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5 Ob 201/15t, OGH, 20. April 2016
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin C***** P*****, vertreten durch Mag. Stefan Hajos, Rechtsanwalt in Wien, gegen sämtliche Hauptmieter des Hauses *****, darunter A***** N*****, diese vertreten durch Mag. Gabriel Wutti, Rechtsanwalt in Wien, als Antragsgegner, wegen § 37 Abs 3 Z 10 iVm §§ 18 ff MRG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Mai 2015, GZ 39 R 79/15d-63, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 22. Dezember 2014, GZ 22 MSch 26/07i-57, betätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin A***** N***** die mit EUR 373,68 (darin EUR 62,28 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Hauses *****. Die Antragsgegner sind die Hauptmieter dieses Hauses.
Die Antragstellerin beantragte am 25.10.1991 bei der Schlichtungsstelle die Erhöhung der Hauptmietzinse gemäß den §§ 18 ff MRG. Mit der Entscheidung vom 26.07.1993 traf die Schlichtungsstelle gemäß § 18a MRG eine Grundsatzentscheidung und bewilligte eine vorläufige Hauptmietzinserhöhung für die Zeit vom 01.10.1993 bis 30.09.1995. In der Folge stellte die Antragstellerin mehrfach Anträge auf Verlängerung der vorläufigen Mietzinserhöhung, denen die Schlichtungsstelle jeweils stattgab. Mit diesen Entscheidungen der Schlichtungsstelle war für den Zeitraum 01.10.1993 bis 31.05.2004 lückenlos die Einhebung eines vorläufig erhöhten Mietzinses bewilligt.
Mit der Entscheidung vom 18.05.2004 wies die Schlichtungsstelle den Antrag der Antragstellerin vom 03.05.2004 auf Bewilligung der weiteren Verlängerung der Einhebung eines vorläufig erhöhten Hauptmietzinses für die Zeit von 01.06.2004 bis 31.05.2006 ab. Zum Stichtag 31.05.2004 belaufe sich der Einhebungszeitraum bereits auf 128 Monate. Die von den Mietern vereinnahmten erhöhten Hauptmietzinse seien im Zusammenhalt mit den vom Land Wien gewährten Annuitätenzuschüssen nahezu ausreichend, die Baukosten abzudecken. Das daraufhin gemäß § 40 MRG angerufene Erstgericht wies diesen Antrag auf Verlängerung der Einhebung der vorläufigen Erhöhung der Hauptmietzinse für den Zeitraum 01.06.2004 bis 31.05.2006 mit Sachbeschluss vom 20.03.2006 ebenfalls ab. Das für die Verlängerung der vorläufigen Erhöhung des Hauptmietzinses zu fordernde Vorliegen eines Deckungsfehlbetrags könne selbst unter Zugrundelegung provisorischer Entscheidungsgrundlagen nicht als gegeben angenommen werden. Darüber hinaus werde der erhöhte Hauptmietzins schon über einen Zeitraum von 10 Jahren eingehoben. Mit dem am 28.03.2006 beim Erstgericht eingelangten, als „Zurückziehung des Antrages“ bezeichneten Schriftsatz teilte die Antragstellerin daraufhin mit, „dass sie ihren Antrag wegen Erhöhung der Hauptmietzinse (§ 18 MRG) zurückzieht“.
Im Zeitraum 01.10.1993 bis 31.05.2004 wurde den Mietern – entsprechend den jeweiligen Entscheidungen der Schlichtungsstelle – ein erhöhter Hauptmietzins vorgeschrieben und von diesen auch bezahlt. Für den Zeitraum Juni 2004 bis März 2006 schrieb die Antragstellerin ohne Rechtsgrundlage weiterhin einen höheren Hauptmietzins vor, dieser wurde jedoch nicht von allen Mieterin gänzlich gezahlt. Vielmehr hat ein Teil der Mieter gegenüber der Antragstellerin die Rückzahlung der bereits geleisteten erhöhten Hauptmietzinse klagsweise geltend gemacht. Sie stützten ihren Anspruch im Wesentlichen darauf, dass infolge Rückziehung des Erhöhungsantrags der zunächst vorhandene Rechtsgrund zur Leistung weggefallen sei. Mit Urteil des Erstgerichts vom 26.09.2007 wurde die Antragstellerin (rechtskräftig) für schuldig erkannt, den klagenden Mietern die Mietzinserhöhungen von insgesamt EUR 120.565,67 samt Zinsen zurückzuzahlen. Dieser Gesamtbetrag wurde von der U***** AG (teils als Haftpflichtversicherung des für die Hausverwaltung auftretenden Rechtsanwalts und teils als Haftpflichtversicherung der Hausverwaltung der Antragstellerin) zur Zahlung übernommen. Aufgrund zweier in weiteren Gerichtsverfahren abgeschlossenen Vergleiche jeweils vom 11.03.2008 wurden zwei weiteren Mietern Mietzinserhöhungen von EUR 4.900,– und EUR 10.140,– zurückgezahlt.
Am 24.04.2007 beantragte die Antragstellerin bei der Schlichtungsstelle (neuerlich) die „Erhöhung der Hauptmietzinse gemäß §§ 18/18a/19 MRG“ laut seinem „Antrag vom 25.10.1991 […], welcher am 27.3.2006 zurückgezogen wurde“, und ferner die „Durchführung der Erhaltungsarbeiten gemäß §§ 18/18a/19 MRG laut beiliegendem Gutachten der Magistratsabteilung 25 und entsprechende der Erhöhung der Hauptmietzinse“.
Mit der Entscheidung vom 04.06.2007 wies die Schlichtungsstelle diesen Antrag wegen Unschlüssigkeit ab. Die Antragstellerin habe trotz Aufforderung notwendige Urkunden nicht vorgelegt.
Das daraufhin gemäß § 40 MRG angerufene Erstgericht wies den Antrag im ersten Rechtsgang ab. Ein Antrag auf Fällung einer Grundsatzentscheidung könne nicht mehr gestellt werden, wenn – wie hier – die der Antragstellung zugrunde liegenden Erhaltungsarbeiten bereits zur Gänze abgeschlossen seien.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge und hob den angefochtenen Sachbeschluss auf. Die Antragstellerin begehre nicht die Fällung einer Grundsatzentscheidung, sondern einer endgültigen Entscheidung. Dies sei auch nach Durchführung der Arbeiten zulässig.
Nach der aufgetragenen Verfahrensergänzung wies das Erstgericht den Antrag neuerlich ab. Die objektive Bedeutung des Wortlauts der im Jahr 2006 erfolgten Antragsrückziehung lasse nicht den Schluss zu, die Antragstellerin habe dadurch ein für alle Mal auf einen Anspruch auf Erhöhung der Mietzinse verzichten wollen. Eine neuerliche Antragstellung sei daher grundsätzlich möglich. Dem Vermieter sei es grundsätzlich auch nicht verwehrt, die Bewilligung einer Erhöhung des Hauptmietzinses nach den §§ 18 ff MRG auch erst nach Durchführung von Erhaltungsarbeiten zu beantragen. Die dem Antrag zugrunde liegenden Arbeiten seien jedoch bereits im Jahr 1999 abgeschlossen gewesen. Eine rund 8 Jahre nach Fertigstellung der Arbeiten erfolgende Antragstellung sei als verspätet anzusehen. Der Antrag sei aber auch aus anderen Gründen abzuweisen. Die von der Antragstellerin für die Berechnung des Deckungsfehlbetrags vorgelegten Hauptmietzinsabrechnungen seien unschlüssig und nicht nachvollziehbar, ein Deckungsfehlbetrag nicht feststellbar.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Die Antragsabweisung sei schon wegen des langen Zuwartens der Antragstellerin mit der Stellung ihres Antrags jedenfalls gerechtfertigt gewesen. Das Begehren auf (endgültige) Erhöhung der Hauptmietzinse könne zwar auch nach Durchführung der Arbeiten gestellt werden. Dies könne aber nicht dahin verstanden werden, dass sich der Vermieter beliebig lang mit der Stellung eines Antrags Zeit lassen könne. Der Gesetzgeber habe mit der Festsetzung eines Verteilungszeitraums, der gemäß § 18 Abs 1 Z 3 MRG 10 Jahre nicht übersteigen dürfe, offensichtlich verhindern wollen, dass Mieter mit Zahlungen für Arbeiten belastet würden, die vor längerer Zeit durchgeführt worden seien und deren Bestanddauer sich bereits wieder dem Ende zuneige. Da der Erhöhungszeitraum innerhalb des höchstens zehnjährigen Verteilungszeitraums auszumessen sei, müsse ein im Nachhinein gestellter Antrag auf endgültige Erhöhung der Hauptmietzinse in einem zeitlichen Naheverhältnis zur Beendigung der Erhaltungsarbeiten stehen, weil sonst Mieter, deren Mietverhältnisse erst Jahre nach Durchführung der Erhaltungsarbeiten begründet würden, den oben erwähnten offenbar vom Gesetzgeber nicht gewollten Nachteil erleiden würden. Im vorliegenden Fall seien die Erhaltungsarbeiten bereits im Jahr 1999 beendet gewesen, den Antrag auf Bewilligung der endgültigen Erhöhung der Hauptmietzinse habe die Antragstellerin aber erst am 25.04.2007 gestellt. Bei einem derartigen zeitlichen Auseinanderklaffen komme eine Bewilligung des Antrags auf endgültige Mietzinserhöhung nicht mehr in Betracht.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Zulässigkeit eines Jahre nach Abschluss der Erhaltungsarbeiten gestellten Begehrens auf endgültige Erhöhung des Mietzinses keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, diese dahin abzuändern, dass ihr die Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses gemäß den §§ 18 ff MRG antragsgemäß bewilligt werde. Hilfsweise stellt sie Aufhebungs- und Zurückverweisungsanträge.
Die Antragsgegnerin A***** N***** erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, den Revisionsrekurs der Antragstellerin zurückzuweisen, in eventu diesem keine Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zum behaupteten Anspruchsverzicht
1.1 Im (wohnrechtlichen) Außerstreitverfahren kann der Antrag auch ohne Verzicht auf den Anspruch und ohne Zustimmung des Antragsgegners bis zur Entscheidung des Gerichts erster Instanz zurückgenommen werden. Verfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden können, sind mit Zurücknahme des Antrags beendet (§ 11 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG). Soweit mit der Rücknahme des Antrags auch auf den Anspruch wirksam verzichtet wurde, kann der Anspruch nicht neuerlich geltend gemacht werden (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 11 Rz 22; Rechberger in Rechberger² § 11 AußStrG Rz 25 f; Kulhanek in Illedits/Reich-Rohrwig² § 37 MRG Rz 47). Eine wirksame Zurücknahme kann auch nicht widerrufen werden (Kodek aaO, § 11 Rz 9; Rechberger aaO, § 11 AußStrG Rz 4).
1.2 Die Rechtsprechung legt Prozesshandlungen stets nach ihrem objektiven Erklärungswert aus (RIS-Justiz RS0017881, RS0037416). Ob eine Zurücknahme unter Anspruchsverzicht oder ohne Anspruchsverzicht erfolgt, ist daher nach objektiven Maßstäben zu beurteilen. Die Auslegungsregeln für Rechtsgeschäfte (§§ 914 ff ABGB) sind dabei nicht heranzuziehen, es ist also insbesondere nicht der Parteiwille zu erforschen (RIS-Justiz RS0097531). Vor diesem Hintergrund muss ein Verzicht auf den Anspruch eindeutig erklärt werden (RIS-Justiz RS0039744 [T3]). Im Zweifel wird – wie im Zivilprozess – eine Zurücknahme ohne Anspruchsverzicht anzunehmen sein. Keinesfalls wird schon durch die bloße Antragszurücknahme allein schlüssig ein Verzicht auf den Anspruch erklärt (Kodek aaO, § 11 Rz 21; Rechberger aaO, § 11 AußStrG Rz 18).
1.3 In ihrem als „Zurückziehung des Antrags“ bezeichneten Schriftsatz erklärte die Antragstellerin im Vorverfahren, „dass sie ihren Antrag wegen Erhöhung der Hauptmietzinse (§ 18 MRG) zurückzieht“. Diese Rücknahme führte nicht nur zur Beendigung dieses Vorverfahrens, auch die in diesen getroffenen Zwischenerledigungen, die Grundsatzentscheidung und die Bewilligungen der vorläufigen Mietzinserhöhung, wurden wirkungslos (4 Ob 173/04a = RIS-Justiz RS0119403). In objektiver Auslegung ihrer Erklärung hat die Antragstellerin mit der Zurücknahme des Antrags im Vorverfahren auf die Mietzinserhöhung gemäß § 18 Abs 1 MRG nicht (jedenfalls nicht deutlich) verzichtet. Die Antragstellerin kann diesen Anspruch daher grundsätzlich erneut geltend machen.
2. Erhöhung der Hauptmietzinse nach den §§ 18 ff MRG
2.1 Finden die Kosten einer vom Vermieter durchzuführenden, unmittelbar heranstehenden größeren Erhaltungsarbeit einschließlich der nach § 3 Abs 3 Z 1 MRG anrechenbaren Verzinsung und Geldbeschaffungskosten in der Summe der sich in den vorausgegangenen zehn Kalenderjahren ergebenden Mietzinsreserven oder Mietzinsabgänge keine Deckung und übersteigen sie die während des Verteilungszeitraums zu erwartenden Hauptmietzinseinnahmen, so kann zur Deckung des Fehlbetrags eine Erhöhung des Hauptmietzinses begehrt werden (§ 18 Abs 1 MRG).
2.2 Wird diese Erhöhung der Hauptmietzinse vor der Durchführung einer Erhaltungsarbeit begehrt, so hat das Gericht auf Antrag zunächst dem Grunde nach zu entscheiden, ob und inwieweit die bestimmt bezeichnete Erhaltungsarbeit die Erhöhung der Hauptmietzinse rechtfertigt und innerhalb welchen Zeitraums, der zehn Jahre nicht übersteigen darf, die dafür erforderlichen Kosten aus den Hauptmietzinsen zu decken sind (§ 18a Abs 1 MRG). Verpflichtet sich der Vermieter, die in dieser Grundsatzentscheidung genannten Erhaltungsarbeiten innerhalb einer angemessenen Frist in Angriff zu nehmen und durchzuführen, so kann das Gericht auf Antrag aussprechen, dass eine vorläufige Erhöhung des Hauptmietzinses zulässig ist (§ 18a Abs 2 MRG).
2.3 Mit der Bewilligung der Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses ist der Auftrag zur Vornahme der der Entscheidung zugrunde liegenden Erhaltungsarbeit binnen einer angemessenen, ein Jahr nicht übersteigenden Frist zu erteilen. Stellt sich nach dem Ablauf der festgesetzten Frist heraus, dass die aufgetragenen Arbeiten nicht durchführbar sind, so ist auf Antrag eines Mieters die Bewilligung der Einhebung eines erhöhten Hauptmietzinses zu widerrufen und der Vermieter zu verpflichten, die von den Mietern des Hauses aufgrund der widerrufenen Entscheidung entrichteten erhöhten Hauptmietzinse zuzüglich einer angemessenen Verzinsung binnen 14 Tagen bei Exekution zurückzuerstatten (§ 19 Abs 2 MRG).
2.4 Der für die Festsetzung des erhöhten Hauptmietzinses maßgebende Verteilungszeitraum darf zehn Jahre nicht übersteigen und ist unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem sich solche oder ähnliche Arbeiten bei Zugrundelegung regelmäßiger Bestandsdauer erfahrungsgemäß wiederholen, sowie der wirtschaftlichen Lage des Vermieters und der Gesamtheit der Mieter des Hauses nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 18 Abs 1 Z 3 MRG). Bei der Festlegung des Verteilungszeitraums ist das Gericht also (nur) insoweit an gesetzliche Vorgaben gebunden, als dieser Zeitraum unmittelbar an den Verrechnungszeitraum anzuschließen hat und zehn Jahre nicht überschreiten darf. Daneben ist noch zu beachten, dass sich der Verteilungszeitraum an der (vom Gesetzgeber mit höchstens zehn Jahren fingierten) Bestanddauer der Erhaltungsarbeiten orientieren soll; ansonsten bleibt alles dem billigen Ermessen des Gerichts (der Schlichtungsstelle) überlassen. Der Verrechnungszeitraum wiederum umfasst in der Regel zehn volle Kalenderjahre vor dem Jahr der Antragstellung sowie den daran anschließenden Zeitraum bis zum Beginn des Verteilungszeitraums als Stichtag für die Abrechnung; die Dauer des Hauptmietzinserhöhungsverfahrens ist jedoch nicht in den Verteilungszeitraum einzubeziehen (RIS-Justiz RS0070250).
2.5 Die Festsetzung des Beginns des Erhöhungszeitraums bleibt dem billigen Ermessen des Gerichts (der Schlichtungsstelle) überlassen, wobei vor allem Zweckmäßigkeitsüberlegungen anzustellen sind. Im Rahmen dieser Billigkeitserwägungen ist auf die wirtschaftliche Lage der Mieter Bedacht zu nehmen und daher zu vermeiden, dass die Mieter ohne Vorwarnung einen größeren Fehlbetrag auf einmal leisten müssen (RIS-Justiz RS0070262). Bei einer grundsätzlich möglichen rückwirkenden Erhöhung ist daher zu vermeiden, dass die Mieter ohne Vorwarnung einen größeren Fehlbetrag auf einmal zu leisten haben (Schinnagl in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht² § 18 MRG Rz 33).
3. Anspruchsverlust durch Zeitablauf?
3.1 Eine ausdrückliche Befristung der Geltendmachung des Anspruchs auf Erhöhung des Hauptmietzinses findet sich in den §§ 18 ff MRG nicht. Seinem Gesamtkonzept nach liegt der gesetzlichen Regelung aber die Vorstellung zu Grunde, dass zwischen der Durchführung der Erhaltungsarbeiten und der Einhebung des erhöhten Hauptmietzinses ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang besteht. Die Erhöhung dient der Deckung des Fehlbetrags zur Finanzierung von „unmittelbar heranstehenden“ Erhaltungsarbeiten (§ 18 Abs 1 MRG) und mit deren Bewilligung ist der Auftrag zur Vornahme der Erhaltungsarbeit binnen einer angemessenen, ein Jahr nicht übersteigenden Frist zu erteilen (§ 19 Abs 2 MRG). Der Verteilungszeitraum wiederum ist unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem sich solche oder ähnliche Arbeiten bei Zugrundelegung regelmäßiger Bestandsdauer erfahrungsgemäß wiederholen, zu bestimmen und darf zehn Jahre nicht übersteigen (§ 18 Abs 1 Z 3 MRG). Der Verteilungszeitraum soll sich also an der (vom Gesetzgeber mit höchstens zehn Jahren fingierten) Bestanddauer der Erhaltungsarbeiten orientieren. Dem Rekursgericht ist daher darin zuzustimmen, dass damit eine zeitliche Korrelation zwischen der Leistung der Erhöhungsbeträge und der Bestanddauer der Erhaltungsarbeit gewährleistet werden soll. Grundsätzlich sollen (nur) jene Mieter durch die Einhebung der erhöhten Mietzinse belastet werden, die den Nutzen aus der Erhaltungsarbeit ziehen.
3.2 Diese vom Gesetzgeber vorausgesetzte zeitliche Korrelation zwischen Durchführung der Erhaltungsarbeiten und Erhöhung der Hauptmietzinse bedeutet freilich nicht, dass ein Antrag auf Mietzinserhöhung nach den §§ 18 und 19 MRG schon deshalb abzuweisen ist, wenn keine erst künftig auszuführenden Erhaltungsarbeiten beabsichtigt sind, sondern die den Fehlbetrag bewirkenden Auslagen schon getätigt wurden. Die Antragstellung kann vielmehr grundsätzlich auch noch nach Vornahme der Erhaltungsarbeit erfolgen (5 Ob 26/87; RIS-Justiz RS0070188). Bei der Bewilligung einer Erhöhung des Hauptmietzinses ist dann allerdings sicherzustellen, dass durch die spätere Antragstellung kein Vorteil des Vermieters durch Inanspruchnahme der Investitionsprämie im Sinne des § 20 Abs 1 Z 2 lit b MRG eintritt (RIS-Justiz RS0070197).
Unter Hinweis auf diese Rechtsprechung bejahte der erkennende Senat auch die Möglichkeit, noch nach Durchführung der Erhaltungsarbeiten eine vorläufige Erhöhung des Hauptmietzinses nach § 18a Abs 2 MRG zu verlängern, wenn sie zur Vermeidung einer Finanzierungslücke lediglich die Zeit bis zur Entscheidung über die endgültige Erhöhung, für welche die Unterlagen bereits vorgelegt worden seien, überbrücken soll (5 Ob 57/00v), oder die Arbeiten praktisch abgeschlossen und nur mehr die normalerweise notwendige Zeit zur Beschaffung aller Abrechnungsunterlagen zugebilligt werden muss (5 Ob 84/09b).
Auch hiebei ist freilich zu beachten, dass das sich in der endgültigen Erhöhung voraussichtlich ergebende Ausmaß nicht überschritten wird (RIS-Justiz RS0113020).
3.3 Dieser Rechtsprechung liegt der Gedanke zu Grunde, dass die Antragstellung nach den §§ 18 ff MRG und/oder die vorläufige Erhöhung des Hauptmietzinses nach § 18a Abs 2 MRG auch nach Vornahme der Erhaltungsarbeit zulässig ist, solange dies noch sachlich gerechtfertigt ist und insoweit den Mietern daraus kein unverhältnismäßiger Nachteil erwächst.
4. Ergebnis
Die dem verfahrenseinleitenden Antrag vom 24.04.2007 zugrunde liegenden Erhaltungsarbeiten wurden nach den Feststellungen des Erstgerichts bereits 1999 fertiggestellt. Der Verteilungszeitraum kann daher hier nicht mehr so bestimmt werden, dass einerseits die zeitliche Korrelation zwischen Durchführung der Erhaltungsarbeiten und Erhöhung der Hauptmietzinse angemessen gewahrt bleibt und andererseits für die Mieter dennoch keine unzumutbare wirtschaftliche Belastung entsteht. Die Antragstellerin hat hier den Antrag ohne sachlich gerechtfertigten Grund erst gegen Ende der (gesetzlich mit 10 Jahren begrenzten) Bestandsdauer der Arbeiten eingebracht und die Verteilung des Deckungserfordernisses auf die restliche Bestandsdauer würde einen unverhältnismäßigen Nachteil für die Mieter bedeuten. Dieser Umstand steht der Bewilligung der Mietzinserhöhung nach den §§ 18 ff MRG von vornherein entgegen.
5. Kostenentscheidung
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Es entspricht der Billigkeit, der in diesem Verfahren voll obsiegenden Antragsgegnerin die Kosten zuzusprechen.
Leitsätze
-
Befristung bei der Antragstellung auf erhöhten Mietzins zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten?
Die Beantragung von erhöhten Hauptmietzins zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten ist grundsätzlich auch nach deren Fertigstellung möglich, der erhöhte Mietzins muss aber in zeitlichem Zusammenhang mit der Bestanddauer der Erhaltungsarbeiten stehen und darf die Mieter nicht unverhältnismäßig benachteiligen. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Einbringung des Antrags am Ende der Bestanddauer, die 10 Jahre beträgt, kann nicht bewilligt werden.WEKA (red) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 201/15t | OGH vom 20.04.2016 | Dokument-ID: 845241