Dokument-ID: 893270

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 143/16i; OGH; 25. Oktober 2016

GZ: 5 Ob 143/16i | Gericht: OGH vom 25.10.2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. S***** P*****, vertreten durch den Sachwalter Dr. Wolfgang Kretschmer, Rechtsanwalt in Wien, 2. Mag. H***** P*****, 3. A***** S*****, 4. I***** I*****, 5. M***** I*****, 6. J***** B*****, 7. J***** B*****, 8. I***** G*****, gegen die Antragsgegnerinnen 1. E***** GmbH, *****, vertreten durch die Hausmann & Hausmann Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 2. Eigentümergemeinschaft des Hauses *****, unter Beiziehung weiterer Mieter und Miteigentümer des Hauses *****, wegen § 37 Abs 1 Z 12 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. April 2016, GZ 40 R 90/15d-37, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 28. Jänner 2015, GZ 30 MSch 10/11a-25, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Die Vorinstanzen bejahten das Rechtsschutzinteresse der Antragsteller an der Feststellung der zulässigen monatlichen Betriebskostenpauschalrate für das Jahr 2006. Dieses gehe nicht deshalb verloren, weil die Betriebskosten für das Jahr, auf das sich das Begehren beziehe, bereits vollständig abgerechnet worden seien. Anders als das Erstgericht, das aussprach, auf die Wohnung der Antragsteller entfielen 9,65 % der gesamten das Haus betreffenden monatlichen Nettopauschalrate, legte das Rekursgericht zugrunde, dass auf die Wohnung der Antragsteller 6,7219 % der gesamten monatlichen Pauschalrate entfielen. Dabei ging es von dem mit Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 23.05.2008 für die Zeit ab Juli 2005 rechtskräftig festgesetzten Anteil der Wohnung an der Gesamtnutzfläche des Hauses aus.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin, die das Fehlen eines rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung geltend macht. Mit der Abrechnung der Betriebskosten für das Jahr 2006 sei ein allfälliger Abrechnungssaldo zugunsten der Mieter festgestanden, den diese mit Leistungsklage geltend machen hätten können. Nach herrschender Auffassung verdränge bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Möglichkeit der Leistungsklage den Feststellungsanspruch.

Rechtliche Beurteilung

1. Der allein noch den Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens bildende Antrag auf Feststellung der zulässigen monatlichen Nettobetriebskostenpauschalrate kann § 37 Abs 1 Z 8 unterstellt werden. Feststellungsanträge nach § 37 MRG setzen grundsätzlich ein Feststellungsinteresse voraus (5 Ob 189/15b mwN). Nur dann, wenn die Klärung der (hier:) zulässigen monatlichen Nettopauschalrate nur noch von rein theoretischer Bedeutung wäre, wäre das Rechtsschutzbedürfnis abzulehnen (vgl RIS-Justiz RS0006880 [T21]).

2. Die Erstantragsgegnerin stellt die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass allfällige Rückforderungsansprüche aus der Jahresabrechnung 2006 wegen einer allenfalls zu hoch vorgeschriebenen Pauschalrate noch nicht verjährt sind, nicht mehr infrage. Darauf ist aus Anlass des Revisionsrekurses nicht mehr einzugehen (vgl RIS-Justiz RS0043338 [T4, T13, T15, T27]).

3.1 Die monatliche Pauschalrate stellt einen Mietzinsbestandteil dar (RIS-Justiz RS0070107; RS0069893 [T3]). Nach ständiger Rechtsprechung steht für die selbstständige Rückforderung zu viel gezahlter Mietzinse – ungeachtet der Möglichkeit, gemäß § 37 Abs 4 MRG, der die Zulässigkeit des Rechtswegs für derartige Ansprüche berührt (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 37 MRG Rz 76), einen Rückzahlungstitel zu schaffen – nur der streitige Rechtsweg zur Verfügung. Das gilt auch für das Begehren auf Rückforderung zu viel geleisteter Pauschalraten (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 21 MRG Rz 57 mit Hinweisen auf zweitinstanzliche Judikatur).

3.2 Seit dem Inkrafttreten des wohnrechtlichen Außerstreitbegleitgesetzes (mit 01.01.2005) ist die Unterbrechung wegen eines anhängigen Außerstreitverfahrens nach § 190 ZPO der Beurteilung des Gerichts überlassen, das nach Zweckmäßigkeitserwägungen zu entscheiden hat (Fucik in Rechberger, ZPO4 § 190 Rz 1). Auch ohne Unterbrechung wird jedoch eine Bindung des Streitrichters an die im Außerstreitverfahren rechtskräftig entschiedene Vorfrage (hier: Höhe der monatlichen Pauschalrate) angenommen (Klicka in Hausmann/Vonkilch, aaO, § 37 MRG Rz 16; Würth/Zingher/Kovanyi § 37 MRG Rz 8).

3.3 Zwischen der Möglichkeit, in Verbindung mit einem in das Außerstreitverfahren verwiesenen Feststellungsantrag einen Rückforderungstitel nach § 37 Abs 4 MRG zu erhalten, und der Geltendmachung des Anspruchs mit einer selbstständigen Klage, besteht echte Konkurrenz (Würth/Zingher/Kovanyi aaO, § 37 MRG Rz 8; Klicka aaO, § 37 MRG Rz 16). Das rechtliche Interesse geht damit nicht schon mit der Möglichkeit zur Erhebung einer Leistungsklage verloren. Es liegt vielmehr im Belieben des Rückfordernden, zunächst einen (Feststellungs-)Antrag im Außerstreitverfahren zu stellen oder diese Voraussetzung als Vorfrage der Beurteilung im Rückforderungsprozess zu überlassen (Würth/Zingher/Kovanyi aaO, § 37 MRG Rz 8). Sind daher allfällige Rückforderungsansprüche aus der Betriebskostenabrechnung des Jahres 2006 noch nicht verjährt, sind Fragen nach der zulässigen monatlichen Pauschalrate keineswegs von rein theoretischer Natur, bloß weil bereits eine Jahresabrechnung vorliegt. In der Bejahung des Interesses an der Feststellung der – unter Zugrundelegung des mit Juli 2005 rechtskräftig festgesetzten Anteils der Wohnung an der Gesamtnutzfläche – zulässigen Pauschalrate liegt damit auch keine im Einzelfall (vgl dazu RIS-Justiz RS0039177 [T1]; RS0037977 [T2]; RS0039201 [T6]) aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Leitsätze

  • Besteht Konkurrenz zwischen Leistungsklage und Feststellungsklage bei Rückforderung von Betriebskosten?

    Der Rückfordernde kann nach Belieben entweder einen Rückforderungstitel nach § 37 Abs 4 MRG in Verbindung mit einem in das Außerstreitverfahren verwiesenen Feststellungsantrag anstreben oder den Anspruch mit einer selbstständigen Klage geltend machen. Das rechtliche Interesse an der Feststellung wird nicht durch die Möglichkeit zur Erhebung einer Leistungsklage beseitigt.
    WEKA (epu) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 143/16i | OGH vom 25.10.2016 | Dokument-ID: 893269