Dokument-ID: 009456

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 241/09s; OGH; 24. November 2009

GZ: 5 Ob 241/09s | Gericht: OGH vom 24.11.2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé und Dr. Tarmann–Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dipl.–Ing. Georg M*****, 2. Dipl.–Ing. Annemarie M*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Günther R. John, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Cahit Y*****, 2. Y***** KEG, *****, beide vertreten durch Hule–Bachmayr–Heyda–Nordberg, Rechtsanwälte GmbH in Wien, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Parteien Volkmar S*****, vertreten durch Mag. Rupert Rausch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Beseitigung (Streitwert EUR 25.000,–), über 1. die Revision der klagenden Parteien und 2. die Rekurse der klagenden Parteien und des Nebenintervenienten 1. gegen das Teilurteil und 2. gegen den Aufhebungsbeschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. April 2009, GZ 14 R 188/08g–27, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. Juli 2008, GZ 22 Cg 57/07z–21, teilweise aufgehoben und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der Kläger und den Rekursen der Kläger und des Nebenintervenienten wird Folge gegeben, die angefochtene Entscheidung aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Klägern deren mit EUR 2.345,31 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin EUR 390,89 USt) und die mit EUR 3.031,49 bestimmten Kosten des Revisions– und Rekursverfahrens (darin EUR 281,38 USt und EUR 1.343,20 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Beklagten sind weiters schuldig, dem Nebenintervenienten die mit EUR 2.447,28 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin EUR 407,88 USt) und die mit EUR 3.031,49 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin EUR 1.343,20 Barauslagen und EUR 281,38 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

Für die Kläger ist an den Wohnungen Top Nr 4 und 5 im Haus ***** Wohnungseigentum begründet.

Der Nebenintervenient ist Wohnungseigentümer der im ersten und zweiten Untergeschoß dieses Hauses befindlichen Räumlichkeiten, die im Wohnungseigentumsvertrag als „Einstellraum, Laden, Magazine, Vorraum, Abstellraum, Waschraum und Klosett“ gewidmet sind.

Im Jahr 2001 vermietete der Nebenintervenient diese Räumlichkeiten an die L***** GmbH, die dort einen Kaffeehausbetrieb einrichtete. Der Betrieb wurde im vereinfachten Bewilligungsverfahren gemäß § 359b Abs 1 GewO 1994 unter Anordnung diverser Auflagen gewerbebehördlich bewilligt.

Am 07.05.2002 kaufte der Nebenintervenient diesen Gastronomiebetrieb samt allem Zubehör und schloss gleichzeitig mit dem Erstbeklagten einen Mietvertrag über die Räumlichkeiten ab. Darin räumte der Nebenintervenient dem Erstbeklagten das Recht ein, in den vermieteten Räumlichkeiten einen Gastronomiebetrieb in Form einer Kleinküche, Ausschank von englischem Bier, Tee, Kaffee etc zu betreiben. Zum Zweck der Führung des Gastronomiebetriebs im gegenständlichen Objekt gründete der Erstbeklagte die Zweitbeklagte, deren alleiniger unbeschränkt haftender Gesellschafter und gewerberechtlicher Geschäftsführer er ist. Die Zweitbeklagte führt seit 2002 im Objekt ein griechisches Spezialitätenrestaurant. Die Öffnungszeiten sind von 11:00 Uhr bis 02:00 Uhr morgens. An das Restaurant ist im Sommer ein „Schanigarten“ angeschlossen, der oftmals länger als bis 23:00 Uhr betrieben wird.

Mit Bescheid vom 21.12.2004 wurde im Rahmen eines vereinfachten Bewilligungsverfahrens gemäß § 359b Abs 1 GewO 1994 die Änderung der Betriebsanlage dahin bewilligt, dass unter diversen Auflagen ein Restaurant mit Vollküchenbetrieb geführt werden darf. Die gegen diese Bewilligung erhobene Berufung unter anderem der Kläger wurde als unzulässig infolge fehlender Parteistellung zurückgewiesen.

In der Folge wurde die Küche in das zweite Untergeschoss verlegt. Sie wird durch eine mechanische Lüftungsanlage über Lichtkuppeln in den Innenhof entlüftet.

Der Nebenintervenient wurde mit Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 07.04.2003 zu 25 Cg 72/02w über Klage mehrerer Wohnungseigentümer des Hauses schuldig erkannt, die Widmungsänderung, insbesondere den Betrieb eines griechischen Spezialitätenlokals zu unterlassen und die widmungswidrig vorgenommenen Einbauten zu entfernen. Die Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen. Die außerordentliche Revision des dort Beklagten wurde vom erkennenden Senat am 20.01.2004 zu 5 Ob 306/03s zurückgewiesen.

Im Verfahren 44 Msch 9/03g des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien wegen Genehmigung der Widmungsänderung (§ 52 Abs 1 Z 2 WEG) unterlag der Nebenintervenient endgültig.

Am 11.04.2005 brachte der Nebenintervenient zu 48 C 244/05x beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien gegen den hier Erstbeklagten eine gerichtliche Aufkündigung ein.

Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz im gegenständlichen Verfahren war noch keine Rechtskraft der Aufkündigung eingetreten.

Mittlerweile ist die Aufkündigung in Rechtskraft erwachsen. Die Beklagten haben das Objekt geräumt.

Mit der gegenständlichen Klage begehrten die Kläger, wobei sich ihnen der Nebenintervenient anschloss, die Beklagten schuldig zu erkennen, die im Wohnungseigentumsobjekt erstes und zweites Untergeschoss des Hauses ***** vorgenommene Widmungsänderung sowie die Herstellung und den Betrieb eines griechischen Spezialitätenlokals, einer Gaststätte oder eines sonstigen Gastgewerbebetriebs sowohl selbst als auch durch einen Bestandnehmer oder sonstige Dritte zu unterlassen. Weiters begehrten die Kläger von den Beklagten, die widmungswidrig vorgenommenen Einbauten, insbesondere die Einrichtung einer Küche, eines Kühlraums, zweier Lüftungsanlagen, einer Schank samt dahinterliegenden Kühleinheiten sowie Gastlokaleinrichtungen binnen drei Monaten zu entfernen.

Sie gründeten ihr Unterlassungs- und Entfernungsbegehren auf § 523 ABGB. Die Führung eines Gastronomiebetriebs in dem als Einstellraum, Laden, Magazin bzw Werkstätte wohnungseigentumsrechtlich gewidmeten Objekt sei unzulässig. Die Kläger und die übrigen Wohnungseigentümer hätten der Widmungsänderung nie zugestimmt, eine solche Zustimmung sei auch vom Außerstreitrichter verweigert worden. Dem Nebenintervenienten sei rechtskräftig verboten, die Objekte zum widmungswidrigen Betrieb eines Gastronomieunternehmens zu vermieten. Die Beklagten seien als Betreiber des Unternehmens unmittelbare Störer, sodass sich der aus dem Miteigentum erfließende Anspruch der Kläger gegen sie richte. Abgesehen von einer massiven widmungswidrigen Lärm– und Geruchsbelästigung durch die nicht konsensgemäß betriebene Lüftungsanlage sei mit weiteren Lärmbelästigungen durch Lokalbesucher zu rechnen.

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage und wendeten mangelnde Passivlegitimation ein. Ein Unterlassungsanspruch stehe den Klägern nur gegen Mit- und Wohnungseigentümer zu. Die Beklagten hingegen könnten sich auf ein vom Wohnungseigentümer abgeleitetes Bestandrecht berufen. Jedenfalls aber sei der Entfernungsanspruch hinsichtlich der Einbauten verfehlt. Ein solcher Anspruch stünde allenfalls dem Vermieter, nicht aber anderen Mit– und Wohnungseigentümern zu. Ihnen fehle dazu die aktive Klagslegitimation.

Im Weiteren wendeten die Beklagten schikanöse Rechtsausübung ein, weil die Führung des Betriebs für sie von existenzieller Bedeutung sei und ein allfälliges Interesse der Kläger im krassen Missverhältnis dazu stehe. Die Beklagten könnten sich auch auf eine behördlich genehmigte Anlage berufen. Die Benützung der Räumlichkeiten sei ortsüblich, vom Gastronomiebetrieb gingen weder unangenehme Gerüche noch Lärm aus.

Das Erstgericht gab dem gesamten Klagebegehren statt.

Die Genehmigungsbedürftigkeit einer Widmungsänderung iSd § 16 Abs 2 WEG sei schon dann gegeben, wenn die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Wohnungseigentümer bestehe. Hole der änderungswillige Wohnungseigentümer die Zustimmung der anderen nicht ein, handle er bei Widmungsänderungen in unerlaubter Eigenmacht und könne im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der Änderung verhalten werden (RIS–Justiz RS 0083156; wobl 2001/41). Im vorliegenden Fall sei der Widmungsänderung weder die Zustimmung der anderen Miteigentümer erteilt noch sei deren fehlende Zustimmung durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt worden.

Eine auf § 523 ABGB gestützte Negatorienklage könne auf Wiederherstellung des früheren Zustands, auf Unterlassung künftiger Störungen, auf Unterlassung künftiger gleichartiger Eingriffe und auch auf Entfernung oder Beseitigung gerichtet sein (wobl 1994, 26 [Call]; 5 Ob 218/00w; immolex 2004/118 ua). Mit der Eigentumsfreiheitsklage könne nicht nur der belangt werden, der Eingriffe veranlasse, indem er durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzungen für die Störung durch Dritte schaffe, sondern auch der Dritte als unmittelbarer Störer (RIS–Justiz RS 0012137 ua). So könne ein Vermieter nicht nur gegen den Mieter, sondern auch gegen dessen Besucher vorgehen, wenn diese ein dem Eigentümer schädliches und die Benutzungsbefugnisse des Mieters übersteigendes Verhalten setzten (SZ 57/183). Auch ein Leasingnehmer eines Wohnungseigentumsobjekts, der die Räumlichkeiten verändere und zu einem widmungswidrigen Zweck in Bestand gebe, könne als Störer mit der actio negatoria belangt und zur Unterlassung der widmungswidrigen Verwendung sowie zur Wiederherstellung des früheren Zustands verpflichtet werden (5 Ob 153/00m = MietSlg 52.052). Diese Überlegungen träfen auch auf die Beklagten zu. Durch die Verwendung des als „Einstellraum, Laden, Magazin, Vorraum, Abstellraum“ gewidmeten Objekts zum Betrieb eines Restaurants mit Öffnungszeiten bis 02:00 Uhr früh werde bereits die Möglichkeit der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer bewirkt. Die von den Beklagten vorgenommenen Änderungen seien unter § 16 Abs 2 WEG zu subsumieren. Deshalb sei auch das Begehren des Nebenintervenienten als Wohnungseigentümer im Verfahren auf Duldung der Widmungsänderung abgewiesen worden.

Es seien daher sowohl die Zweitbeklagte als unmittelbare Störerin als auch der Erstbeklagte als jener, der die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten habe, das störende Verhalten der Zweitbeklagten zu steuern und gegebenenfalls zu verhindern, zur Unterlassung der widmungswidrigen Verwendung zu verpflichten (RIS–Justiz RS 0011737).

Vom Störer könne auch die Wiederherstellung insbesondere durch Beseitigung der von ihm verursachten Beeinträchtigungen begehrt werden (RIS–Justiz RS 0106908). Dazu sei grundsätzlich derjenige verpflichtet, dem die Beeinträchtigung zugerechnet werde. Er müsse den durch sein Verhalten verursachten Zustand rückgängig machen. Zur widmungswidrigen Verwendung des Objekts gehöre insbesondere dessen Ausstattung mit den für einen Restaurantbetrieb erforderlichen Einrichtungen, wobei es nicht darauf ankomme, ob die Beklagten Eigentümer dieser Gegenstände seien. Entscheidend sei, dass die zu beseitigende Störung durch den von ihnen aufrecht erhaltenen Zustand ausgehe.

Das Vorliegen einer schikanösen Rechtsausübung verneinte das Erstgericht. Ein krasses Missverhältnis zwischen den Interessen der Kläger und denen der Beklagten bestehe nicht (RIS–Justiz RS 0026271).

Es bedürfe daher keiner Überprüfung der klägerischen Behauptungen über die massive Lärm- und Geruchsbeeinträchtigung, mit der diese ihr Begehren offenbar auch auf § 364 Abs 2 ABGB stützten. Der Einwand, die Störung erfolge durch eine genehmigte Betriebsanlage, sei im Fall einer Genehmigung nur in einem vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO nicht begründet (4 Ob 137/03f = JBl 2004, 173).

Der von den Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz insofern Folge, als es das gesamte Begehren auf Entfernung von Einbauten (Punkt 2 des Klagebegehrens) abwies. Im Übrigen wurde das angefochtene Urteil hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Dabei bejahte das Berufungsgericht ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung folgend die Klagslegitimation jedes einzelnen Mit- und Wohnungseigentümers zur Abwehr von Eingriffen in sein Eigentum durch Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB. Allerdings dürfe sich der einzelne Miteigentümer mit einem solchen Vorgehen nicht in Widerspruch zu den übrigen Miteigentümern setzen, was etwa dann der Fall sei, wenn andere Miteigentümer dem mit der Eigentumsfreiheitsklage in Anspruch genommenen Dritten gegenüber zu einem obligatorischen Verhalten verpflichtet seien (RIS–Justiz RS 0012114 [T8]). Im vorliegenden Fall bestehe nach wie vor eine vertragliche Verpflichtung des Nebenintervenienten gegenüber dem Erstbeklagten, das noch nicht rechtskräftig beendete Mietverhältnis einzuhalten. Daraus ergebe sich ein Widerspruch zwischen den Interessen der Kläger und des Nebenintervenienten, woran der Umstand nichts ändere, dass der Bestandgeber als Nebenintervenient auf Seiten der Kläger im Negatorienstreit beigetreten sei und das zur widmungswidrigen Verwendung berechtigende Mietverhältnis aufgekündigt habe.

Allerdings hätten die Kläger ihren Anspruch auch auf § 364 Abs 2 ABGB gestützt. Es gehe ihnen nämlich nach dem Vorbringen auch oder vielleicht sogar in erster Linie um die Beseitigung störender Lärm- und Geruchsemissionen, wozu sie ein ausreichendes und schlüssiges Vorbringen erstattet hätten. Die Beklagten könnten sich diesbezüglich auch nicht auf die Anwendbarkeit des § 364a ABGB und damit den Ausschluss eines Unterlassungs- und Beseitigungsbegehrens berufen, weil ihnen die Genehmigung nur im vereinfachten Verfahren ohne ausreichende Wahrung des rechtlichen Gehörs der Kläger erteilt worden sei.

Das Erstgericht habe ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht unterlassen, entsprechende Feststellungen über die Lärm- und Geruchsemissionen zu treffen. In Hinblick auf die umfangreichen Beweisanträge der Beklagten zu diesem Thema erscheine eine Beweisergänzung durch das Berufungsgericht diesbezüglich untunlich, weshalb hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens mit einer Aufhebung vorzugehen sei.

Unberechtigt sei allerdings der Beseitigungsanspruch, weil er nicht auf § 364 Abs 2 ABGB gestützt werden könne. Mit dem nach dieser Bestimmung zu erwirkenden Unterlassungsgebot sei nämlich kein Handlungsverbot, sondern nur ein Erfolgsverbot verbunden. Die Art, wie der Verpflichtete die Emissionen beseitige, sei ihm überlassen. Das Begehren dürfe nicht auf konkrete Maßnahmen gerichtet werden (RIS–Justiz RS 0010566).

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 20.000,– übersteige, gegen das Teilurteil die ordentliche Revision und gegen den Aufhebungsbeschluss der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Frage, ob ein beachtlicher Interessenswiderspruch eines klagenden Miteigentümers zu einem anderen Miteigentümer auch dann bestehe, wenn dieser bereits Maßnahmen zur Beendigung des das störende Verhalten rechtfertigenden Vertragsverhältnisses gesetzt und sich überdies im Verfahren auf Beseitigung der Störungshandlungen den Klägern als Nebenintervenient angeschlossen habe, liege noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Gegen den Aufhebungsbeschluss der angefochtenen Entscheidung richten sich die Rekurse der Kläger und des Nebenintervenienten mit den Anträgen auf Abänderung, Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bzw Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Beklagten beantragen, den Rekursen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision und die Rekurse sind aus den vom Berufungsgericht bezeichneten und weiteren Gründen zulässig und im Sinn des Begehrens um Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils auch berechtigt.

Gegen einen Wohnungseigentümer, der eigenmächtig Änderungen einschließlich Widmungsänderungen iSd § 16 Abs 2 WEG vornimmt, kann nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung auch jeder einzelne Wohnungseigentümer mit Unterlassungs– bzw Beseitigungsklage nach § 523 ABGB im streitigen Rechtsweg vorgehen (vgl 5 Ob 25/90 = wobl 1991/53 [Call]; 5 Ob 1078/91 = wobl 1992/81; 5 Ob 1049/93 = wobl 1994/1 [Call]; 1 Ob 1649/95 = wobl 1996/91 [Call]; 5 Ob 306/03s = wobl 2004/55; 5 Ob 240/03k = wobl 2004/82 [Call]). Eine solche Klage kann von einem Wohnungseigentümer nicht nur gegen den anderen Wohnungseigentümer, sondern auch gegen einen Dritten als unmittelbaren Störer erhoben werden (vgl RIS–Justiz RS 0012137; zuletzt 5 Ob 306/03s, 5 Ob 240/03k ua). Vom Streitrichter ist in einem solchen Fall die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung – hier nach § 16 Abs 2 WEG – und die eigenmächtige Rechtsanmaßung als Vorfrage über die Berechtigung des Unterlassungs– und Wiederherstellungsbegehrens zu prüfen; die Genehmigungsfähigkeit ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (RIS–Justiz RS 0083156 ua).

Die Änderung eines im Geschäftslokal betriebenen Unternehmensgegenstands und seiner Betriebsform, also eine Widmungsänderung wie hier von Magazin und Lagerräumlichkeiten in ein Gastronomieunternehmen, stellt ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer oder eine diese ersetzenden Zustimmung des Außerstreitrichters einen Eingriff in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer dar, wenn damit eine wesentliche Interessensbeeinträchtigung der anderen Miteigentümer verbunden ist (vgl 5 Ob 122/05k = immolex 2005/127 [Prader] mit Nachweisen aus Lehre und Rsp). Bei der Aufnahme eines Gaststättenbetriebs in der hier vorliegenden Form ist eine solche Beeinträchtigung indiziert (vgl RIS–Justiz RS 0083236 [T6]).

Dass die Änderung hier eigenmächtig erfolgte, steht schon aufgrund des dem Nebenintervenienten auferlegten Verbots und der verweigerten Zustimmung des Außerstreitrichters fest.

Im Widerspruch der Interessen zwischen dem Nebenintervenienten einerseits (der selbst die Widmungsänderung betrieben hatte) und der Kläger andererseits sehen die Beklagten ein Argument für die fehlende Aktivlegitimation der Kläger. Sie nehmen dabei Bezug auf jene (auch vom Berufungsgericht als einschlägig erachtete) Judikatur, wonach ein Miteigentümer Eigentumsfreiheitsansprüche nach § 523 ABGB nur dann allein geltend machen kann, wenn er sich damit nicht in Widerspruch zu anderen Miteigentümern setzt (vgl etwa 10 Ob 69/98i mit der auch hier vorliegenden Implikation eines von einem Miteigentümer abgeleiteten Benützungsrechts des belangten Störers). Diese schon bisher fast ausschließlich für schlichte Miteigentumsgemeinschaften judizierte Einschränkung gilt jedoch für das Rechtsverhältnis zwischen Wohnungseigentümern (insbesondere bei eigenmächtiger Änderung der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts) nicht (5 Ob 25/08z = wobl 2009/54 [Vonkilch] = ecolex 2008/366 [Friedl] = immolex 2008/151 [Edelhauser]). Schon deshalb kann die Aktivlegitimation der Kläger nicht zweifelhaft sein.

Auch die Passivlegitimation der Beklagten ist zu bejahen. Die Zweitbeklagte betreibt das Unternehmen und ist damit als unmittelbarer Störer belangbar. Der Erstbeklagte ermöglichte der Zweitbeklagten die Führung und Aufrechterhaltung des Gastronomiebetriebs und ist damit in der Lage, die Störung abzustellen, was ebenfalls eine ausreichende Grundlage für die Passivlegitimation bietet (vgl 8 Ob 151/08a = immolex 2009/59 [Prader]).

Dies bestreiten die Beklagten auch gar nicht. Sie berufen sich aber darauf, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz (RIS–Justiz RS 0012057) das Bestandverhältnis zum Nebenintervenienten noch aufrecht war und damit eine obligatorische Vertragsbindung des Nebenintervenienten bestand, ihnen die Nutzung seines Wohnungseigentumsobjekts in der tatsächlich ausgeübten Art und Weise zu ermöglichen. Dem Unterlassungsbegehren der Kläger könne kein Erfolg beschieden sein, weil ihr Eingriff insofern nicht rechtswidrig sei (RIS–Justiz RS 0012038).

Bei dieser Argumentation übersehen die Beklagten, dass die Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts und das Festhalten an der dadurch definierten Nutzung zu den absolut geschützten Rechten jedes Wohnungseigentümers gehört. Eine Änderung dieses Rechtszustands ist nur nach Maßgabe des § 16 Abs 2 WEG 2002, also mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer oder aufgrund einer die fehlenden Zustimmungserklärungen ersetzenden Entscheidung des Außerstreitrichters möglich. Steht also einem Mit– und Wohnungseigentümer nach dieser für die Abgrenzung der Eigentümerbefugnisse zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft maßgeblichen Eigentumsordnung das Recht zur Widmungsänderung nicht zu, müssen die übergangenen Mit- und Wohnungseigentümer eine solche nicht gegen sich gelten lassen und können sich kraft ihres Eigentumsrechts gemäß § 523 ABGB nicht nur gegen den eigenmächtig handelnden Wohnungseigentümer, sondern auch gegen jeden anderen Störer wehren. Damit erweist sich der Eigentumseingriff der Beklagten gegenüber den Klägern als rechtswidrig und ihr Einwand der mangelnden passiven Sachlegitimation wegen abgeleiteter Nutzungsrechte als nicht zielführend.

Der im Klagebegehren verwendete Begriff „Unterlassung der Widmungsänderung“ mag zwar formalrechtlich unzutreffend sein, weil Widmungsfragen nur im wohnungseigentumsrechtlichen Verhältnis zwischen Miteigentümern von Bedeutung sind (RIS–Justiz RS 0120725; RS 0119528 ua) und die Beklagten zu den Klägern gerade nicht in einem solchen Rechtsverhältnis stehen. Aus dem Zusammenhang ergibt sich aber ausreichend deutlich, dass damit nur die (rechtlich unzulässige) Art der Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts beschrieben werden sollte und nicht eine nur wohnungseigentumsrechtlich zu begründende Unterlassungspflicht der Beklagten angestrebt wird.

Auch das mit dem Unterlassungsbegehren verbundene Beseitigungsbegehren der Kläger ist, soweit es von den Rechtsmittelwerbern überhaupt thematisiert wird, berechtigt. Die Ausstattungen des Wohnungseigentumsobjekts des Nebenintervenienten zur Führung eines Gastronomiebetriebs berührt auch allgemeine Teile des Hauses und hätte als Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 einer Genehmigung der übrigen Wohnungseigentümer bedurft. In Zusammenhang mit dem Begehren auf Unterlassung konkreter Störungen ist der Eigentümer auch berechtigt, die Beseitigung des störenden Zustands zu verlangen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts stehen also Kücheneinrichtung, Kühl– und Abluftanlagen sowie die Ausstattung des Gastronomiebetriebs in unmittelbarem Zusammenhang mit der zu unterlassenden Störung; ihre Beseitigung ist zur Herbeiführung des rechtmäßigen Zustands erforderlich (RIS–Justiz RS 0106908 [T2; T4]). Weitere Besonderheiten des Entfernungsbegehrens haben die Rechtsmittelwerber nicht releviert, weshalb darauf nicht einzugehen ist.

Damit erweist sich das ganze Klagebegehren als entscheidungsreif.

Auf § 364 Abs 2 ABGB haben die Kläger ihr Begehren gar nicht gestützt, weshalb sich auch unter diesem Gesichtspunkt eine Verfahrensergänzung erübrigt. Ihr Vorbringen über die Geruchs– und Lärmbelästigungen ist offenbar als Hinweis auf die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung in dem Sinn zu verstehen, als nach der Rechtsprechung erforderlich ist, dass dabei die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten werden (5 Ob 227/04z = RdW 2005/187 mwN). Die Untersagung schädlicher Einwirkungen iSv § 364 Abs 2 ABGB wurde nicht verlangt.

Dass das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgriff und eine Verfahrensergänzung zur Verbreiterung der Tatsachengrundlagen anordnete, bildet einen Verstoß gegen § 405 ZPO, der zu Recht in den Revisionsrekursen gerügt wurde.

Zweck des Rekurses an den Obersten Gerichtshof ist die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz, weshalb die dem Aufhebungsbeschluss zu Grunde liegende Rechtsansicht den Obersten Gerichtshof hinsichtlich der Notwendigkeit einer Verfahrensergänzung nur dann bindet, wenn sie vom Obersten Gerichtshof geteilt wird (RIS–Justiz RS 0042179; RS 0043934).

Es war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Leitsätze

  • Widmungsänderungen und Eigentumsfreiheitsklage

    Die (schon bisher fast ausschließlich für schlichte Miteigentumsgemeinschaften judizierte) Einschränkung, wonach ein Miteigentümer Eigentumsfreiheitsansprüche nach § 523 ABGB nur dann allein geltend machen kann, wenn er sich damit nicht in Widerspruch zu anderen Miteigentümern setzt, gilt für das Rechtsverhältnis zwischen Wohnungseigentümern (insbesondere bei eigenmächtiger Änderung der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts) nicht.
    Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 241/09s | OGH vom 24.11.2009 | Dokument-ID: 247546