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Dokument-ID: 284968

Judikatur | Entscheidung

3 Ob 7/11t; OGH; 23. Februar 2011

GZ: 3 Ob 7/11t | Gericht: OGH vom 23.02.2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Appiano & Kramer Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, wegen EUR 1.293,75 sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. August 2010, GZ 39 R 32/10k-18 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24. November 2010, GZ 39 R 32/10k-22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 336,82 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 56,14 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Klägerin begehrte von der beklagten Vermieterin Schadenersatz und erhob darüber hinaus verschiedene Feststellungsbegehren zur Nutzung des Mietobjekts, ua betreffend Hundehaltung. Der Mietvertrag enthalte kein Verbot der Tierhaltung. Der Geschäftsführer der Klägerin habe einen Hund, den er in das Büro nehme, wobei er darauf achte, dass das Tier das Betriebsareal nicht frequentiere und verschmutze. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass auch eine Mitarbeiterin einen Hund in die Büroräumlichkeiten der Klägerin mitnehme, was toleriert worden sei. Die Beklagte untersage nun vertragswidrig die Hundehaltung und werfe der Klägerin völlig unbegründet die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht des Tierhalters vor. Es liege Schikane vor.

Die Beklagte wendete ein, Hundehaltung entspreche nicht dem vereinbarten Mietzweck. Die Klägerin könne als juristische Person überdies keinen Hund halten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der vom Geschäftsführer der Klägerin gehaltene große Hund zu irgendeinem Zeitpunkt Mitarbeiter der Beklagten oder Kunden oder sonstige Dritte, die sich auf der Liegenschaft befinden, anfalle. Die Beklagte habe die Hundehaltung nie gestattet, ihre nunmehrige Untersagung sei gerechtfertigt.

Das Erstgericht stellte fest, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten zur Hundehaltung berechtigt sei. Mangels Regelung im Mietvertrag komme es für die Berechtigung zur Haustierhaltung auf den Zweck des Vertrags, auf den Ortsgebrauch und auf die Verkehrssitte an. Danach sei das Halten üblicher Haustiere, insbesondere von Hunden und Katzen regelmäßig erlaubt. Solange damit keine konkrete Beeinträchtigung des Mietobjekts einhergehe, sei das Mitführen von Hunden auch bei Geschäftsräumlichkeiten üblich. Zutreffend sei, dass die Verrichtung der Notdurft auf dem Areal durch den Vermieter nicht geduldet werden müsse, dies bedeute aber nicht, dass die Hundehaltung generell unzulässig wäre. Bei konkreten Beeinträchtigungen stünde der Klägerin die Unterlassungsklage offen.

Das Berufungsgericht änderte betreffend die Hundehaltung das Feststellungsbegehren über Berufung der Beklagten im klageabweisenden Sinn ab. Es sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand insgesamt EUR5.000,–, nicht aber EUR 30.000,– übersteige. Über Abänderungsantrag der Klägerin nach § 508 ZPO ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung zur Frage der Hundehaltung in Geschäftsräumen bei Fehlen einer mietvertraglichen Regelung fehle. Die auf Wohnungen bezugnehmende Rechtsprechung über die Zulässigkeit der Haltung von wohnungsüblichen Kleintieren und üblichen Haustieren, wie insbesondere von Hunden und Katzen, mit Rücksicht auf Ortsgebrauch und Verkehrssitte könne nicht ohne weiteres auf Geschäftsräume ausgedehnt werden. Die Klägerin sei Mieterin von in einem mehrstöckigen Altbau gelegenen Geschäftsräumen, wo es auch andere Mieter oder Nutzer gebe. Die Vermietung sei ausschließlich zum Zweck der Führung eines Geschäftsbetriebs (Ziviltechniker) erfolgt. Es entspreche nicht dem Vertragszweck, in solchen Geschäftsräumlichkeiten Hunde zu halten, weshalb der Klägerin das Recht zur Hundehaltung nicht zustehe.

Die Klägerin strebt mit ihrer Revision die Abänderung der berufungsgerichtlichen Entscheidung über das die Hundehaltung betreffende Feststellungsbegehren im Sinn der Wiederherstellung des klagestattgebenden Ersturteils an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Zunächst ist festzuhalten, dass die nachträgliche Zulassung der ausschließlich die Hundehaltung betreffenden Revision durch das Berufungsgericht implizit einen Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts dahin enthält, dass der von der Revision erfasste Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts von diesem mit EUR 5.000,– übersteigend bewertet wird. Die Bewertung des die Hundehaltung betreffenden Feststellungsbegehrens durch die Klägerin mit EUR 1.500,– erfolgte in der Klage ausdrücklich nur nach dem RATG (durch die Präzisierung der Bewertung im vorbereitendem Schriftsatz ON 4, AS 123 nicht verändert). Eine die berufungsgerichtliche (Höher-)Bewertung ausschließende Bewertung des Klagebegehrens nach den Bewertungsbestimmungen der JN liegt daher nicht vor (Zweifelsstreitwert nach § 56 Abs 2 JN; RIS-Justiz RS0042434).

Da eine vertragliche Regelung der Tierhaltung im Mietvertrag weder behauptet noch bewiesen wurde, kommt es für die Frage, ob der Mieter im Einzelfall berechtigt ist, Haustiere zu halten, auf den Zweck des Vertrags, auf den Ortsgebrauch und die Verkehrssitte an (9 Ob 102/98k mwN; Binder in Schwimann, ABGB3, § 1098 Rz 40 mwN). Mögen die bisherigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs auch nur zu Wohnungsmietverträgen ergangen sein, sind die Grundsätze ergänzender Vertragsauslegung, welche erforderlich wird, wenn eine konkrete vertragliche Vereinbarung der Mietvertragsparteien fehlt, doch für Wohnungs- und Geschäftsraummietverträge gleich anzuwenden. Zu welchem Ergebnis die konkrete Berücksichtigung des Vertragszwecks unter Rücksichtnahme auf den Ortsgebrauch und die Verkehrssitte nach den Umständen des Einzelfalls führt, lässt sich nicht für alle Fälle der Geschäftsraummiete, auch nicht für die Vermietung von Büroräumen für eine Ziviltechnikergesellschaft allgemein gültig festlegen. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist daher zu verneinen, weil die ergänzende Vertragsauslegung durch das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht eine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung bildet (vgl RIS-Justiz RS0044358; insbesondere für die ergänzende Vertragsauslegung: 7 Ob 75/09v).

Die Differenzierung zwischen der Vermietung einer Wohnung zu Wohnzwecken, womit nach Ortsgebrauch und Verkehrssitte in der Regel auch die Haltung von wohnungsüblichen Kleintieren und üblichen Haustieren wie insbesondere von Hunden und Katzen als zulässig angesehen wird, und der Vermietung von Geschäftsräumlichkeiten zum (ausschließlichen) Betrieb eines Ziviltechnikerbüros erscheint ebenso vertretbar wie die Bedachtnahme auf den Umstand, dass das Mietobjekt der Klägerin in einem auch von anderen (Geschäfts-)Mietern und sonstigen Nutzern frequentierten Altbau liegt, wobei die Klägerin danach trachtete, ihr Mietrecht nicht nur in den eigentlichen Büroräumen sondern darüber hinaus auch auf zu weiteren Geschäftsräumen führenden Gängen des Objekts auszuüben (Garderobe, zu ihrem Betrieb gehörende Geräte).

Mangels erheblicher Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwies, hat ihr die Klägerin die Kosten der Revisionsbeantwortung gemäß §§ 41 und 50 ZPO zu ersetzen.

Leitsätze