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5 Ob 49/16s, OGH, 14. Juni 2016
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin V*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Christian Hopp, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die Antragsgegner 1. I***** GmbH, *****, 2. i***** GmbH, *****, vertreten durch Summer Schertler Stieger Kaufmann Droop Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, 3. W***** N*****, 4. S***** W*****, wegen § 24 Abs 6 WEG iVm § 52 Abs 1 Z 4 WEG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 15. Dezember 2015, GZ 2 R 338/15v-9, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 21. Oktober 2015, GZ 18 Msch 8/15p-5, über Rekurs der Zweitantragsgegnerin abgeändert wurde, den
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin ist schuldig, der Zweitantragsgegnerin die mit EUR 418,78 (darin enthalten EUR 69,80 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Antragstellerin ist mit 1668/6220-Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 3***** KG *****, zu der das Grundstück mit der Nr 3451/14 gehört. An dieser Liegenschaft ist Wohnungseigentum begründet. Die Antragsgegner sind die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer dieser Liegenschaft.
An das Grundstück mit der Nr 3451/14 der EZ 3***** grenzt das Grundstück Nr 3295/10 der EZ 2***** KG *****. Die (schlichten) Miteigentümer dieser Liegenschaft sind nicht verfahrensbeteiligt. Zu Gunsten der Zweitantragsgegnerin besteht jedoch am Grundstück Nr 3295/10 ein Baurecht.
Auf dem Grundstück Nr 3451/14 der EZ 3***** und dem Grundstück Nr 3295/10 der EZ 2***** ist ein Gebäude errichtet, das sich in der Natur als bauliche Einheit darstellt. Die Aufteilung der Betriebskosten dieses Gebäudes unter den Nutzern wird in 8363/8363-Anteile vorgenommen, wobei dieser Berechnung eine eigens zu diesem Zweck eingeholte Nutzwertermittlung vom 12.12.2003 zugrunde liegt. Danach entfallen auf die Erstantragsgegnerin 783/8363-Anteile, auf die Zweitantragsgegnerin 2795/8363-Anteile, auf die Leasingnehmerin der der Antragstellerin zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Gebäudeteile 2564/8363-Anteile und auf eine weitere Nutzerin des Objekts 2221/8363-Anteile.
Am 04.05.2015 erhielt die Antragstellerin von der Verwalterin der Liegenschaften eine vorbereitete Zustimmungserklärung zum Abschluss eines (aktualisierten) Wärmeliefervertrags mit der Aufforderung, diese bis spätestens 18. 5. 2015 ausgefüllt und unterschrieben zurückzusenden. Mit Schreiben vom 21.05.2015 informierte die Verwalterin die Antragstellerin darüber, dass 5.799-Anteile von 8.363-Anteilen und damit 69,34 % ihre Zustimmung zum Vertragsabschluss erteilt hätten, sodass ein Mehrheitsbeschluss für den aktualisierten Wärmeliefervertrag zustande gekommen sei.
Gestützt auf § 24 Abs 6 WEG begehrt die Antragstellerin die Feststellung, dass der mit Schreiben vom 21.05.2015 bekannt gegebene Umlaufbeschluss über den Abschluss eines neuen Wärmeliefervertrags rechtsunwirksam sei. Dazu machte sie geltend, dass die Anteile nicht richtig berechnet seien, weil dafür die Miteigentumsanteile nach dem Grundbuchsstand herangezogen werden hätten müssen. Darüber hinaus seien die Erstantragsgegnerin und die Zweitantragsgegnerin gemäß § 24 Abs 3 WEG von der Ausübung ihres Stimmrechts ausgeschlossen, weil diese zu je 25 % am Wärmelieferunternehmen beteiligt seien.
Die Zweitantragsgegnerin wendete die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil der von der Antragstellerin angefochtene Beschluss nicht den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes unterliege. Da das auf den Grundstücken Nr 3295/10 und 3451/14 errichtete Gebäude unter anderem wegen der zentralen Wasser- und Stromversorgung eine wirtschaftliche Einheit darstelle, hätten die Mit- und Wohnungseigentümer des Grundstücks Nr 3295/10 einerseits und die schlichten Miteigentümer des Grundstücks Nr 3451/14 andererseits beschlossen, eine gemeinsame Abrechnung der Betriebskosten des Gebäudes vorzunehmen. Der nunmehr angefochtene Beschluss beruhe auf dieser Vereinbarung und sei daher ein solcher der Miteigentümer beider Liegenschaften und nicht der Eigentümergemeinschaft der EZ 3***** zu der das Grundstück Nr 3451/14 gehöre.
Die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer beteiligten sich nicht am Verfahren.
Das Erstgericht stellte die Rechtsunwirksamkeit des mit Schreiben vom 21.05.2015 bekannt gegebenen Beschlusses fest. Dabei ging es in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass die Erst- und Zweitantragsgegnerinnen gemäß § 24 Abs 3 WEG von der Ausübung ihres Stimmrechts ausgeschlossen gewesen seien, weswegen es an der erforderlichen Mehrheit für das Zustandekommen eines Beschlusses gefehlt habe.
Das von der Zweitantragsgegnerin angerufene Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Sachbeschluss dahin ab, dass es den Antrag abwies. § 32 Abs 6 WEG ermögliche für größere Wohnungseigentumseinheiten zwar die Festsetzung einer von der Liegenschaft abweichenden Abrechnungseinheit und daran anknüpfend einer abweichenden Abstimmungseinheit, berechtige jedoch nicht die Bildung von liegenschaftsübergreifenden Abstimmungseinheiten, die zu vom Grundbuchsstand abweichenden Mehrheitsverhältnissen führten. Das führe im vorliegenden Fall dazu, dass der Abstimmung die Miteigentumsanteile gemäß dem Grundbuchsstand zugrunde zu legen seien. Da die Erst- und Zweitantragsgegnerinnen gemäß § 24 Abs 3 WEG wegen ihres wirtschaftlichen Naheverhältnisses von der Ausübung ihres Stimmrechts ausgeschlossen seien, seien deren Miteigentumsanteile bei der Prüfung, ob der Beschluss die erforderliche Mehrheit gefunden habe, auszuscheiden. Unter Abzug von deren Anteilen ergebe sich aber immer noch die erforderliche (einfache) Mehrheit für den Abschluss des der ordentlichen Verwaltung zuzurechnenden Wärmeliefervertrags und damit ein rechtswirksamer Beschluss der Eigentümergemeinschaft.
Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer liegenschaftsübergreifenden Beschlussfassung durch die Miteigentümer einer Liegenschaft, an welcher Wohnungseigentum begründet ist, im Zusammenwirken mit schlichten Miteigentümern einer Nachbarliegenschaft – soweit ersichtlich – nicht veröffentlicht sei.
Der von der Zweitantragsgegnerin beantwortete Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Regelungen des WEG immer auf eine bestimmte, einzige Liegenschaft abstellen und nicht in ein zwischen den Mit- und Wohnungseigentümern verschiedener Liegenschaften bestehendes Rechtsverhältnis eingreifen (RIS-Justiz RS0082696). Es wurde daher bereits judiziert, dass dann, wenn eine Vereinbarung zwischen Wohnungseigentümern mehrerer Liegenschaften über die Verteilung von Kosten besteht, § 32 WEG keine Handhabe und § 52 WEG keine Regelungskompetenz des Außerstreitrichters biete (5 Ob 196/07w wobl 2008/20 [Call]; 5 Ob 224/09s; RIS-Justiz RS0122485; RS0108572).
2. In einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 4 iVm § 24 Abs 6 WEG ist über die Rechtswirksamkeit von Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft zu erkennen. Diese wird von den Wohnungseigentümern einer bestimmten Liegenschaft zum Zwecke der Verwaltung gebildet (§ 2 Abs 5 WEG). Die Zuständigkeit des Außerstreitgerichts nach § 52 Abs 1 Z 4 WEG liegt daher nur vor, wenn ein solcher Beschluss als Ausdruck der Willensbildung der Wohnungseigentümer einer Liegenschaft vorliegt. Soweit § 32 Abs 6 WEG unter bestimmten Voraussetzungen die Festsetzung einer von der Liegenschaft abweichenden Abrechnungseinheit und damit verbunden einer von der Liegenschaft abweichenden Abstimmungseinheit ermöglicht, geht es immer nur um die Bildung von Einheiten innerhalb der betreffenden Liegenschaft (5 Ob 265/97z).
3. Nach dem festgestellten Inhalt des Schreibens vom 21. 5. 2015 liegt kein Beschluss der Eigentümergemeinschaft der EZ 3***** vor. Das darin bekannt gegebene Abstimmungsergebnis bezieht sich nach seinem Inhalt unzweifelhaft auf den zur (liegenschafts-übergreifenden) Verteilung der Betriebskosten des Gebäudes im Jahr 2003 ermittelten Schlüssel und nicht auf den Mindestanteil der Liegenschaft und gibt schon dadurch unzweifelhaft zu erkennen, dass an der zugrunde liegenden Willensbildung nicht ausschließlich die Wohnungseigentümer der EZ 3***** mitgewirkt haben. Inwieweit diesem Vorgang eine (liegenschaftsübergreifende) Vereinbarung der Mit- und Wohnungseigentümer einerseits bzw der schlichten Miteigentümer der Nachbarliegenschaft zugrunde liegt, kann hier dahinstehen. Für die Überprüfung einer liegenschaftsübergreifenden Beschlussfassung besteht jedenfalls nach § 52 Abs 1 Z 4 iVm § 24 Abs 6 WEG keine Zuständigkeit des Außerstreitrichters.
4. Aufgrund der eingeschränkten Amtswegigkeit im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren (RIS-Justiz RS0083783; RS0029344; RS0070480; RS0069653) endet die Verpflichtung zur Prüfung des Sachverhalts dort, wo ein Vorbringen der Parteien nicht vorliegt und Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärungsbedürftigkeit fehlen. Der Umstand, dass ein Register (Firmenbuch, Grundbuch) öffentlich ist, bedeutet nicht, dass die diesem zu entnehmenden Tatsachen allgemein bekannt oder auch nur gerichtskundig wären und deshalb ein entsprechendes Vorbringen nicht erstattet werden müsste (RIS-Justiz RS0111112).
5. Die Antragstellerin hat die wegen des Fehlens der erforderlichen Mehrheit geltend gemachte Anfechtung ausdrücklich auf das mit dem Schreiben vom 21.05.2015 bekannt gegebene Abstimmungsergebnis bezogen, dem kein Beschluss der Eigentümergemeinschaft zugrunde lag. Für die vom Rekursgericht vorgenommene Umdeutung in einen Akt der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft fehlt jede Grundlage, zumal die Antragstellerin auch noch im Revisionsrekursverfahren auf dem im Schreiben vom 21.05.2015 genannten Verteilungsschlüssel beharrt und dem Rekursgericht vorwirft, dass dieses seinem Ergebnis die Mindestanteile laut Grundbuch zugrunde gelegt habe. Damit geht sie selbst davon aus, dass dem Schreiben keine auf die Eigentümergemeinschaft beschränkte Willensbildung voranging. Ein auf § 24 Abs 6 WEG gestützter Antrag liegt damit in Wahrheit nicht vor.
6.1 Die Zweitantragsgegnerin hat im Verfahren erster Instanz die Einrede der Unzulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtswegs erhoben und diese auch zum Gegenstand ihres Rekurses gemacht. Die Vorinstanzen haben diese Einrede weder im Spruch noch in den Gründen ihrer Entscheidung behandelt.
6.2 Für die Frage der Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs ist auch in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 WEG) immer der Inhalt des von der Partei gestellten Entscheidungsbegehrens und ihr Sachvorbringen maßgeblich (RIS-Justiz RS0005861 [T6]). Die Antragstellerin hat ihr Begehren ausdrücklich auf § 24 Abs 6 WEG gestützt und auch in ihrem Sachvorbringen betont, dass Gegenstand des Verfahrens die Anfechtung eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft sei, über den nach § 52 Abs 1 Z 4 im Verfahren Außerstreitsachen zu entscheiden ist. Ergibt sich in einem (nach dem Entscheidungsgegenstand und dem Sachvorbringen) zulässigerweise eingeleiteten Verfahren über Einwand des Gegners, dass eine zwingende Voraussetzung für die begehrte Regelung nicht vorliegt, führt das zur Abweisung des Antrags (5 Ob 53/07s; 5 Ob 224/09s).
Da ein grundsätzlich zulässig im Verfahren Außerstreitsachen gestellter Antrag vorlag und sich erst im Verfahren herausstellte, dass tatsächlich kein Beschluss der Eigentümergemeinschaft der EZ 3***** als Akt der Willensbildung vorlag, hat es im Ergebnis bei der vom Rekursgericht ausgesprochenen Abweisung des Antrags zu bleiben.
Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Zu berücksichtigen war, dass die Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Z 3 lit b sublit bb RATG EUR 2.500,– beträgt.
Leitsätze
-
Keine Zuständigkeit des Außerstreitgerichts für liegenschaftsübergreifende Beschlüsse
Das WEG 2002 ist grundsätzlich bloß auf jene Fälle anzuwenden, die eine einzelne Liegenschaft betreffen. So ist auch das Außerstreitverfahren gegen Eigentümerbeschlüsse nur dann zulässig, wenn auch wirklich ein Beschluss der Eigentümer/innen einer Liegenschaft vorliegt, nicht aber bei Vereinbarungen zwischen Eigentümer/innen zweier Liegenschaften.Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 49/16s | OGH vom 14.06.2016 | Dokument-ID: 860862