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5 Ob 155/16d; OGH; 29. September 2016
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1. A***** P*****, und 2. Dipl.-Wirtschaftsing. (FH) G***** P*****, beide vertreten durch Dr. Hannes K. Müller, Rechtsanwalt in Graz, wegen Grundbuchseintragungen in EZ ***** KG ***** und EZ ***** sowie EZ ***** KG *****, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 12. Juli 2016, AZ 4 R 88/16i, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 9. März 2016, TZ 3155/2016, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts einschließlich seines rechtskräftigen Teils lautet:
„Urkunden
1 Schenkungsvertrag vom 22.12.2015
2 Bescheinigung Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 07.01.2016
3 Heiratsurkunde vom 31.07.1982
4 Geburtsurkunde vom 06.06.1962
I
Bewilligt wird
1 in EZ ***** KG *****
auf Anteil B-LNR 1
1 ANTEIL: 1/1
A***** E*****
GEB: ***** ADR: *****
zu 1/2 (hinsichtlich der Liegenschaft)
die Einverleibung des Eigentumsrechtes
für A***** P*****, geb. *****
2 in EZ ***** KG *****
auf Anteil B-LNR 1
1 ANTEIL: 1/1
A***** E*****
GEB: ***** ADR: *****
zu 1/2 (hinsichtlich der Liegenschaft)
die Einverleibung des Eigentumsrechtes
für Dipl.-Wirtschaftsing. (FH) G***** P*****, geb. *****
3 in EZ ***** KG *****
auf Anteil gemäß Pkt 1
auf Anteil gemäß Pkt 2
die Einverleibung/Ersichtlichmachung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes
gemäß X. Schenkungsvertrag vom 22.12.2015
für A***** auch L***** E*****, geb. *****
4 in EZ ***** KG *****
auf Anteil B-LNR 16
16 ANTEIL: 62/2478
A***** E*****
GEB: ***** ADR:*****
b 28499/1995 Wohnungseigentum an W 6 (P*****)
zu 31/2478 (hinsichtlich der Liegenschaft)
die Einverleibung des Eigentumsrechtes
für A***** P*****, geb. *****
die Anmerkung der Verbindung dieser Anteile gemäß §§ 5 Absatz 3 und 13 Absatz 3 WEG 2002 infolge der Eigentümerpartnerschaft
5 in EZ ***** KG *****
auf Anteil B-LNR 16
16 ANTEIL: 62/2478
A***** E*****
GEB: ***** ADR: *****
b 28499/1995 Wohnungseigentum an W 6 (P*****)
zu 31/2478 (hinsichtlich der Liegenschaft)
die Einverleibung des Eigentumsrechtes
für Dipl.-Wirtschaftsing. (FH) G***** P*****, geb. *****
die Anmerkung der Verbindung dieser Anteile gemäß §§ 5 Absatz 3 und 13 Absatz 3 WEG 2002 infolge der Eigentümerpartnerschaft
6 in EZ ***** KG *****
auf Anteil gemäß Pkt 4
auf Anteil gemäß Pkt 5
die Einverleibung/Ersichtlichmachung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes gemäß X. Schenkungsvertrag vom 22.12.2015
für A***** auch L***** E*****, geb. *****
7. in EZ ***** KG *****
auf Anteil B-LNR 45
45 ANTEIL: 156/2652
A***** E*****
GEB: ***** ADR: *****
a 10435/1979 Wohnungseigentum an W 6 Block I
zu 78/2652 (hinsichtlich der Liegenschaft)
die Einverleibung des Eigentumsrechtes
für A***** P*****, geb. *****
die Anmerkung der Verbindung dieser Anteile gemäß §§ 5 Absatz 3 und 13 Absatz 3 WEG 2002 infolge der Eigentümerpartnerschaft
8 in EZ ***** KG *****
auf Anteil B-LNR 45
45 ANTEIL: 156/2652
A***** E*****
GEB: ***** ADR: *****
a 10435/1979 Wohnungseigentum an W 6 Block I
zu 78/2652 (hinsichtlich der Liegenschaft)
die Einverleibung des Eigentumsrechtes
für Dipl.-Wirtschaftsing. (FH) G***** P*****, geb *****
die Anmerkung der Verbindung dieser Anteile gemäß §§ 5 Absatz 3 und 13 Absatz 3 WEG 2002 infolge der Eigentümerpartnerschaft
9 in EZ ***** KG *****
auf Anteil gemäß Pkt 7
auf Anteil gemäß Pkt 8
die Einverleibung/Ersichtlichmachung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes
gemäß X. Schenkungsvertrag vom 22.12.2015
für A***** auch L***** E*****, geb. *****
10 in EZ ***** KG *****
auf Anteil gemäß Pkt 1
auf Anteil gemäß Pkt 2
Einverleibung/Wohnungsgebrauchsrecht
gemäß IX. Schenkungsvertrag vom 22.12.2015
für A***** auch L***** E*****, geb. *****.“
„Verständigt wird
1) Dr. Hannes K. Müller, GZ GB-000096, Radetzkystraße 18, 8010 Graz
2) A***** P*****
3) Dipl.-Wirtschaftsing. (FH) G***** P*****
4) A***** auch L***** E*****
5) Gemeindeamt H*****
6) Marktgemeinde L*****“
Der Vollzug sowie die Verständigung der Beteiligten obliegt dem Erstgericht.
Begründung
A***** (auch: L*****) E***** war Alleineigentümerin der EZ 462 KG ***** und Mit- und Wohnungseigentümerin ob der EZ 2024 und EZ 1526 jeweils KG *****. Sie schenkte mit dem nicht als Notariatsakt errichteten Schenkungsvertrag vom 22.12.2015 die Liegenschaft und ihre Liegenschaftsanteile je zur Hälfte ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn, den beiden Antragstellern.
Der vorgelegte Schenkungsvertrag hat folgenden relevanten Inhalt:
„III Übergabe
Die Übergabe und die Übernahme der jeweiligen Geschenkobjekte samt Lasten und Vorteilen, Gefahr und Nutzen erfolgte bereits vor Unterfertigung dieses Schenkungsvertrages durch gemeinsame Besichtigung und Übernahme der Verwaltungsgeschäfte der Geschenkobjekte und unter Abschreiten der Grundstücksgrenzen, sowie Übergabe sämtlicher bezughabenden notwendigen Unterlagen (Dokumente, Verträge und Schlüssel etc). Dies wird seitens der Vertragsparteien ausdrücklich bestätigt.
IX Wohnungsgebrauchsrecht
1. Die Geschenknehmer ... räumen nunmehr als Eigentümer von je 1/2 ideellen Miteigentumsanteilen an der EZ ***** KG *****, für sich und ihre Rechtsnachfolger, der Geschenkgeberin ... die Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts an den je 1/2 ideellen Miteigentumsanteilen der EZ ***** KG *****, nach Inhalt und Maßgabe des nachfolgenden Punktes ein und nimmt die Geschenkgeberin ... die Einräumung dieser Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts vertragsgemäß unter einem an.
2. Das Wohnungsgebrauchsrecht umfasst lediglich das Wohnhaus mit der Adresse ***** samt Wirtschaftsgebäude, samt einer Grundfläche von 2.000 m2 gemäß dem einen integrierenden Bestandteil des gegenständlichen Schenkungsvertrags bildenden Planes, Beilage ./1, wobei die Fläche strichliert umrahmt ist, samt freier Zu- und Abfahrt zu Wiesen, Wohnhaus bzw der Grundfläche.
3. Die Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts wird unentgeltlich eingeräumt und verpflichten sich die Geschenknehmer zur ungeteilten Hand zur Übernahme sämtlicher wie auch immer gearteter Kosten für ein ordnungsgemäßes Bewohnen des vom Wohnungsgebrauchsrecht umfassten Objektes, Betriebskosten, Heizkosten und Stromkosten etc., sowie auch Übernahme sämtlicher Erhaltungsarbeiten.
4.) Lediglich der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass es der Wohnungsgebrauchsberechtigten ... auch gestattet ist, einen Lebensgefährten oder auch eine Pflegerin aufzunehmen, ohne, dass dies am Umfang und einer Kostentragungspflicht des gegenständlichen Wohnungsgebrauchsrechtes etwas ändert.“
Unter Vertragspunkt X räumten die Geschenknehmer der Geschenkgeberin ein Belastungs- und Veräußerungsverbot ob der Liegenschaften EZ 462, 2042 und 1562 ein. Vertragspunkt XII enthält die Aufsandungserklärungen.
Die Antragsteller begehrten aufgrund des Schenkungsvertrags und anderer Urkunden die Einverleibung ihres (Mit-)Eigentumsrechts, des Belastungs- und Veräußerungsverbots sowie des Wohnungsgebrauchsrechts in der EZ 462 auf ihren Hälfteanteilen gemäß Punkt IX des Schenkungsvertrags vom 22.12.2015.
Das Erstgericht bewilligte das Grundbuchsgesuch mit Ausnahme der Einverleibung des Wohnungsgebrauchsrechts. Dieses sei nach dem vorgelegten Schenkungsvertrag unentgeltlich eingeräumt worden, wobei sich die Geschenknehmer überdies verpflichtet hätten, sämtliche wie auch immer geartete Kosten eines ordnungsgemäßen Bewohnens des vom Wohnungsgebrauchsrecht umfassten Objekts zur ungeteilten Hand zu übernehmen sowie auch sämtliche Erhaltungsarbeiten zu tragen. Dem Schenkungsvertrag sei eine ausdrückliche Bestätigung der wirklichen Übergabe der Dienstbarkeit nicht zu entnehmen, weshalb die Urkunde in der Form eines Notariatsakts zu errichten gewesen wäre. Sollte aber keine notariatsaktspflichtige Schenkung vorliegen, fehle der für die Einverleibung der Dienstbarkeit erforderliche Nachweis eines gültigen Rechtsgrundes.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller gegen die Teilabweisung des Grundbuchsgesuchs nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Rechtlich folgerte es zusammengefasst, ein Notariatsakt sei bei der unentgeltlichen Einräumung eines persönlichen lebenslangen Wohnungsgebrauchsrechts nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dann entbehrlich, wenn im Vertrag auch vom Geschenkgeber bestätigt werde, dass die Übergabe bereits erfolgt sei. Die in Punkt III des vorgelegten Schenkungsvertrags festgehaltene Übergabe und Übernahme „der jeweiligen Geschenkobjekte“ beziehe sich entsprechend der Systematik der Urkunde nur auf die zuvor in Vertragspunkt II angeführten und dort als „Geschenkobjekte“ bezeichneten Liegenschaften und Liegenschaftsanteile. Insoweit sei der urkundliche Nachweis der „wirklichen Übergabe“ im Sinn des § 1 Abs 1 lit d NotAktG als erbracht anzusehen und es sei die Einverleibung des Eigentumsrechts der Antragsteller zu bewilligen gewesen. Das Gegenstand des Vertragspunkts IX. bildende Wohnungsgebrauchsrecht werde hingegen erst mit Abschluss des Schenkungsvertrags eingeräumt („die Geschenknehmer … räumen nunmehr als Eigentümer …“). Eine bereits stattgefundene „wirkliche Übergabe“ des von dem Wohnungsgebrauchsrecht umfassten Teils der EZ 462 werde nicht behauptet und sei nicht urkundlich nachgewiesen. Zufolge § 26 Abs 2 GBG könnte die Verbücherung eines Wohnungsgebrauchsrechts nur aufgrund von Urkunden erfolgen, die einen gültigen Rechtstitel enthielten. Der Vertrag nenne den Grund für die Einräumung des Wohnungsgebrauchsrechts, also den mit der Rechtseinräumung verfolgten rechtlichen bzw wirtschaftlichen Zweck als grundsätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung von Rechtsgeschäften jedoch nicht. Es werde insbesondere nicht zum Ausdruck gebracht, dass es sich dabei um ein Recht handle, das sich die Geschenkgeberin vorbehalten habe.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 82/15t aufgrund eines gleichgelagerten Sachverhalts die (dort allerdings) ausdrücklich „als Gegenleistung“ bezeichnete Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts bewilligt habe, weshalb möglicherweise eine uneinheitliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig und berechtigt.
1. Nach § 1 Abs 1 lit d NotAktG bedürfen Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsakts. Eine „wirkliche Übergabe“ muss nach außen erkennbar und so beschaffen sein, dass aus ihr der Wille des Schenkers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsamen in Besitz des Beschenkten zu übertragen (RIS-Justiz RS0011383; RS0011295 [T16]). Der Ausdruck „wirkliche Übergabe“ bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens (RIS-Justiz RS0011295 [T2]; RS0011383 [T6]; RS0018908 [T1]).
2. Im Grundbuchsverfahren ist für die Beantwortung der Frage der Übertragung der Gewahrsamen und damit der wirklichen Übergabe der Wortlaut des Schenkungsvertrags maßgeblich (RIS-Justiz RS0060878, 5 Ob 82/15t; 5 Ob 181/15a). Der „Nachweis“ der Übergabe erschöpft sich daher in mehr oder weniger ausführlichen Urkundenfloskeln (5 Ob 172/15b; 5 Ob 227/14i mwN). Konkrete Übergabsakte müssen nicht dargestellt werden, es genügt ein Hinweis in der Vertragsurkunde, dass die „Übergabe“ bereits erfolgt ist (RIS-Justiz RS0018923), soferne aufgrund des gesamten Urkundeninhalts keine Zweifel daran bestehen, dass die Geschenkgeber die geschenkte Liegenschaft tatsächlich „real“ aus der Hand gegeben haben (5 Ob 8/16m; 5 Ob 76/16m).
3. Die in Punkt III des Schenkungsvertrags enthaltene Bestätigung der Übergabe und die Übernahme der jeweiligen Geschenkobjekte bereits vor Unterfertigung dieses Schenkungsvertrags war im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ein ausreichender Nachweis für die wirkliche Übergabe der Liegenschaft und der Liegenschaftsanteile. Nur diese sind gemäß Vertragspunkt II Gegenstand des Schenkungsvertrags und – wie das Rekursgericht zutreffend darlegte – von der Formulierung im Vertragspunkt III zur Übergabe und Übernahme der „jeweiligen Geschenkobjekte“ erfasst. Eben aus diesem Grund, dass das Wohnungsgebrauchsrecht kein Gegenstand einer Schenkung ist, bedarf es des urkundlichen Nachweises einer Übergabe dieses Rechts jedoch nicht.
4. Es können zwar auch Dienstbarkeiten Gegenstand einer Schenkung sein (3 Ob 599/83; 5 Ob 147/14z; RIS-Justiz RS0018891). Die Schenkung eines Wohnungsgebrauchsrechts ohne dessen wirklichen Übergabe bedarf nach § 1 Abs 1 lit d NotAktG daher eines Notariatsakts, wie der Oberste Gerichtshof in der von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung 5 Ob 147/14z ausgesprochen hat. Bei der Einräumung einer Dienstbarkeit kommt für die wirkliche Übergabe im Sinn des § 943 ABGB unter anderem die tatsächliche Gestattung der Ausübung dieses Rechts in Betracht (3 Ob 599/83 = RIS-Justiz RS0018936; vgl RS0018975).
5. Essentielles Merkmal eines Schenkungsvertrags ist die wesentliche Absicht einer unentgeltlichen Zuwendung (5 Ob 339/99k mwN; 5 Ob 147/14z; RIS-Justiz RS0018833). Die Schenkungsabsicht fehlt, wenn der Geschenkgeber die Sache in Erfüllung einer Verbindlichkeit überlässt (5 Ob 179/15g mwN). Im Grundbuchsverfahren muss das Einverständnis über die (teilweise) Unentgeltlichkeit aus den beigebrachten Urkunden hervorgehen (5 Ob 141/94; 5 Ob 39/14t; 5 Ob 179/15g). Fehlt ein ausreichender Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Schenkungswillens, ist von einem entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen (vgl RIS-Justiz RS0060878 [T18]; 5 Ob 179/15g).
7. Hier fehlt die Schenkungsabsicht, soweit es die Einräumung des Wohnungsgebrauchsrechts zugunsten der Gechenkgeberin betrifft. Dieses Recht wurde nach dem Wortlaut der Grundbuchsurkunde zwar unentgeltlich eingeräumt. Unentgeltlichkeit einer Servitutsbestellung schließt eine Schenkungsabsicht nicht zwingend ein (5 Ob 339/99k mwN). Das Wohnungsgebrauchsrecht steht im eindeutigen Zusammenhang mit der Schenkung der Liegenschaft. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wertet Wohnungsgebrauchs- oder Wohnungsfrucht-genussrechte, die zugunsten des Übergebers oder Schenkers vorbehalten bleiben, nicht als Gegenleistung, sondern als Wertminderung (RIS-Justiz RS0012978 [T8, T9, T11]). Als Gegenleistung ist nur eine aus dem Vermögen des Übernehmers erbrachte Leistung zu veranschlagen, nicht daher der Vorbehalt von Nutzungen oder sonstigen Befugnissen eines Eigentümers, die dem Übergeber kraft seines Eigentums zustanden und die er sich zum Teil über den Übergabszeitpunkt hinaus vorbehält (RIS-Justiz RS0012978 [T10]). Das der Geschenkgeberin eingeräumte Wohnungsgebrauchsrecht ist daher (zumindest) eine wertmindernde Belastung, welche die Geschenknehmer nach dem Vertrag zu übernehmen haben. Die Übernahme sämtlicher Kosten für das ordnungsgemäße Bewohnen des vom Wohnungsgebrauchsrecht umfassten Objekts (Punkt IX.3) durch die Geschenknehmer indiziert keine Schenkungsabsicht, soweit das Wohnungsgebrauchsrecht betroffen ist. Diese Verpflichtung bewirkt lediglich eine höhere Belastung der Geschenknehmer und verringert damit den Schenkungswert der Liegenschaft.
8. Ein Wohnungsgebrauchsrecht kann zufolge § 26 Abs 2 GBG nur aufgrund Urkunden einverleibt werden, die einen gültigen Rechtsgrund enthalten (RIS-Justiz RS0113380). Nach § 480 ABGB gibt jeder Vertrag einen tauglichen Rechtsgrund für die Dienstbarkeitsbestellung ab (RIS-Justiz RS0101795). Der bloße Hinweis auf die vertragliche Einräumung einer Dienstbarkeit reicht nicht aus, die causa, also den mit der Rechtseinräumung verfolgten rechtlichen Zweck als grundsätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung von Rechtsgeschäft nachzuweisen. Es muss sich aus der Vertragsurkunde selbst ergeben, aus welchem Rechtsgrund die Dienstbarkeit eingeräumt wurde, sei es beispielsweise durch Kauf, Schenkung oder in Erfüllung einer bereits bestehenden (etwa beim Kauf einer Liegenschaft übernommenen) Verpflichtung (5 Ob 339/99k; 5 Ob 247/02p; 5 Ob 147/14z).
9. Das Wohnungsgebrauchsrecht wurde der Geschenkgeberin anlässlich der Schenkung einer Liegenschaft eingeräumt. Dieses Recht mag keine die Unentgeltlichkeit der Liegenschaftsübergabe ausschließende (äquivalente) Gegenleistung für die Liegenschaft sein. Der sich aus der vorgelegten Grundbuchsurkunde ergebende Zusammenhang zwischen Schenkung und Wohnungsgebrauchsrecht ist für den Nachweis des von den Parteien verfolgten (zumindest) wirtschaftlichen Zwecks jedoch ausreichend. Die Grundbuchsurkunde musste daher keine Formulierung enthalten, dass sich die Geschenkgeberin die Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts vorbehält. Die in den Schenkungsvertrag aufgenommene Einräumung des Rechts und dessen Annahme genügt.
10. Es mangelt somit weder am Rechtsgrund noch musste das Wohnungsgebrauchsrecht in Form eines Notariatsakts eingeräumt werden. Andere Abweisungsgründe liegen nicht vor. Das Grundbuchsgesuch auf Einverleibung des Wohnungsgebrauchsrechts ist antragsgemäß zu bewilligen.
Leitsätze
-
Ist ein Notariatsakt zur Einräumung einer Dienstbarkeit im Rahmen der Schenkung einer Liegenschaft erforderlich?
Eine Dienstbarkeit kann Gegenstand einer Schenkung sein und benötigt in diesem Fall entweder einer wirklichen Übergabe – etwa im Sinn der tatsächlichen Gestattung der Ausübung – oder eines Notariatsaktes gem § 1 Abs 1 lit d NotAktG. Bei der Einräumung des Wohnungsgebrauchsrechts für die Schenkerin einer Liegenschaft liegt allerdings in Bezug auf die Dienstbarkeit keine Schenkung vor und kann bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 26 Abs 2 GBG einverleibt werden.WEKA (red) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 155/16d | OGH vom 29.09.2016 | Dokument-ID: 881993