Dokument-ID: 1113303

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 102/21t ; OGH; 16. Dezember 2021

GZ: 5 Ob 102/21t | Gericht: OGH vom 16.12.2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft EZ * KG *, *, vertreten durch die Mecenovic Rechtsanwalt GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei S* Gesellschaft mbH, *, vertreten durch Dr. Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, sowie die Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei 1. R*gesellschaft mbH, *, vertreten durch die Holler & Höfler Rechtsanwälte OG in Leibnitz, 2. L* GmbH, *, vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 124.837,18 sA, über die außerordentliche Revision der Erstnebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. März 2021, GZ 4 R 207/20y-76, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Dem Erwerber eines Wohnungseigentumsobjekts steht die Sachlegitimation zur Geltendmachung der Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger grundsätzlich allein zu (RIS-Justiz RS0082907; RS0119208)

[2] 2. Steht allen Wohnungseigentümern aus ihren individuellen Verträgen gegen den Bauträger gemeinsam ein Anspruch auf das Deckungskapital für die Sanierung bestehender Mängel an allgemeinen Teilen des Hauses (oder eines Vorschusses hierauf) zu, kann jeder einzelne Wohnungseigentümer nur den auf seinen Anteil entfallenden Teil begehren. Dieser Anspruch ist auf Geld gerichtet und damit teilbar (RS0013214 [T8, T10]; RS0017118 [T4, T6]). Die Geltendmachung von Deckungskapital durch den Wohnungseigentümer zur Beseitigung von Mängeln an allgemeinen Teilen der Liegenschaft begründet also keine Gesamthandforderung (1 Ob 184/12h).

[3] Ein selbstständiges Klagerecht des einzelnen Wohnungseigentümers auf das Ganze besteht daher nicht, es sei denn, die anderen Wohnungseigentümer hätten ihm ihre Ansprüche zediert (RS0013214 [T14]; RS0017118 [T9]). Das gilt auch dann, wenn die individuellen Ansprüche einzelner Wohnungseigentümer erloschen sind oder in eine Naturalobligation umgewandelt wurden (2 Ob 123/12w; 5 Ob 21/09p). Die Teilansprüche sind in ihrem Schicksal ja unabhängig, sie können einzeln verändert werden und selbstständig erlöschen (7 Ob 48/18m).

[4] 3. Der Wohnungseigentümer kann seine die Liegenschaft betreffenden Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche der Eigentümergemeinschaft abtreten (§ 18 Abs 2 Fall 1 WEG). Die Liegenschaft betreffende Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche sind insbesondere jene Ansprüche, die aus dem vom Wohnungseigentümer (als dem Erwerber eines Wohnungseigentumsobjekts) mit dem Bauträger abgeschlossenen Vertrag herrühren.

[5] Mit der Abtretung nach § 18 Abs 2 WEG erwirbt die Eigentümergemeinschaft diese Ansprüche und sie kann sie im eigenen Namen geltend machen (5 Ob 174/20d). Bei Geldforderungen, wie einem auf Geld gerichteten Schadenersatzanspruch und einem Begehren auf Ersatz der Verbesserungskosten, steht dem abtretenden Wohnungseigentümer nur ein aliquoter, seinem Miteigentumsanteil entsprechender Anspruch zu. Daher kann auch die Eigentümergemeinschaft nicht den gesamten Geldbetrag, sondern nur den ihr abgetretenen aliquoten Teilbetrag geltend machen, es sei denn es haben – so wie hier – alle Wohnungseigentümer ihre jeweiligen Ansprüche abgetreten (RS0013213 [T17]).

[6] Auf die Abtretung nach § 18 Abs 2 WEG kommen die allgemeinen Grundsätze der Zession (§§ 1392 ff ABGB) zur Anwendung (6 Ob 115/18g). Durch die Abtretung ändert sich demnach nur die Rechtszuständigkeit, nicht aber der Inhalt der abgetretenen Forderung (§ 1394 ABGB; 3 Ob 140/11a). Die Rechtsstellung des Schuldners darf durch die Abtretung nicht verschlechtert werden. Der Anspruch bleibt immer derselbe (RS0032692; RS0032793; 1 Ob 184/12h). Daher wird auch der Beginn des Laufs der Verjährung des abgetretenen Anspruchs durch die Abtretung nicht verändert (RS0032793 [T1]).

[7] 4. Die Klägerin macht hier die ihr nach § 18 Abs 2 WEG abgetretenen Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer auf anteiligen Ersatz des Deckungskapitals für die Sanierung bestehender Mängel geltend. Die Beklagte erhob den Einwand der Verjährung.

[8] Die – hier maßgebliche (5 Ob 188/20p) – dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt, wenn der Geschädigte Kenntnis vom ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt erlangt (RS0034322; RS0034366; RS0034374; RS0034387; RS0034459; RS0034524; RS0034547; RS0034951; RS0050338). Die Verjährung ist – wie dargestellt – für jeden einzelnen abgetretenen Anspruch gesondert zu prüfen. Abzustellen ist daher auf die jeweilige Kenntnis der einzelnen Wohnungseigentümer.

[9] Dies hat das Berufungsgericht – entgegen der Auffassung der Revisionswerberin – auch getan. Mit ihrer Argumentation, das Berufungsgericht habe die Klageforderung als Gesamthandforderung gesehen und die Verjährung generalisierend, also ohne die gebotene gesonderte Prüfung der Verjährung der einzelnen Teil-Ansprüche im Verhältnis zu jedem einzelnen abtretenden Wohnungseigentümer verneint, missversteht sie dessen Ausführungen. Insoweit der Sachverhalt für alle Wohnungseigentümer gleichgelagert ist, bestand keine Notwendigkeit für eine (noch) deutlichere sprachliche Differenzierung. Dort, wo andere tatsächliche Gegebenheiten es geboten, nämlich in Bezug auf jenen Wohnungseigentümer, für den aufgrund seiner beruflichen Qualifikation ein anderer Maßstab gelten mag, hat das Berufungsgericht ohnedies speziell Bezug genommen.

[10] 5. Ab wann eine die Verjährungsfrist auslösende Kenntnis der dafür maßgeblichen Tatsachen anzunehmen ist, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig (RS0034374 [T47]; RS0034524 [T23, T41]; RS0113916 [T1, T5]), sodass diese Beurteilung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 ZPO aufwirft. Das gilt im Besonderen für die hier strittige Frage des Ausmaßes der Erkundigungspflicht der Geschädigten (5 Ob 114/20f; RS0113916; RS0034327). Die Revisionswerberin zeigt in ihrer Revision auch keine ausnahmsweise auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung auf.

[11] Nach ständiger Rechtsprechung darf sich der Geschädigte zwar nicht einfach passiv verhalten (RS0065360), wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann. Dann ist jener Zeitpunkt für die Kenntnisnahme (und damit für den Beginn der Verjährungsfrist) maßgeblich, zu dem dem Geschädigten der maßgebliche Sachverhalt bei angemessener Erkundigung bekannt geworden wäre (RS0034327; RS0034335).

[12] Diese Erkundigungsobliegenheit darf nicht überspannt werden (RS0034327 [T6, T27, T31]; RS0034603 [T22]; RS0034524 [T48]). Es braucht deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt im Sinn konkreter Verdachtsmomente, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden (RS0034327 [T21, T42]). Wenn die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und bei verschuldensabhängiger Haftung die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen, Fachwissen voraussetzt, beginnt die Verjährungsfrist regelmäßig erst dann zu laufen, wenn der Geschädigte durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt hat (RS0034603 [T23]). Im Regelfall ist er aber nicht verpflichtet ein Privatgutachten einzuholen (RS0034327 [T47]). Im Einzelfall kann aber – wenn eine Verbesserung des Wissensstands nur so möglich und dem Geschädigten das Kostenrisiko zumutbar ist – auch die Einholung eines Privatgutachtens als Obliegenheit des Geschädigten angesehen werden (RS0113916 [T4]; RS0034327 [T10, T33]).

[13] Ausgehend von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung hat das Berufungsgericht das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls und damit die Verpflichtung, schon zu einem früheren Zeitpunkt ein Privatgutachten einzuholen, verneint. Es hat sich dabei mit den damals bestehenden (angeblichen) Verdachtsmomenten ausführlich auseinanderge-setzt. Die nach den Feststellungen auch für einen baulichen Laien sichtbaren Schäden hätten keine Erkundigungs-obliegenheit der Wohnungseigentümer ausgelöst, weil es damals keine Anhaltspunkte gegeben habe, dass diese Schäden in einem Ursachenzusammenhang mit einer schon ursprünglich massiv fehlerhaften Herstellung der Fassade stehen. Eine von der Beklagten hervorgehobene Äußerung in einem der eingeholten Angebote für die Sanierung dieser Mängel sei nicht mehr als eine bloße Mutmaßung zu möglichen Schadensursachen gewesen. Auch die vergleichsweise geringfügigen Angebotsbeträge hätten nicht auf das Ausmaß der Schäden und deren in den zahlreichen Mängeln bei der Herstellung der Fassade gelegenen Ursache schließen lassen. Diese (abgelehnten) Sanierungsangebote seien daher noch keine ausreichend massiven Verdachtsmomente dafür gewesen, dass die Schadensursache die grob mangelhafte Herstellung der Fassade mit dem Erfordernis ihrer gänzlichen Sanierung gewesen sei und daher die Beklagte diese Schäden verschuldet habe. Die Wohnungseigentümer hätten daher keinen ausreichenden Anlass zur weitergehenden Überprüfung gehabt.

[14] Diese – zusammengefasst dargestellte – Beurteilung des Berufungsgerichts ist nicht korrekturbedürftig. Das gilt, ungeachtet dessen, dass an einen Fachmann ein strengerer Maßstab anzulegen ist (vgl RS0034327 [T41]), auch für den Schluss des Berufungsgerichts, unter den gegebenen Umständen gelte das Gesagte auch für jenen Wohnungseigentümer, der Geschäftsführer des Bauunternehmens ist, das eines der Sanierungsangebote gelegt hat und dabei nur allgemeine Mutmaßungen (vgl RS0034603 [T26]; RS0034524 [T18]; RS0034547 [T6]) über mögliche Schadensursachen angestellt hat.

[15] 6. Die außerordentliche Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Leitsätze

  • Zur Abtretung an die Eigentümergemeinschaft und zum Verjährungsbeginn

    Die die Liegenschaft betreffenden Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche eines Wohnungseigentümers können nach § 18 Abs 2 Fall 1 WEG an die Eigentümergemeinschaft abgetreten werden. Der Anspruch bleibt derselbe. Der Beginn des Laufs der Verjährung des abgetretenen Anspruchs verändert sich durch die Abtretung also nicht. Zedieren mehrere Wohnungseigentümer ihre Ansprüche, ist die Verjährung für jeden Anspruch gesondert zu prüfen.
    Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 102/21t | OGH vom 16.12.2021 | Dokument-ID: 1113298