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4 Ob 98/16i; OGH; 26. September 2016
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.
Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Mag. Dr. M***** P*****, zuletzt vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Antragsgegner Ing. M***** P*****, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 2.774,61 sA, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 19. Februar 2016, GZ 2 R 323/15m-43, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 18. November 2015, GZ 48 Nc 3/14b-39, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner die mit EUR 418,78 (darin EUR 69,80 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Streitteile sind gemeinsam mit einem weiteren Bruder zu je 1/3 Miteigentümer einer Liegenschaft in Innsbruck, auf der ihre Mutter das Wohnrecht besitzt. Der Antragsteller wohnt auf dieser Liegenschaft. Zugunsten der Liegenschaft der Parteien besteht an Nachbargrundstücken die Dienstbarkeit des Abwasserkanals. Auf Grundstücken der Parteien lastet die Dienstbarkeit der Verlegung und Erhaltung eines Abwasserkanals zugunsten dieser Nachbargrundstücke. Mit Schreiben vom November 2010 forderte ein städtischer Kommunalbetrieb den Antragsteller auf, sein Anwesen an die öffentliche Kanalisation anzuschließen und mit ihm einen Anschlussvertrag abzuschließen.
Ein Bauträger beabsichtigte auf Nachbargrundstücken eine Wohnanlage zu errichten. Er bemühte sich mit den Parteien und dem dritten Bruder einerseits einen Dienstbarkeitsvertrag abzuschließen, der die Duldung von Erdankern und Fundamenten für die Gartenmauer der Parteien vorsah, andererseits eine Vereinbarung, die als Gegenleistung unter anderem die Errichtung eines Abwasserkanals (ohne Hausanschlüsse) auf seine Kosten vorsah. Der Antragsgegner und der dritte Bruder sowie die weiteren Nachbarn unterzeichneten die Vereinbarung mit dem Bauträger. Der Antragsteller weigerte sich, unter anderem deshalb, weil er das Einbringen von Erdankern als nachteilig empfand. Sein Vorschlag war es, gemeinsam mit den Nachbarn einen Privatkanal in Auftrag zu geben, was von diesen jedoch abgelehnt wurde. Der Bauträger errichtete schließlich den Privatkanal unterhalb eines Privatwegs, der zwischen Mai 2012 und Juli 2012 aufgegraben war.
Zwischen den Streitteilen kam es zu keiner Einigung darüber, wie der Kanalanschluss für die gemeinsame Liegenschaft bewerkstelligt werden sollte. Der Antragsgegner und der dritte Bruder gaben dem Antragsteller zu verstehen, dass sie mit einer eigenmächtigen Herstellung des Hausanschlusses durch ihn nicht einverstanden sind. Sie gaben die Herstellung eines Hausanschlusses auch nicht selbst in Auftrag. Mit einer technisch und rechtlich einwandfreien Herstellung des Hausanschlusses wäre der Antragsgegner aber einverstanden gewesen. Die Baugesellschaft, die die Arbeiten für den Bauträger durchführte, stellte dem Antragsgegner und dem dritten Bruder ein Angebot für die Erstellung des Hausanschlusses in Höhe von EUR 6.869,– ohne Dichtheitsprüfung bei Abrechnung nach tatsächlich erbrachten Leistungen, welches von den beiden Genannten nicht unterfertigt wurde; dem Antragsteller wurde dieses Angebot nicht zugestellt.
Nach dem Juli 2012 – als der über dem mittlerweile errichteten Privatkanal liegende Privatweg bereits wieder hergestellt und asphaltiert war – beauftragte der Antragsteller eigenmächtig ein Bauunternehmen, den Hausanschluss an den Privatkanal zu errichten. Diese Arbeiten wurden im Oktober 2012 durchgeführt und mit EUR 6.339,08 in Rechnung gestellt, die der Antragsteller bezahlte. Eine Kanaldichtheitsprüfung wurde durchgeführt. Der Kommunalbetrieb stellte ein Kanalanschlussentgelt von EUR 1.984,77 in Rechnung, das der Antragsteller ebenfalls bezahlte. Der Antragsteller forderte den Antragsgegner zur Zahlung des auf ihn entfallenden Anteils der Hausanschlusskosten von EUR 2.774,97 zuzüglich Vertretungskosten auf. Dieser lehnte die Zahlung ab, der dritte Bruder zahlte den auf ihn entfallenden Anteil unter Vorbehalt der Rechtmäßigkeit des Anschlusses. Der Anwalt des Bauträgers und der Nachbarn teilte dem Antragsteller mit, seiner Mandantschaft die beim Antragsteller und seinen Brüdern eingetretene Bereicherung infolge des unerlaubten Anschlusses an den von Dritten verlegten Kanal gerichtlich geltend zu machen, sollte sich der Antragsteller nicht binnen einer Woche um eine einvernehmliche Lösung bemühen.
Der vom Antragsteller in Auftrag gegebene Hausanschluss wurde ohne Übergabeschacht mittels Abzweigers in den Privatkanal und einer ca 3,5 m langen Leitung zur bestehenden Abwasserleitung des Hauses hergestellt. Seine Rückstauebene liegt über dem beim Haus bestehenden Putzschacht. Er ist rückstausicher, solange der Deckel des Putzstückes des bestehenden Putzschachtes nicht verschlossen ist. Infolge dieser nur bedingten Rückstausicherheit und des fehlenden Übergabeschachts entspricht der Hausanschluss nicht der Ö-Norm B 2501, die dem Stand der Technik entspricht. Er ist auf einer geringen Strecke nicht frostsicher, woraus aber kein Mangel zu erwarten ist, da das Wasser auf der kurzen Strecke nicht bis zur Vereisung abkühlt. Die Reinigung des Hausanschlusses ist durch einen Putzschacht in 18 m Entfernung vom Abzweiger beim Haus möglich. Der nachträgliche Einbau eines Putzschachts kostet EUR 1.500,– bis 2.000,–. Der vom Bauunternehmen für den Hausanschluss in Rechnung gestellte Betrag ist angemessen. Ein Hausanschluss im Zuge des Baues des Privatkanals hätte nach Maßgabe des Angebots der Baugesellschaft, die die Arbeiten für den Bauträger durchführte, (nur) EUR 3.913,69 gekostet. Der Abwasservertrag wurde vom Kommunalbetrieb (noch) nicht unterfertigt, weil ihn zwar der Antragsteller, nicht aber der Antragsgegner und der dritte Eigentümer unterschrieben haben.
Der Antragsteller begehrte den anteiligen Ersatz seiner Aufwendungen vom Antragsgegner. Die Miteigentümer seien verpflichtet gewesen, den Kanalanschluss herzustellen. Der Antragsteller habe aus gutem Grund nicht in die Vereinbarung mit dem Bauträger eingewilligt, sie wäre nachteilig gewesen. Die nunmehrige Errichtung sei notwendig, nützlich und vorteilhaft. Die Servituten zu Lasten der Nachbargrundstücke umfassten auch den Anschluss an den Abwasserkanal der jeweiligen Grundstückseigentümer. Die Eigentümer des Privatwegs beabsichtigten nicht, gegen den Antragsteller vorzugehen.
Der Antragsgegner wendete ein, dass es möglich gewesen wäre, sich an dem vom Bauträger errichteten Kanal – kostengünstiger – zu beteiligen. Der Antragsteller habe dies verhindert; der von ihm veranlasste Hausanschluss habe Mehrkosten verursacht, die ihm zuzuschreiben seien. Eine rechtliche Grundlage zur Nutzung des Privatkanals fehle, es drohten Bereicherungsansprüche Dritter gegen die Parteien; auch sei der Hausanschluss nicht rechtskonform hergestellt worden. Die Aufwendungen des Antragstellers hätten demnach zu keinem brauchbaren Ergebnis geführt.
Das Erstgericht gab dem Antrag statt. Die Herstellung des Kanalanschlusses sei eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung. Auf den Miteigentümer, der gegen den Willen der Übrigen handle, finde zwar § 837 Satz 3 ABGB keine Anwendung; die Regelungen der verbotenen Geschäftsführung gälten jedoch nicht, wenn sich die Verwaltungsmaßnahme im Nachhinein als notwendig erweise. Aufgrund der bestehenden Dienstbarkeit beim Nachbargrundstück sei die Maßnahme zulässig gewesen. Der Anschluss entspreche zwar nur bedingt dem Stand der Technik, funktioniere aber in der Praxis und könne mit relativ geringem Aufwand entsprechend nachgerüstet werden. Der Preis sei ortsüblich und angemessen.
Das Rekursgericht wies den Antrag ab; es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs wegen fehlender Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des § 837 Satz 3 ABGB nachträglich zu. Der Antragsteller habe gegen die Weisung der Mehrheit gehandelt. Es stehe ihm daher kein Anspruch nach § 837 Satz 3 ABGB zu. Auch die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag stützten den Anspruch nicht. § 1040 ABGB ordne an, dass dann, wenn jemand gegen den gültig erklärten Willen des Eigentümers sich eines fremden Geschäfts anmaßt, den gemachten Aufwand verliere. Ein Aufwandersatz nach § 1042 ABGB wäre nur dann denkbar, wenn der andere den Aufwand nach dem Gesetz hätte machen müssen. Es stehe aber nicht fest, dass es sich im vorliegenden Fall um ein anschlusspflichtiges Grundstück iSd § 5 TiKG 2000 handle. Eine Anschlusspflicht könne nur mittels Bescheids iSv § 5 leg cit verfügt werden. Das Aufforderungsschreiben des Kommunalbetriebs habe Gebäude außerhalb des Anschlussbereichs betroffen. Auch entspreche der Hausanschluss nicht dem Stand der Technik, weshalb nach § 8 Abs 4 lit c TiKG der Abschluss des Anschlussvertrags verweigert werden dürfe. Auch aus diesem Grund könne der Kanalanschluss nicht als gesetzlich vorgeschriebener Aufwand qualifiziert werden.
Der Antragsteller beantragt mit seinem Revisionsrekurs die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses, in eventu Aufhebung. Der Antragsgegner habe die Anschlusspflicht oder die Notwendigkeit des Hauskanalanschlusses nie bestritten; soweit das Rekursgericht nicht von einer Anschlusspflicht ausgehe, begründe dies die Mangelhaftigkeit seines Verfahrens. Der dritte Bruder als weiterer Miteigentümer habe dem Anschluss im Nachhinein zugestimmt, es sei daher von einem Mehrheitsbeschluss der Miteigentümer auszugehen. Dem Antragsteller stehe nach § 837 Satz 3 ABGB anteiliger Kostenersatz zu. Der Hausanschluss sei ordnungsgemäß und rechtmäßig errichtet worden. Sofern überhaupt ein Widerspruch des Antragsgegners gegen den Hauskanalanschluss vorliege, wäre er sittenwidrig, rechtsmissbräuchlich und daher unbeachtlich. Der getätigte Aufwand sei jedenfalls nützlich.
Der Antragsgegner beantragt mit seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurück-zuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der antragstellende Minderheits-Miteigentümer, der – unstrittig – nicht zum Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes bestellt ist, anteiligen Aufwandersatz von einem Miteigentümer für eine Verwaltungsmaßnahme, die er entgegen dem ausdrücklichen Widerspruch der übrigen Miteigentümer durchführen hat lassen.
1.1. Gemäß § 837 ABGB wird der Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes als ein Machthaber angesehen. Er ist einerseits verbunden, ordentliche Rechnung abzulegen; andererseits aber befugt, alle nützlich gemachte Auslagen in Abrechnung zu bringen. Dieses gilt auch in dem Falle, dass ein Teilgenosse ein gemeinschaftliches Gut ohne Auftrag der übrigen Teilnehmer verwaltet.
1.2. Nach der Rechtsprechung wird ein einzelner Teilhaber, der ein gemeinschaftliches Gut ohne Auftrag der übrigen verwaltet, im Bereich der ordentlichen Verwaltung als bevollmächtigt angesehen, wenn die übrigen Teilhaber den Verwaltungshandlungen nicht widersprechen, obwohl sie vom auftragslosen Handeln Kenntnis haben. Sonst sind die übrigen Teilhaber an die vom Hälfte- oder Minderheitseigentümer ohne Bevollmächtigung durch die Eigentümergemeinschaft geschlossenen Rechtsgeschäfte nur gebunden, wenn sie, auch nachträglich, ausdrücklich oder schlüssig zustimmen bzw wenn der Handelnde eine Entscheidung des Außerstreitrichters gemäß § 835 ABGB erwirkte (1 Ob 36/00a = RIS-Justiz RS0114179). Ein Selbsthilferecht, wonach jeder Teilhaber die zur Erhaltung des Gegenstands notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung des anderen Teils treffen darf, haben die Miteigentümer nach den §§ 833 ff ABGB nicht (8 Ob 557/77 = SZ 51/6; 1 Ob 590/80 = SZ 53/77).
1.3. Auch im Schrifttum wird vertreten, dass § 837 dritter Satz ABGB keine Anwendung findet, wenn ein Miteigentümer Verwaltung gegen den ausdrücklichen Widerspruch der Übrigen führt (Klang in Klang III² 1121), es sei denn, dass sich die Maßnahme als notwendig erweist oder der Widerspruch gesetz- oder sittenwidrig war. Nachträgliche Genehmigung hebt den Widerspruch auf, sodass der Handelnde wieder als Machthaber gilt (Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4 § 837 Rz 22; Gruber/Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 837 Rz 15). Bezüglich seiner Aufwendungen unterliegt der gegen ausdrücklichen Widerspruch handelnde Miteigentümer § 1040 ABGB (kein Aufwandersatz bei Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Willen des Eigentümers).
2.1. Hier liegt ein Handeln des Antragstellers gegen den Widerspruch der übrigen Miteigentümer vor, haben ihm diese doch zu verstehen gegeben, mit einer eigenmächtigen Herstellung des Hausanschlusses durch ihn nicht einverstanden zu sein. Ein Anspruch auf Aufwandersatz scheitert unter diesen Umständen an § 1040 ABGB, wonach jemand, der gegen den gültig erklärten Willen des Eigentümers sich eines fremden Geschäfts anmaßt, ua den gemachten Aufwand verliert.
2.2. In der Zahlung des auf ihn entfallenden Kostenanteils durch den dritten Bruder liegt – entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung – keine nachträgliche Genehmigung der Verwaltungsmaßnahme, erfolgte die Zahlung doch unter dem Vorbehalt der Rechtmäßigkeit des Hausanschlusses, was (wie aus dem Schreiben des Anwalts des Bauträgers und der Nachbarn hervorgeht) keineswegs gesichert ist.
2.3. Der Widerspruch des Antragsgegners und des dritten Bruders war nicht gesetz- oder sittenwidrig. Die von ihnen geplante Durchführung des Hausanschlusses durch den Bauträger im Zuge der Errichtung des Privatkanals wäre nicht nur erheblich kostengünstiger gewesen, sondern hätte auch die nunmehr bestehenden rechtlichen Unsicherheiten gegenüber dem Errichter des Privatkanals vermieden. Dazu kommt, dass die Maßnahme nicht dem Stand der Technik entspricht.
2.4. Gefahr im Verzug, unter welcher Voraussetzung nach dem Schrifttum (Nachweis bei Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4 § 834 Rz 26) jeder Teilhaber die zur Abwehr notwendigen Maßnahmen treffen darf, lag nicht vor. Dass für die betreffende Liegenschaft bereits ein Anschlussbescheid wegen bestehender Anschlusspflicht (§ 5 TiKG iVm § 10 TiKG) ergangen wäre, hat der Antragsteller nicht behauptet.
3. Dem gegen den Widerspruch der Miteigentümer handelnden Antragsteller steht somit kein Kostenersatz eines (bevollmächtigten) Verwalters nach § 837 Satz 3 ABGB zu. Der Antragsteller hätte vor Durchführung der Maßnahme aufgrund der fehlenden Einigkeit zwischen den Miteigentümern ein Verfahren vor dem Außerstreitrichter iSd § 835 ABGB einleiten müssen (vgl 3 Ob 583/84 = SZ 58/129).
4. Dem Revisionsrekurs des Antragstellers kann damit kein Erfolg beschieden sein.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG.
Leitsätze
-
Aufwandersatz für Verwaltungsmaßnahmen, die gegen den Willen anderer Miteigentümer gesetzt wurden
Im Falle, dass ein Miteigentümer gegen den Willen der anderen (Miteigentümer) handelt, steht diesem kein Kostenersatz eines (bevollmächtigten) Verwalters nach § 837 Satz 3 ABGB zu.WEKA (ato) | Judikatur | Leitsatz | 4 Ob 98/16i | OGH vom 26.09.2016 | Dokument-ID: 874648