Dokument-ID: 974113

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 198/17d; OGH; 20. November 2017

GZ: 5 Ob 198/17d | Gericht: OGH vom 20.11.2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers T*****, vertreten durch Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in Tulln, gegen den Antragsgegner F*****, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 4.000,– sA (§ 27 MRG), über den Revisionsrekurs des Antragsgegners (Revisionsinteresse EUR 3.521,92,– sA) gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Juni 2017, GZ 39 R 97/17d-42, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 8. Februar 2017, GZ 53 Msch 1/15v-38, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Der Antragsgegner übernahm am 28.07.1977 das von ihm gemietete Geschäftslokal. Er vereinbarte im Februar 2014 mit dem Antragsteller und Nachmieter eine Ablösezahlung von EUR 4.000,– für eine Zentralheizanlage, Beleuchtungskörper, Waschbecken, Abwasch, acht Vorhänge samt Karniesen, Industriekunststoffboden und zwei Holzstellagen. Die vom Antragsteller übernommene Ausstattung hatte einen Zeitwert von insgesamt EUR 478,08.

Mit Entscheidung der zuständigen Schlichtungsstelle vom 13.04.1999 wurde die vorläufige Erhöhung des monatlichen Hauptmietzinses für das Mietobjekt auf EUR 339,74 von 01.03.2000 bis 28.02.2003 nach §§ 18 ff MRG für zulässig erklärt, weil Arbeiten zur Erhaltung des Hauses, unter anderem das Einsetzen von Holz-Alu-Fenstern sowie eine thermische Sanierung der Fassade erforderlich waren. Die Schlichtungsstelle bewilligte zur Finanzierung (auch) dieser Arbeiten am 11.08.2004 die vorläufige Erhöhung des monatlich erhöhten Hauptmietzinses von 01.12.2004 bis 31.01.2008 auf EUR 347,13.

Es kann nicht festgestellt werden, wann die thermische Sanierung der Fassade und die Sanierung der Fenster durch Einbau von Holz-Alu-Fenstern durchgeführt wurden. Die Arbeiten begannen jedenfalls ab dem Jahr 2000. Die Sanierung der bestehenden Holz-Kasten-Fenster war wirtschaftlich nicht sinnvoll. Der Einbau von Holz-Alu-Fenstern entsprach dem Stand der Technik. Die Eingangstür wurde im Zuge der Fassaden- und Fenstersanierung im Jahr 2000 getauscht. Die sieben Fenster des Bestandobjekts hatten im Jahr 2000 bei einer Neuwertberechnung einen Bruttowert von EUR 12.500,–, die Eingangstür einen solchen von EUR 3.200,–. Die Nutzungsdauer dieser Fenster beträgt normalerweise 40 Jahre, jene der Eingangstür 25 Jahre. Daraus errechnet sich für Anfang des Jahres 2014 ein Bruttozeitwert von EUR 8.437,50 für die Fenster und EUR 1.536,– für die Eingangstür. Das Anbringen von Wärmeschutzfassaden in einer Dicke von 15 cm entsprach im Jahr 2000 dem Stand der Technik. Ausgehend von einer 15 cm dicken EPS-Dämmung, einer Fassadenfläche für das Geschäftslokal von 113,52 m2 und einem Nettoquadratmeterpreis von EUR 189,75 ergibt sich für die Fassadensanierung ein Neuwert von EUR 25.850,78 brutto. Die Nutzungsdauer beträgt 30 Jahre. Daraus errechnet sich für Anfang des Jahres 2014 ein Bruttozeitwert von EUR 14.648,81.

Der Antragsgegner bezahlte regelmäßig den ihm vorgeschriebenen Mietzins.

Im August 2014 begehrte der Antragsteller bei der Schlichtungsstelle die Rückzahlung der an den Vormieter erbrachten Zahlung von EUR 4.000,– als verbotene Ablöse nach § 27 MRG.

Der Antragsgegner zog das Verfahren zu Gericht ab. Dort brachte er – soweit noch relevant – vor, er hätte für Fenster und Wärmeschutzfassade in den Jahren 2000 bis 2009 insgesamt EUR 28.000,– bezahlt.

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner ausgehend von einem Zeitwert der übernommenen Ausstattung von EUR 478,08 zur Zahlung von EUR 3.521,92 sA. Der Einbau von Holz-Alu-Fenstern, die thermische Fassadensanierung sowie die Erneuerung der Eingangstür seien Erhaltungsarbeiten, deren Kosten nicht auf einen neuen Mieter überwälzt werden dürften.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge. Es teilte dessen Meinung, wonach die Bezahlung eines nach § 18 MRG erhöhten Hauptmietzinses die begehrte Ablöse rechtfertige, nicht. Es komme zwar nur auf den Gesamtwert der dem Nachmieter zugekommenen Gegenleistung an. Durch Bezahlung eines nach § 18 MRG erhöhten Hauptmietzinses werde keine Gegenleistung in Form von Investitionen des Vormieters in das Bestandobjekt oder allgemeine Teile des Hauses erbracht. Bei dem erhöhten Mietzins handle es sich um den geschuldeten Mietzins und nicht um eine in die Wohnung eingebrachte vermögenswerte Leistung. Der Vormieter sei aber nur dann berechtigt, vom Nachmieter eine Ablösezahlung zu fordern und die geleistete Zahlung zu behalten, wenn er dem Nachmieter eine äquivalente vermögenswerte Leistung zuwende, die er selbst in die Wohnung eingebracht habe oder auf seine Kosten einbringen ließ oder von einem Dritten entgeltlich oder unentgeltlich aus eigenem Vermögensvorteil übernommen habe. Für eine Überwälzung der vom Vormieter nach § 18 MRG geleisteten Erhöhungsbeträge biete das Gesetz keine Grundlage, selbst wenn der Nachmieter noch in den Genuss von langlebigen Erhaltungsarbeiten komme, die unter anderem durch vom Vormieter geleistete erhöhte Mietzinse finanziert worden seien. Der Vormieter habe in diesem Fall eben keine Verbesserungsarbeiten durchgeführt, sondern nur die gesetzlich zulässige Miete bezahlt.

Das Rekursgericht ließ nachträglich den Revisionsrekurs zu, weil noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu der Frage vorliege, ob der Vormieter dem Nachmieter eine adäquate Gegenleistung erbringe, wenn er Investitionen über § 18 MRG finanziere.

Rechtliche Beurteilung

Der beantwortete Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Das wesentliche Merkmal eines verbotenen Ablösevertrags ist das Fehlen einer gleichwertigen Gegenleistung. Es sind nur solche Ablösezahlungen des Nachmieters verboten, die zu einer unzulässigen Vermögensvermehrung des Vormieters führen, weil ihnen keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (RIS-Justiz RS0069778; 5 Ob 106/98v = RIS-Justiz RS0110516).

2. Für die Zulässigkeit der vom Antragsgegner (Vormieter) geforderten Investitionsablöse ist stets nur der objektive Wert der dem Antragsteller (Nachmieter) zugekommenen Vorteile relevant. Der Inhalt der Ablösevereinbarung ist insoweit ohne Bedeutung (RIS-Justiz RS0069782 [T4, T5, T7]). Die Tatsache, dass nach der Ablösevereinbarung der Nachmieter EUR 4.000,– für eine konkret bezeichnete Ausstattung in einem Zeitwert von nur EUR 478,08 zu zahlen hatte, hindert somit nicht die Überprüfung, ob dem Antragsteller objektiv eine andere Gegenleistung des Vormieters zugekommen ist.

3. Der Vormieter ist nur dann berechtigt, vom Nachmieter eine Ablösezahlung zu fordern und die geleistete Zahlung zu behalten, wenn er dem Nachmieter eine äquivalente vermögenswerte Leistung zuwendet, die er selbst in die Wohnung eingebracht hat oder auf seine Kosten einbringen ließ oder von einem Dritten (Vermieter, Vormieter) entgeltlich oder unentgeltlich als eigenen Vermögensvorteil übernommen hat (RIS-Justiz RS0069902). Auch wenn die vom Vormieter vorgenommenen Investitionen als Bestandteil des Hauses in das Eigentum des Vermieters übergingen, darf sich der Vormieter ohne Rücksicht auf die Beschränkung des § 10 MRG vom Nachmieter den noch vorhandenen Wert der Investitionen ersetzen lassen (RIS-Justiz RS0069824).

4. Diese Rechtsprechung rechtfertigt nach Meinung des Antragsgegners die Zulässigkeit der vom Nachmieter geforderten Ablöse in dem hier zu beurteilenden Fall, in dem der Vormieter Erhaltungsarbeiten wie die thermische Sanierung der Fassade, den Einbau von Holz-Alu-Fenstern sowie die Erneuerung (auch) der Eingangstür zum Bestandobjekt durch Zahlung eines vorläufig erhöhten Hauptmietzinses von 01.03.2000 bis 31.01.2008 mitfinanziert. Seiner Auffassung nach kann es für die Frage der Bereicherung eines Nachmieters keinen Unterschied machen, ob der Vormieter (beispielsweise) die Eingangstür direkt erneuert oder letztlich über eine Mietzinserhöhung nach den §§ 18 ff MRG bezahlt. Dasselbe gelte für Fenster und Wärmedämmung, die ebenfalls wertmäßig dem Nachmieter zugute kämen.

5. Seine Argumentation überzeugt jedoch nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 37 Abs 1 MRG).

6. § 3 MRG liegt ein dynamischer Erhaltungsbegriff zugrunde (RIS-Justiz RS0069944 [T3, T12]), weshalb auch eine den wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten entsprechende Erneuerung (Verbesserung) im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit (RIS-Justiz RS116998 [T1]) schadhaft gewordener Teile des Hauses Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 MRG ist (RIS-Justiz RS0070000 [T3, T4]; T. Hausmann/O. Riss in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 3 MRG Rz 9a mwN). Diese Rechtsprechung hat die Schaffung eines adäquaten Ersatzes (den substanzerhaltenden Austausch) zum Gegenstand (5 Ob 153/17m mwN). Zweckmäßig und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten gehören somit noch zur Erhaltung, selbst wenn es dadurch zu einer vollständigen Erneuerung kommt oder sogar Veränderungen vorgenommen werden müssen (RIS-Justiz RS0114109 [T18]).

7. Zu allgemeinen Teilen, die der Vermieter nach § 3 Abs 2 Z 1 MRG zu erhalten hat, zählt die Rechtsprechung auch Außenfenster (RIS-Justiz RS0069976; RS0024526 [T2]). Der Ersatz der nach den Feststellungen schadhaften, weil nicht mit wirtschaftlich sinnvollem Aufwand zu sanierenden Holz-Kasten-Fenster durch neue Holz-Alu-Fenster ist als Erhaltungsarbeit iSd § 3 MRG anzusehen (RIS-Justiz RS0116713; RS0069971). Die Anbringung des Wärmeschutzes an der Fassade ist entweder – ausgehend von einem dynamischen Erhaltungsbegriff – § 3 Abs 2 Z 1 MRG oder – wenn die dort geforderten Voraussetzungen erfüllt sind – § 3 Abs 2 Z 5 MRG (vgl RIS-Justiz RS0114108) zu unterstellen. Ob auch die Erneuerung der Eingangstüren zu den Bestandobjekten zu Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 MRG zählten, kann dahingestellt bleiben.

8. Der Antragsgegner zieht die Eigenschaft aller Sanierungsmaßnahmen als Erhaltungsarbeiten ohnehin nicht (substanziiert) in Zweifel. Er missversteht den zu RIS-Justiz RS0069902 dokumentierten Rechtssatz, wenn dort die Rede von äquivalenten vermögenswerten Leistungen des Nachmieters die Rede ist, die er selbst in die Wohnung eingebracht hat oder auf seine Kosten einbringen ließ oder von einem Dritten (Vermieter, Vormieter) entgeltlich oder unentgeltlich als eigenen Vermögensvorteil übernommen hat. Damit sind nicht (teilweise) durch Zahlung erhöhter Hauptmietzinse finanzierte, das gesamte Haus betreffende Investitionen gemeint, auch wenn das einzelne Bestandobjekt/dessen Mieter von einem verbesserten Wärme- oder Schallschutz profitiert. Es handelt sich um eine ganz andere Konstellation als in dem zu 5 Ob 106/98v = RIS-Justiz RS0110517 entschiedenen Fall: Die Vormieter mieteten dort einen praktisch unausgebauten Dachboden zu einem entsprechend geringen Mietzins und bauten ihn auf eigene Kosten zu Wohn- und Büroräumen um, was auch zur Verbesserung allgemeiner Teile des Hauses führte. Diese Investitionen sah der Oberste Gerichtshof in Höhe ihres Zeitwerts als auf die Nachmieter überwälzbar an. Ein Mieter, der aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung in einem §§ 18 ff MRG-Verfahren zur Zahlung erhöhter Hauptmietzinse verpflichtet ist, investiert nicht freiwillig in das Bestandobjekt und übernimmt auch nicht aufgrund einer Vereinbarung mit dem Vermieter dessen Investitionen in das einzelne Bestandobjekt. Die Finanzierung von Erhaltungsarbeiten durch erhöhte Hauptmietzinse dient zufolge § 18 Abs 1 MRG zudem nur zur Deckung des Fehlbetrags, wenn die Kosten in den Mietzinsreserven oder Mietzinsabgängen der letzten zehn Kalenderjahre nicht gedeckt sind und die während des Verteilungszeitraums zu erwartenden Hauptmietzinseinnahmen übersteigen. Der Mieter finanziert daher über den erhöhten Hauptmietzins nicht die gesamten Kosten der Erhaltungsarbeiten. Auch unter diesem Aspekt ist die Umrechnung des noch vorhandenen Nutzens auf das einzelne Bestandobjekt nach Fassadenfläche und Anzahl der getauschten Fenster, welche der Vormieter hier anstrebt, nicht sachgerecht.

9. Ergebnis: Der Vormieter darf Erhaltungsarbeiten, die er über einen ihm vorgeschriebenen, erhöhten Mietzins nach §§ 18 ff MRG mitfinanzierte, nicht auf den Nachmieter überwälzen.

10. Das Erstgericht hat die Entscheidung über die Kosten der rechtskräftigen Erledigung der Sache vorbehalten (§ 78 Abs 1 zweiter Satz AußStrG). Damit entfällt eine Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens.

Leitsätze

  • Überwälzung von Erhaltungsarbeiten auf den Nachmieter ist unzulässige Ablöse

    Die Leistung erhöhter Hauptmietzinse zur Finanzierung von Erhaltungsarbeiten nach §§ 18 ff MRG aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung ist keine freiwillige Investition in das Bestandobjekt. Der erhöhte Hauptmietzins deckt gem § 18 Abs 1 MRG des Weiteren nicht die gesamten Kosten der Erhaltungsarbeiten. Die Überwälzung der Erhaltungsarbeiten durch den Vormieter auf den Nachmieter ist sohin unzulässig.
    WEKA (epu) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 198/17d | OGH vom 20.11.2017 | Dokument-ID: 977036