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5 Ob 194/16i; OGH; 1. März 2017
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft EZ ***** GB ***** (Liegenschaftsadresse *****), vertreten durch Dr. Werner Loos, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Caroline Gewolf-Vukovich, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 13.031,65 sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 13.009,21) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. Juli 2016, GZ 63 R 50/16t-17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 30. März 2016, GZ 7 C 497/15w-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 939,24 (darin EUR 156,54 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
Die Beklagte ist Miteigentümerin einer Liegenschaft in Wien. Mit deren Miteigentumsanteilen ist Wohnungseigentum an mehreren Objekten verbunden. Die Klägerin ist die Eigentümergemeinschaft.
Im August 2013 beschloss die Klägerin, die Dr. F***** KG als Verwalterin der Liegenschaft zu kündigen und beginnend mit 01.01.2014 die F***** GmbH & Co KG zur Verwalterin der Liegenschaft zu bestellen. Die Beklagte beantragte die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit dieser Beschlüsse. Die beiden Verfahren sind rechtskräftig durch Antragsabweisung beendet.
Die neue Verwalterin hat die Wohnungseigentümer mit Schreiben vom 22.11.2013 über den ihr erteilten Verwaltungsauftrag informiert und sie aufgefordert, allfällige Zahlungsaufträge an die Vorverwaltung zum 31.12.2013 zu kündigen. In den folgenden Jahren schrieb die neue Verwalterin der Beklagten monatliche Wohnbeiträge vor. Die Beklagte zahlte diese Wohnbeiträge nicht auf das von der neuen Verwaltung für die Klägerin eingerichtete Konto ein.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten rückständige Wohnbeiträge für den Zeitraum August 2014 bis Dezember 2015 samt gestaffelten Zinsen und Mahnspesen in Höhe von insgesamt EUR 13.031,65. Die neue Verwalterin habe den Wohnungseigentümern seit der Übernahme der Verwaltung mit 01.01.2014 im Namen der Klägerin die monatlich fälligen Wohnbeiträge vorgeschrieben. Die Beklagte, deren vormaliger Geschäftsführer gleichzeitig Geschäftsführer der abberufenen Vorverwaltung gewesen sei und der Bruder des derzeitigen Geschäftsführers der Beklagten sei, habe zu Unrecht behauptet, dass weiterhin eine Zahlungspflicht gegenüber der Vorverwaltung bestehe, und Zahlungen auf ein Eigenkonto der Vorverwaltung geleistet. Die nicht auf ein Konto der Eigentümergemeinschaft geleisteten Zahlungen seien nicht als schuldbefreiend anzusehen.
Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung. Sie habe die Wohnbeiträge rechtzeitig und schuldbefreiend auf das von der Vorverwaltung gemäß § 20 Abs 6 WEG für die Eigentümergemeinschaft eingerichtete Verwalterkonto gezahlt.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung eines Betrags von EUR 13.009,21 sA; das Mehrbegehren von EUR 22,44 wies es ab. Die Beklagte habe ihre Wohnbeitragszahlungen im Zeitraum August 2014 bis Dezember 2015 auf ein Anderkonto der Vorverwalterin geleistet, bei dem Kontoinhaberin und Verfügungsberechtigte die Vorverwalterin gewesen sei. Verfügungsberechtigt über dieses Kontoguthaben sei also nicht die Klägerin. Die Zahlungen der Beklagten seien somit nicht mit schuldbefreiender Wirkung erfolgt. Die Beklagte sei daher zur Zahlung der vorgeschriebenen Wohnbeiträge samt geltend gemachten gesetzlichen Verzugszinsen verpflichtet. Hingegen habe die Klägerin die begehrten Mahnspesen in Höhe von EUR 22,44 weder schlüssig behauptet noch nachgewiesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Die Kündigung der Vorverwaltung und die Bestellung der neuen Verwalterin ab 01.01.2014 sei bis zur Entscheidung über die Beschlussanfechtung und bis zur Entscheidung über die Rechtswirksamkeit der Kündigung des früheren Verwalters für sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer bindend. Die neue Verwalterin sei daher ab 01.01.2014 mit den einen Verwalter treffenden Aufgaben gemäß §§ 20 f WEG betraut gewesen. Ab diesem Zeitpunkt hätte die bisherige Verwalterin eine weitere Verwaltungstätigkeit nicht mehr entfalten dürfen und dem neuen Verwalter die erforderlichen Unterlagen übergeben müssen. Zur Klärung der Frage, wie während eines „strittigen“ Verwalterwechsels schuldbefreiend Zahlungen eines Wohnungseigentümers auf die Aufwendungen für die Liegenschaften erfolgen könnten, habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 277/05d ausgeführt, dass der Verwalter gemäß § 20 Abs 6 WEG alle die Eigentümergemeinschaft betreffenden Ein- und Auszahlungen über ein auf die Gemeinschaft lautendes und für jeden Wohnungseigentümer einsehbares gesondertes Konto durchzuführen habe. Eigentümer eines auf diesem Konto vorhandenen Guthabens sei die Eigentümergemeinschaft. Würden Zahlungen eines Wohnungseigentümers auf einem solchen Konto einlangen, sei jedenfalls sichergestellt, dass diese Zahlungen dem wirklich Berechtigten, nämlich der Eigentümergemeinschaft, zweckentsprechend zur Verfügung stünden, sodass diesen Zahlungen auch schuldbefreiende Wirkung zukommen müsse. Diesen rechtlichen Erwägungen des Obersten Gerichtshofs liege offensichtlich die Annahme zugrunde, dass der neue Verwalter das vom früheren Verwalter gemäß § 20 Abs 6 WEG eingerichtete Konto übernehme bzw das Guthaben oder Minus mit einem neu zu schaffenden Konto übernehme, da das auf einem gemäß § 20 Abs 6 WEG eingerichteten Konto vorhandene Guthaben jedenfalls dann dem neuen Verwalter nicht zur Verfügung stehe, wenn dieser erst ein neues Konto einrichten müsse und – wie im vorliegenden Fall – das Guthaben bzw die von den Wohnungseigentümern geleisteten Zahlungen vom bisherigen Verwalter nicht an den neuen Verwalter weitergeleitet würden. Bestehe daher sowohl ein vom bisherigen Verwalter als auch ein vom neuen Verwalter gemäß § 20 Abs 6 WEG eingerichtetes Konto, könne der einzelne Wohnungseigentümer mit schuldbefreiender Wirkung nur auf das Konto des neuen Verwalters Zahlung leisten. Gemäß § 1424 ABGB müsse der Schuldbetrag dem Gläubiger oder dessen zum Empfang geeigneten Machthaber geleistet werden. Machthaber der Eigentümergemeinschaft sei der von der Mehrheit der Wohnungseigentümer bestellte neue Verwalter und nicht mehr der alte, dessen Verwaltungsvertrag durch Kündigung aufgelöst worden sei. Dies gelte auch während der Zeit, in welcher ein Anfechtungsverfahren noch anhängig sei. Nach Auflösung des Verwaltungsvertrags sei der frühere Verwalter nur mehr als falsus procurator zu behandeln. Wenn ein Dritter gegenüber dem Schuldner unrichtigerweise behaupte, Machthaber des Gläubigers zu sein, werde der Schuldner durch Zahlung an den Dritten nur dann von seiner Verbindlichkeit befreit, wenn dem Dritten die Täuschung über seine Eigenschaft als Machthaber durch ein Verhalten des Gläubigers erst ermöglicht worden sei oder wenn der Gläubiger den Mangel der Empfangnahmeermächtigung durch nachträgliche Genehmigung saniere. Letzteres sei nach den Urteilsfeststellungen nicht der Fall. Zahlung an den, der fälschlich behaupte, Machthaber zu sein, befreie den Schuldner nicht, wenn die Täuschung nicht durch ein dem Gläubiger zurechenbares Verhalten ermöglicht worden sei. Die Klägerin könne als Eigentümergemeinschaft zu jedem Zeitpunkt gemäß §§ 18 Abs 3, 19 WEG nur einen einzigen Verwalter haben, dem allein alle Verwalteraufgaben und -befugnisse nach § 20 WEG zukämen. Zur Erfüllung der Verwaltungsaufgaben benötige der (einzige) Verwalter die Beiträge aller Wohnungseigentümer. Im Sinne dieser Überlegungen sei ab dem 01.01.2014 die neue Verwalterin die alleinige Verwalterin der Klägerin. Den Zahlungen der Beklagten auf das Konto der früheren Verwalterin komme daher keine schuldbefreiende Wirkung zu. Damit erübrige sich ein Eingehen auf die Frage, ob das von der früheren Verwalterin eingerichtete Anderkonto ein solches der Eigentümergemeinschaft iSd § 20 Abs 6 WEG sei.
Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil es von den höchstgerichtlichen Entscheidungen 5 Ob 277/05d und 7 Ob 56/11b abweiche.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision abzuweisen.
Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Bestellung des Verwalters und die Auflösung des Verwaltungsvertrags sind gemäß § 28 Abs 1 Z 5 WEG 2002 Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft (RIS-Justiz RS0106051 [T5]). Als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung ist der wirksame Beschluss der Eigentümergemeinschaft auf Kündigung des Verwaltungsvertrags sofort vollziehbar und bewirkt die (vorläufige) Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung. Der Bestand des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft ist (nur) insoweit – auflösend (nicht aufschiebend) – bedingt, als er erst bei einem Unterbleiben fristgerechter Anfechtung oder ihrem rechtskräftigen Scheitern endgültig „bestandskräftig“ ist. Hat die Eigentümergemeinschaft auch einen neuen Verwalter bestellt, muss sich der frühere Verwalter jeder Tätigkeit für das neue Verwaltungsjahr enthalten (RIS-Justiz RS0125809; vgl auch RS0122765 [T2, T3, T4, T5], RS0125756).
2.1 Mit der Frage, an wen die Vorauszahlungen der Wohnungseigentümer während eines Verfahrens auf Anfechtung des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft auf Kündigung des bisherigen Verwalters und Bestellung eines neuen Verwalters schuldbefreiend bezahlt werden können, hat sich der Oberste Gerichtshof erstmals in seiner Entscheidung 5 Ob 277/05d auseinandergesetzt. Auf Basis der damals geltenden Rechtslage, insbesondere des § 20 Abs 6 WEG 2002 idF vor der Wohnrechtsnovelle 2006 BGBl I 2006/124 (WRN 2006), sprach dieser aus, dass schuldbefreiende Zahlungen der Wohnungseigentümer während des Verfahrens auf Anfechtung der Verwalterkündigung auf das gemäß § 20 Abs 6 WEG 2002 eingerichtete Konto zu bezahlen seien (vgl RIS-Justiz RS0109645 [T5]). Diese Lösung sei schon durch das Gesetz selbst vorgezeichnet, weil § 20 Abs 6 WEG 2002 vorschreibe, wie Zahlungen auf die Aufwendungen für die Liegenschaft abzuwickeln seien. Nach dieser Bestimmung habe der Verwalter alle die Eigentümergemeinschaft betreffenden Ein- und Auszahlungen über ein auf die Gemeinschaft lautendes und für jeden Wohnungseigentümer einsehbares gesondertes Konto durchzuführen. Eigentümer eines auf diesem Konto vorhandenen Guthabens sei die Eigentümergemeinschaft. Langten Zahlungen eines Wohnungseigentümers auf dem gemäß § 20 Abs 6 WEG 2002 eingerichteten Konto ein, dann sei jedenfalls sichergestellt, dass diese Zahlungen dem wirklich Berechtigten, nämlich der Eigentümergemeinschaft zweckentsprechend zur Verfügung stehen, sodass diesen auch schuldbefreiende Wirkung zukommen müsse (5 Ob 277/05d = wobl 2006/129 [zust Call]).
2.2 In dem Erlagsverfahren zu 7 Ob 56/11b wies der Oberste Gerichtshof darauf hin, dass er die Frage, wohin Zahlungen der Wohnungseigentümer während des Verfahrens auf Anfechtung der Verwalterkündigung mit schuldbefreiender Wirkung geleistet werden können, in seiner Entscheidung 5 Ob 277/05d dahin beantwortet habe, dass auf das gemäß § 20 Abs 6 WEG 2002 (vom bisherigen Verwalter) eingerichtete Konto gezahlt werden könne.
2.3 Unter Berufung auf diese Entscheidungen führen Würth/Zingher/Kovanyi (Miet- und Wohnrecht II23 § 20 WEG Rz 35) aus, dass nur Zahlungen des Wohnungseigentümers direkt auf das gemäß § 20 Abs 6 WEG 2002 eingerichtete Konto schuldbefreiend seien.
Auch für E. M. Hausmann (Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht WEG3 § 20 WEG Rz 59) bedingt § 20 Abs 6 WEG 2002, dass Zahlungen von Wohnungseigentümern mit schuldbefreiender Wirkung nur mehr auf das für die Eigentümergemeinschaft geführte Konto möglich seien. Als Beleg dafür nennt sie die Entscheidung 5 Ob 277/05d.
Nach Auffassung von Prader (Doppelgleisigkeit bei Verwalterkündigung und Neubestellung, immolex 2007, 326) habe der Oberste Gerichtshof die Frage, wohin im Fall des Verwalterwechsels die Wohnungseigentümer ihre Beitragsleistungen zu richten haben, zwar generell zutreffend gelöst. Das Problem liege aber unter Umständen darin, dass in der Praxis der neue Verwalter häufig das [von der Vorverwaltung nach § 20 Abs 6 WEG 2002] Konto nicht übernehme, sondern mit einem neuen Konto bei „0“ beginne. In diesem Fall würde es zwei Konten der Eigentümergemeinschaft geben, auf die schuldbefreiend geleistet werden könnte. Dies sei insofern unbefriedigend, als dann keiner der Verwalter wisse, ob bezahlt worden sei bzw ob er gemäß § 20 Abs 5 WEG vorgehen müsse bzw auch, wer zu einem solchen Vorgehen berechtigt oder verpflichtet sei. Außerdem werde das Geld ja zur laufenden Kostendeckung benötigt. Seines Erachtens sei daher bei Führen von zwei Konten das des neuen Verwalters als berechtigten Verwalters führend.
Nach Neugebauer-Herl (Glosse zu 7 Ob 56/11b immolex 2011, 343/112) habe der Oberste Gerichtshof mit der Entscheidung 7 Ob 56/11b in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung klargestellt, dass im Falle eines „strittigen“ Hausverwaltungswechsels und der für den einzelnen Wohnungseigentümer damit meist auftretenden Problematik, dass er von der alten (noch nicht rechtswirksam) abgesetzten und von der bereits neu bestellten Hausverwaltung Betriebskosten/Wohnbeiträge vorgeschrieben erhalte, ein Wohnungseigentümer jedenfalls auch auf das von der bisherigen Hausverwaltung gemäß § 20 Abs 6 WEG 2002 eingerichtete Konto der Eigentümergemeinschaft schuldbefreiend leisten könne; schließlich müsse der bisherige Verwalter im Falle der Rechtswirksamkeit seiner Absetzung das Guthaben an den neuen Verwalter ausfolgen. Auf die Möglichkeit, auf das von der neu bestellten Hausverwaltung für die Eigentümergemeinschaft eingerichtete Konto zu zahlen, werde in der Entscheidung nicht näher eingegangen. Aus [vorangegangenen] oberstgerichtlichen Entscheidungen betreffend den Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit und des Feststehens der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft sei abzuleiten, dass für die Dauer des Schwebezustands nur an die bisherige Verwaltung schuldbefreiend geleistet werden könne.
3.1 Mit der WRN 2006 hat der Gesetzgeber – „in liberalisierender Abkehr“ von der ursprünglichen Festlegung des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 (RV 1183 BlgNR 22. GP 6) – die freie Wahlmöglichkeit zwischen einem Eigenkonto der Eigentümergemeinschaft und einem Anderkonto eingeräumt. Der Verwalter hat alle die Eigentümergemeinschaft betreffenden Ein- und Auszahlungen entweder über ein für jeden Wohnungseigentümer einsehbares Eigenkonto der Eigentümergemeinschaft oder über ein ebenso einsehbares Anderkonto durchzuführen (§ 20 Abs 6 WEG 2002). Die Wahl zwischen Eigen- und Anderkonto steht zunächst dem Verwalter offen; die Eigentümergemeinschaft kann ihm aber dazu auch eine Weisung erteilen (RV 1183 BlgNR 22. GP 24; Schauer in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht2 § 20 WEG Rz 32). Auch das als offenes Vollrechtstreuhandkonto zu führende Anderkonto ist streng liegenschaftsbezogen und daher für jede Eigentümergemeinschaft gesondert einzurichten (E. M. Hausmann aaO, § 20 WEG Rz 61).
3.2 Die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bezog sich – der maßgeblichen Rechtslage entsprechend – auf das nach § 20 Abs 6 WEG 2002 idF vor der WRN 2006 einzig zulässige Eigenkonto der Eigentümergemeinschaft (vgl Dirnbacher, Baustelle Wohnrecht – Wünsche, Anregungen und Forderungen an den Gesetzgeber [Wohnrechtsnovelle], wobl 2011, 297, 308 [nach dessen Auffassung die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zu 5 Ob 277/05d im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber mit der WRN 2006 in § 20 Abs 6 WEG 2002 die Einrichtung eines Anderkontos für zulässig erklärt habe, insofern weitgehend obsolet geworden seien]). Auch das dargestellte Schrifttum hat sich mit der Frage, ob die Vorauszahlungen der Wohnungseigentümer während eines Verfahrens auf Anfechtung des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft auf Kündigung des bisherigen Verwalters und Bestellung eines neuen Verwalters auch auf ein nach § 20 Abs 6 WEG 2002 igF eingerichtetes Anderkonto des abberufenen Verwalters schuldbefreiend geleistet werden können, nicht auseinandergesetzt.
3.3 Der erkennende Senat hat dazu erwogen:
3.3.1 Die den Wohnungseigentümern vorgeschriebenen Vorauszahlungen auf die Aufwendungen für die Liegenschaft stellen unabhängig von der Verwalterbestellung oder einem Verwalterwechsel Forderungen der Eigentümergemeinschaft gegen ihre Mitglieder dar. Allein die Eigentümergemeinschaft ist berechtigte Gläubigerin, nicht einer der beiden Hausverwalter (vgl E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch3 § 32 WEG Rz 59a).
3.3.2 Eine Verbindlichkeit wird durch Zahlung, das ist die Leistung des Geschuldeten, erfüllt (§ 1412 ABGB). Die Leistung muss dabei an den Gläubiger oder dessen Machthaber erbracht werden (§ 1424 ABGB). Die Leistung an einen anderen als den Gläubiger befreit den Schuldner nur dann von seiner Verbindlichkeit, wenn dieser Vertreter oder ermächtigte Empfangsperson des Gläubigers ist oder, wenn der Gläubiger den Schuldner ermächtigt hat, an einen Dritten zu leisten (RIS-Justiz RS0033503, RS0033510).
3.3.3 Ein Anderkonto ist eine nur bestimmten Berufsgruppen (ua auch Immobilienverwaltern) offenstehende Form eines Vollrechtstreuhandkontos (7 Ob 8/05k; Iro in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht2 II Rz 1/170). Bei einem offenen (Vollrechts-)Treuhandkonto wird der Bank gegenüber offengelegt, dass der Treugeber als Kontoinhaber zwar formell Rechtsinhaber ist und als solcher allein verfügen kann, es wirtschaftlich gesehen aber um fremdes Vermögen geht, das der Treuhänder nur gemäß der Treuhandabrede verwenden darf (7 Ob 8/05k). Bei einem Treuhandkonto besteht eine Rechtsbeziehung lediglich zwischen dem Treuhänder und der kontoführenden Bank (RIS-Justiz RS0010450 [T7]). Der Inhaber des Anderkontos ist daher der Bank gegenüber allein voll berechtigt (und nicht bloß bevollmächtigt). Die Bank steht mit dem Treugeber (also jenem, zu dessen Gunsten der Kontoinhaber das Geld verwaltet) in keiner Geschäftsbeziehung, der Treugeber hat insbesondere keine Verfügungsberechtigung über das Konto (RIS-Justiz RS0010450; Iro aaO, II Rz 1/161).
3.3.4 Mit der Zahlung auf das von einem Verwalter nach § 20 Abs 6 WEG 2002 eingerichtete Anderkonto wird die Leistung daher – anders als bei einem Eigenkonto – formell nicht an die Eigentümergemeinschaft sondern an den Verwalter erbracht. Diese Leistung befreit den Wohnungseigentümer nur dann von seiner Verbindlichkeit gegenüber der Eigentümergemeinschaft, wenn dieser tatsächlich als „zum Empfang geeigneter“ Machthaber iSd § 1424 ABGB zu qualifizieren ist.
3.3.5 Machthaber iSd § 1424 ABGB ist grundsätzlich der Vertreter, wie insbesondere die zur Vertretung berufenen Organe juristischer Personen, oder eine ermächtigte Empfangsperson des Gläubigers. Nach allgemeinen Grundsätzen kommt auch eine „Anscheinsvollmacht“ infrage. Wenn ein Dritter gegenüber dem Schuldner unrichtigerweise behauptet, Machthaber des Gläubigers zu sein, wird der Schuldner durch Zahlung an den Dritten also (nur dann) von seiner Verbindlichkeit befreit, wenn dem Dritten die Täuschung über seine Eigenschaft als Machthaber durch ein Verhalten des Gläubigers erst ermöglicht wurde oder wenn der Gläubiger den Mangel der Empfangnahmeermächtigung durch nachträgliche Genehmigung saniert (Stabentheiner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1424 Rz 6; W. Faber in Schwimann, ABGB4 § 1424 Rz 7). Der Schuldner kann auch mit Erfüllungswirkung an den früher Bevollmächtigten leisten, wenn dessen Enthebung ihm ohne Verschulden unbekannt geblieben ist (W. Faber aaO, § 1424 Rz 7).
3.3.6 Ist ein Verwalter iSd §§ 18 Abs 3 und 19 WEG 2002 bestellt, wird die Eigentümergemeinschaft – von hier nicht relevanten Ausnahmen vom Vertretungsmonopol des Verwalters abgesehen – (nur) durch diesen vertreten. Dabei kann für eine Liegenschaft nur ein einziger Verwalter bestellt sein, Parallelverwaltungen sind unzulässig (5 Ob 82/12p; Würth/Zingher/Kovanyi aaO, § 18 WEG Rz 41, § 19 Rz 4; E. M. Hausmann aaO, § 19 WEG Rz 14; Schauer aaO, § 19 WEG Rz 3). Mit der Beendigung des Verwaltungsvertrags – im Sinne des Widerrufs der organschaftlichen Bestellung des Verwalters (zur Notwendigkeit der Differenzierung zwischen der organschaftlichen Bestellung des Verwalters einerseits und der rechtsgeschäftlichen Beziehung zwischen diesem und der Eigentümergemeinschaft andererseits vgl E. M. Hausmann aaO, § 19 WEG Rz 15 ff, 24; Würth/Zingher/Kovanyi aaO, § 19 WEG Rz 5; Höllwerth, Der Bevollmächtigungsvertrag zwischen Eigentümergemeinschaft und Verwalter, FS Würth, 178 f) – endet auch dessen Vertretungsbefugnis. Der frühere Verwalter ist dann iSd § 1424 ABGB nicht mehr als Machthaber der Eigentümergemeinschaft anzusehen, Zahlungen der Wohnungseigentümer an ihn wirken daher grundsätzlich nicht (mehr) schuldbefreiend. Anderes könnte freilich nach den – oben dargestellten – allgemeinen Grundsätzen gelten, wenn die Eigentümergemeinschaft als Gläubigerin durch ihr Verhalten die Täuschung über dessen Eigenschaft als Machthaber ermöglicht hat, dem Wohnungseigentümer dessen Abbestellung ohne Verschulden unbekannt blieb oder wenn die Eigentümergemeinschaft den Mangel der Empfangnahmeermächtigung durch nachträgliche Genehmigung saniert. Durch die Auflösung des Verwaltervertrags sind ja nicht alle Rechtsbeziehungen zwischen Verwalter und Wohnungseigentümern beendet, nach dem Wesen des Verwaltungsvertrags als Dauerschuldverhältnis bleiben vielmehr gewisse gegenseitige Rechte und Pflichten weiter bestehen (vgl RIS-Justiz RS0125756; Höllwerth aaO, 184 f).
3.3.7 Wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gilt Gleiches auch während eines Verfahrens auf Anfechtung der Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft auf Kündigung des bisherigen Verwalters und Bestellung eines neuen Verwalters. Diese Beschlüsse sind als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung sofort vollziehbar und bewirken die (vorläufige) Rechtswirksamkeit der Verwalterkündigung und Neubestellung. Der bisherige Verwalter ist während der Zeit der vorläufigen, „zeitlich eingeschränkten“ Vollziehbarkeit dieser Beschlüsse (vgl 5 Ob 228/09d) nicht zur Vertretung der Eigentümergemeinschaft berechtigt und damit nicht mehr Machthaber iSd § 1424 ABGB. Leistungen der Wohnungseigentümer an ihn befreien nicht von der Verbindlichkeit gegenüber der Eigentümergemeinschaft.
4. Ergebnis
Während des Verfahrens auf Anfechtung der Beschlüsse der Klägerin auf Kündigung des bisherigen Verwalters und Bestellung eines neuen Verwalters war der bisherige Verwalter iSd § 1424 ABGB nicht als Machthaber der Klägerin anzusehen, die Zahlungen der Beklagten auf das von ihm eingerichtete Anderkonto wirkten daher nicht schuldbefreiend; das unabhängig davon, ob dieses grundsätzlich die Voraussetzungen § 20 Abs 6 WEG erfüllt hat. Nach den Urteilsfeststellungen lag auch kein Fall eines zu schützenden Vertrauens auf den Rechtsschein (vgl W. Faber aaO, § 1424 Rz 7) vor, zumal die zur Vertretung der Klägerin berechtigte neue Verwalterin die Wohnungseigentümer über den ihr erteilten Verwaltungsauftrag informiert und aufgefordert hat, allfällige Zahlungsaufträge an die Vorverwaltung rechtzeitig zu kündigen.
5. Der Revision kommt somit keine Berechtigung zu. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Leitsätze
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Zur schuldbefreienden Leistung von Vorauszahlungen durch Wohnungseigentümer während eines „strittigen“ Verwalterwechsels
Ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft auf Kündigung des bisherigen und Bestellung eines neuen Verwalters ist als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung sofort vollziehbar. Er bewirkt die vorläufige Rechtswirksamkeit der Kündigung. Wird der Beschluss angefochten, so ist während des Verfahrens der bisherige Verwalter iSd § 1424 ABGB nicht mehr Machthaber der Eigentümergemeinschaft. Zahlungen der Wohnungseigentümer auf das von ihm eingerichtete Anderkonto haben keine schuldbefreiende Wirkung.WEKA (epu) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 194/16i | OGH vom 01.03.2017 | Dokument-ID: 919424