dementsprechend wurde der Beklagte zur Leistung samt gestaffelter Zinsen verpflichtet; die Entscheidung über das Räumungsbegehren, die Kosten sowie über die Widerklage wurden der Endentscheidung vorbehalten und die ordentliche Revision für zulässig erklärt.

Mit der zulässigen freien Mietzinsvereinbarung habe der Beklagte die Erhaltungspflicht übernommen. Daran habe sich durch das Inkrafttreten des MRG nichts geändert. Dieser Mietzinsbestandteil (die vertraglich vereinbarte Erhaltungspflicht) betreffe die ganze Wohnung, somit nicht nur die Gas- sondern auch die für die Wohnung bestimmten Elektroinstallationen. Die gesetzliche Erhaltungspflicht der klagenden Partei zur Beseitigung einer Gesundheitsgefährdung, die sie aufgrund der WRN 2006 erst seit 1. Oktober 2006 (§ 49e Abs 9 MRG) treffe, ändere nichts am Weiterbestehen der vertraglichen Verpflichtung des Beklagten. Eine nachträgliche Verminderung des Bestandentgelts hätte der Gesetzgeber ausdrücklich anordnen müssen. Der Vermieter müsse ungeachtet der vertraglichen Erhaltungsregelung die notwendigen Arbeiten durchführen und vorfinanzieren. Da der Beklagte seiner vertraglichen Erhaltungspflicht nicht nachgekommen sei, stehe ihm kein Zinsminderungsanspruch zu. Der Versuch, das vertragliche Kompensationsverbot durch nachträgliches Inkrafttreten des KSchG zum Wegfall zu bringen, scheitere am klaren Wortlaut des § 39 Abs 1 KSchG.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Frage der Überlagerung der gültig übernommenen Instandhaltungsverpflichtung des Mieters als Mietzinsbestandteil durch die mit 1. Oktober 2006 entstandene gesetzliche Instandhaltungspflicht des Vermieters, eingeschränkt auf Beseitigung von erheblichen Gesundheitsgefahren durch das Mietobjekt, von erheblicher Bedeutung sei.

Mit seiner Revision strebt der Beklagte die Abänderung im Sinne einer Klageabweisung, hilfsweise die Aufhebung an. Unter den Begriff „Instandhaltung“ könne der Austausch der gesamten Strom- und Gasleitungen nicht subsumiert werden. Ziehe man andere Bestimmungen des Mietvertrags in die Betrachtung ein, sei eine allumfassende Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht zu verneinen. Eine allfällige vertragliche Verpflichtung des Beklagten sei wegen der Rückwirkung der WRN 2006 auch auf Altverträge unwirksam geworden. Die schadhaften Gas- und Elektroleitungen hätten aber jedenfalls eine Gefahr für Leib und Leben im Sinne der zwingenden Bestimmung des § 3 Abs 2 Z 2 MRG idF der WRN 2006 verwirklicht. Das vertraglich vereinbarte Kompensationsverbot sei wegen der aus § 6 Abs 1 Z 8 KSchG abzuleitenden Wertungen nicht rechtswirksam.

Dem treten die klagende Partei und die Nebenintervenientin in ihren Revisionsbeantwortungen entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, weil die Beurteilung, den Beklagten habe die Erhaltungspflicht für die streitgegenständlichen Arbeiten getroffen, einer Korrektur bedarf; sie ist auch im Sinne der hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Der Beklagte hält der Mietzinsforderung der klagenden Partei primär sein Mietzinsminderungsrecht nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB entgegen, weil das Bestandobjekt während der klagegegenständlichen Monate von Mai 2009 bis März 2010 (teilweise) unbrauchbar gewesen sei.

Die Brauchbarkeit des Bestandobjekts ist dem Mieter, soweit ihn selbst keine Erhaltungspflicht trifft, für die gesamte Dauer der Bestandzeit mit dem Druckmittel der Mietzinsminderung zu gewährleisten (5 Ob 17/09z = SZ 2009/33; RIS-Justiz RS0122135 [T1]). § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB gilt - als von § 3 MRG unberührt - auch im Vollanwendungsbereich des MRG (5 Ob 17/09z = SZ 2009/33; RIS-Justiz RS0021326 [T7]; RS0124632 [T7]).

Es kommt daher primär darauf an, ob der Beklagte mit der Vereinbarung laut § 4 des Mietvertrags vom 24. Juni 1974 die Erhaltungspflicht für die hier gegenständlichen Arbeiten (Tausch aller Gasleitungen und Erneuerung der gesamten Elektroinstallationen entsprechend dem nunmehrigen Stand der Technik jeweils im Bestandobjekt) wirksam übernommen hat.

Für die Beantwortung der - vom Beklagten bestrittenen - Frage, ob ihn die Erhaltungspflicht (auch) für die streitgegenständlichen Arbeiten im Bestandobjekt traf und er sich deshalb für den strittigen Zeitraum nicht auf das Zinsminderungsrecht berufen kann, bedarf es der Auslegung der Instandhaltungsvereinbarung, um die Reichweite jener Pflichten zu ermitteln, die er als Mieter übernommen hat. Wäre davon der Austausch der Gasleitungen und die Erneuerung der elektrischen Anlage im Bestandobjekt nicht umfasst, wäre das vom Beklagten geltend gemachte Mietzinsminderungsrecht zu bejahen.

2. Der Beklagte verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auf weitere Bestimmungen des - seinem Inhalt nach unstrittigen - Mietvertrags, und zwar ua den bereits eingangs wiedergegebenen § 5.3. Dieser enthält die Verpflichtung des Mieters, „für die ordnungsgemäße Erhaltung der von ihm verlegten Gas-, Wasser- und Lichtleitungen auf seine Kosten zu sorgen“. Wenn also die Pflicht des Mieters zur Erhaltung ausdrücklich (nur) für von ihm verlegte Installationen vorgesehen ist, bedeutet dies, dass sich die im § 4 des Mietvertrags übernommene Erhaltungspflicht grundsätzlich nicht auf die im Bestand vorhandenen Gas-, Wasser- und Lichtleitungen bezieht. Denn wenn den Mieter ohnehin schon die umfassende Erhaltungspflicht auch für bei Beginn des Bestandverhältnisses schon vorhandene Gas-, Wasser- und Lichtleitungen treffen würde, wäre § 5.3. des Mietvertrags völlig überflüssig. Eine derartige inkonsequente Vertragsgestaltung ist den Parteien auch angesichts des verwendeten Vertragsformulars nicht zu unterstellen.

Als Auslegungsergebnis ist daher festzuhalten, dass der Beklagte im § 4 des Mietvertrags eine Instandhaltungspflicht für bereits bei Beginn des Bestandverhältnisses vorhandene Gas- und Elektroinstallationen gar nicht übernommen hat.

3. Schon deshalb erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der Revision, die eine Erhaltungspflicht des Beklagten für die streitgegenständlichen Erhaltungsarbeiten aus anderen Gründen verneinen.

4. Da den Beklagten als Mieter keine Instandhaltungspflicht für die Gas- und Elektroinstallation der gemieteten Wohnung trifft, kann er Mietzinsminderung geltend machen, selbst wenn auch die klagende Partei als Vermieterin keine Erhaltungspflicht träfe, weil sie den geschuldeten Gebrauch nicht verschafft hat (Graubereich; 5 Ob 17/09z = SZ 2009/33; Riss wobl 2013, 27 [Entscheidungsanmerkung]). Eine Prüfung, ob die klagende Partei eine Erhaltungspflicht traf, kann daher unterbleiben. Ebenso wenig bedarf es einer Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht angenommenen Rechtslage, dass sowohl den Mieter eine vertragliche als auch den Vermieter eine gesetzliche Instandhaltungspflicht nebeneinander treffen.

5.1.1. Nach § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB wird der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maß der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts von der Entrichtung des Zinses befreit, wenn das Bestandobjekt bei der Übergabe derart mangelhaft ist oder es während der Bestandzeit ohne Schuld des Übernehmers derart mangelhaft wird, dass es zu dem bedungenen Gebrauch nicht taugt. Ob allerdings von einem Mangel auszugehen ist, hängt nach allgemeinen Grundsätzen davon ab, ob die tatsächlich erbrachte von der geschuldeten Leistung abweicht (2 Ob 215/10x mwN); im Zweifel ist von einer geschuldeten „mittleren Brauchbarkeit“ auszugehen (RIS-Justiz RS0021054; RS0020926).

5.1.2. Die Zinsminderung tritt kraft Gesetzes und ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Bestandgebers ein (RIS-Justiz RS0021443; RS0021420). Ob die Mietzinsminderung eine Anzeige des Mangels iSd § 1097 ABGB voraussetzt (so 6 Ob 38/11y), braucht nicht erörtert zu werden, weil sich die Kenntnis der klagenden Partei von den Mängeln an der Gas- und Elektroinstallation schon aus ihrer Beauftragung der Erhaltungsarbeiten ergibt.

5.1.3. Der Anspruch auf Zinsbefreiung/Zinsminderung besteht ab Beginn der Unbrauchbarkeit beziehungsweise Gebrauchsbeeinträchtigung des Bestandobjekts bis zu deren Behebung (RIS-Justiz RS0107866). Das Ausmaß der Zinsminderung richtet sich nach Grad und Dauer der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts, wofür Parteiwille und Verkehrssitte den Ausschlag geben; es hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab; die Minderung des Bestandzinses ist durch Vergleich des Bestandzinses, der ohne Mangel und jenem, der mit Mangel für das Bestandobjekt am Markt zu erzielen ist, zu ermitteln (RIS-Justiz RS0021324 [T8]).

5.2. Der vorliegende Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, dass der Beklagte (überwiegend) eine vollkommene Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts und daher eine Mietzinsbefreiung geltend macht, obwohl die „eigentlichen“ Erhaltungsarbeiten, also der Austausch der Gasleitungen und der Elektroleitungen, bereits Anfang Mai 2009 abgeschlossen waren und nur mehr einige ergänzende sowie Nacharbeiten in mehreren Räumen der Wohnung erforderlich waren und eine Geruchsbelästigung bestanden haben soll. Die Brauchbarkeit kann naturgemäß auch durch Nacharbeiten und -wirkungen beeinträchtigt werden, sodass auch diese eine Mietzinsminderung rechtfertigen können.

5.3. Allerdings reichen die Feststellungen des Erstgerichts - trotz detaillierten Vorbringens des Beklagten (zB ON 12 S 5 ff; ON 16 S 2 ff) - nicht aus, um den geltend gemachten Zinsbefreiungs- und -minderungsanspruch abschließend beurteilen zu können. Das betrifft nicht nur die detailliert zu beschreibende konkrete Situation und deren Entwicklung in den einzelnen Räumen der Wohnung und der dadurch bedingten Beeinträchtigung ihrer Bewohnbarkeit zwischen 1. Mai 2009 und 31. März 2010, sondern auch die Fragen der Beheizbarkeit der Wohnung (in den Wintermonaten 2009/2010), der Nutzbarkeit der Sanitäreinrichtungen sowie Kochgelegenheit und der behaupteten Geruchsbeeinträchtigung und der Gründe dafür. Es bedarf weiters Feststellungen zum Einwand der klagenden Partei, der Beklagte habe von ihr beauftragten Professionisten den Zutritt verweigert (ON 8 S 5; bestritten ON 12 S 16), und zum Einwand der Nebenintervenientin, weitere Arbeiten an der Gasleitung seien nur deshalb notwendig geworden, weil der Beklagte die Position des Gasherdes mehrmals verändert habe (ON 14 S 2 f; bestritten ON 15 S 4).

Erst wenn dazu detaillierte Feststellungen vorliegen, worin exakt die durch die (ausstehenden) Arbeiten und die angebliche Geruchsbelästigung bewirkten Beeinträchtigungen der Benutzung der Wohnung liegen, wird die Dauer und das Ausmaß der vom Beklagten geltend gemachten Zinsminderung einschätzbar sein. Diese sekundären Feststellungsmängel erfordern somit die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht, ohne dass es einer Behandlung der Mängelrüge in der Revision bedarf. Die Aufhebung erfasst auch die Entscheidung über die eingewendete Gegenforderung im führenden Akt, weil noch gar nicht geklärt ist, ob die Klageforderung zu Recht besteht.

6. Für das fortgesetzte Verfahren im führenden Akt ist noch Folgendes klarzustellen:

6.1.1. Den vom Beklagten erhobenen Gegenforderungen hielt die klagende Partei den in § 3.11. des Mietvertrags vorgesehenen Ausschluss der Aufrechnung von Gegenforderungen gegen den Mietzins entgegen, den der Beklagte in der Revision als nicht rechtswirksam ansieht, weil eine analoge Anwendung von § 6 Abs 1 Z 8 KSchG geboten sei; den ursprünglich erhobenen Einwand, die Berufung auf das Kompensationsverbot sei schikanös (ON 12 S 12 und ON 28 S 1), ließ der Beklagte in der Revision fallen.

6.1.2. Nach § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück. Diese Bestimmung wird als Zweifelsregel verstanden, nach der die Rückwirkung von (materiell-rechtlichen) Gesetzen in die Zeit vor ihrem Inkrafttreten grundsätzlich ausgeschlossen, aber durch eine - verfassungsrechtlich nicht jedenfalls ausgeschlossene - Rückwirkungsanordnung als lex specialis durchbrochen werden kann (RIS-Justiz RS0015520). Bei Dauerrechtsverhältnissen ist neues materielles Recht, sofern der Gesetzgeber nicht ausdrücklich anderes verfügte oder der besondere Charakter einer zwingenden Norm deren rückwirkende Anordnung verlangt, nicht anzuwenden, wenn der zu beurteilende Sachverhalt vor Inkrafttreten der neuen Bestimmungen endgültig abgeschlossen worden ist (RIS-Justiz RS0008715 [T7, T8 und T20]; RS0008732).

6.1.3. Das KSchG BGBl 1979/140 trat mit 1. Oktober 1979 in Kraft (§ 38); dessen generelle Übergangsbestimmung (§ 39) lautet: „Dieses Bundesgesetz ist auf Verträge, die vor seinem Inkrafttreten geschlossen wurden, nicht anzuwenden.“ Damit werden alle Altverträge explizit und einheitlich vom Anwendungsbereich des KSchG ausgenommen; nach den Gesetzesmaterialien aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit (RV 744 BlgNR 14. GP 57), was im Hinblick auf den dem Vertragsrecht immanenten Vertrauensgrundsatz auch sachgerecht erscheint (Kellner, Der temporale Anwendungsbereich des KSchG, Zak 2011, 110 [111] mwN). Diese einheitliche intertemporale Anknüpfung für Ziel- und Dauerschuldverhältnisse nach dem Datum ihres Abschlusses stellt eine spezielle Regelung dar, die die eine Rückwirkung ausschließende Zweifelsregel des § 5 ABGB bestätigt und eine Anwendung von Bestimmungen des KSchG auf den vorliegenden Mietvertrag vom 24. Juni 1974 ungeachtet seiner Qualität als Dauerschuldverhältnis ausschließt. Der gegenteiligen, zu 2 Ob 73/10i (= Zak 2011/207 S 116 = immolex 2011, 81/25 [abl Böhm] = [abl] Vonkilch wobl 2011, 93 = [abl] Riss wobl 2011, 98 = [abl] Kellner Zak 2011, 110) vertretenen Ansicht vermag sich der erkennende Senat daher nicht anzuschließen.

Daher können auch (erstmals) dem KSchG innewohnende Wertungen bei der Prüfung dieser Bestimmung des Mietvertrags nicht berücksichtigt werden, weil dies ebenso einer - ausdrücklich ausgeschlossenen - Rückwirkung gleichkäme.

Es kommt somit die Judikatur zur Anwendung, wonach der vertragsmäßige Ausschluss der Aufrechnung wegen der - hier ohnehin genutzten - Möglichkeit der abgesonderten Geltendmachung der Gegenansprüche durch (Wider-)Klage nicht sittenwidrig und deshalb wirksam ist (RIS-Justiz RS0018102); eine Ausnahme von dieser Regel (s dazu Leupold in Schwimann ABGB-TaKom² § 1440 Rz 6) liegt nicht vor. Die Auseinandersetzung mit den vom Beklagten eingewendeten Gegenforderungen erübrigt sich daher jedenfalls.

6.2. Das fortgesetzte Verfahren hat sich auf die Prüfung von Ausmaß und Dauer der vom Beklagten geltend gemachten Zinsminderung zu beschränken; nur in diesem Umfang hat das Erstgericht für eine Verbreiterung der Tatsachengrundlage zu sorgen. Alle anderen hier behandelten Streitpunkte sind abschließend erledigt.

Der klagenden Partei wird auch Gelegenheit zu geben sein, den vom Berufungsgericht aufgezeigten Fehler bei der Berechnung der Klageforderung zu korrigieren.

7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Leitsätze

  • Keine Rückwirkung des KSchG auf davor geschlossene Verträge

    § 39 KSchG nimmt alle Altverträge explizit und einheitlich vom Anwendungsbereich des KSchG aus. Diese einheitliche intertemporale Anknüpfung für Ziel‑ und Dauerschuldverhältnisse nach dem Datum ihres Abschlusses stellt eine spezielle Regelung dar.
    Iman Torabia | Judikatur | Leitsatz | 3 Ob 234/12a | OGH vom 13.03.2013 | Dokument-ID: 618070