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Dokument-ID: 764055

Judikatur | Entscheidung

1 Ob 239/14z; OGH; 19. März 2015

GZ: 1 Ob 239/14z | Gericht: OGH vom 19.03.2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K***** R*****, vertreten durch Mag. Dr. Volker Riepl, Rechtsanwalt in Linz, und 2. ***** R*****, gegen die beklagte Partei Autobahnen und Schnellstraßen Finanzierungs-Aktiengesellschaft, Wien 1, Rotenturmstraße 5-9, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH, Linz, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 70.000,–), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Oktober 2014, GZ 4 R 62/14m-11, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 11. März 2014, GZ 4 Cg 164/13z-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Einfamilienwohnhaus. In der näheren Umgebung dieses Grundstücks wird aufgrund von der Beklagten erteilten Genehmigungen ein Abschnitt einer Schnellstraße errichtet. Der „Stammbescheid“ vom 3. 7. 2009 enthält eine grundsätzliche Genehmigung für diesen Straßenabschnitt, unter anderem nach dem Umweltverträglichkeits-prüfungsgesetz 2000 und dem Bundesstraßengesetz 1971. Der „Änderungsbescheid“ vom 09.10.2012, der aufgrund eines Antrags der Beklagten auf Änderung gemäß § 24g UVP-G 2000 erging, bezieht sich auf einen Teil des ursprünglich bewilligten Bauabschnitts und erfasst insbesondere den Bereich eines bestimmten Tunnels. Er enthält unter anderem die Bewilligung, das beim Tunnelbau gewonnene Abbruchmaterial im Rahmen des beantragten „Alternativen Materialbewirtschaftungskonzepts“ im Wege einer „Geländemodellierung“ auf im Eigentum Dritter stehende Grundstücke abzulagern. Im Bescheid aus dem Jahr 2009 wurde unter anderem ausgesprochen, dass die Errichtung und der Betrieb von Materialaufbereitungsanlagen (inklusive Materialumschlag) wie Brecher-, Sieb- und Mischanlagen und dergleichen nur in einem Abstand von 500 m von Wohnanrainern zulässig sind; bei Unterschreitung dieses Mindestabstands ist der UVP-Behörde mittels Schallausbreitungsberechnung vor Baubeginn nachzuweisen, dass in Wohn- und Kurgebieten ein baulärmbedingter Beurteilungspegel von Lr = 55 dB am Tag bzw in allen anderen Baulandgebieten mit Wohnnutzung ein baulärmbedingter Beurteilungspegel von Lr = 70 dB am Tag nicht überschritten wird.

Die Kläger begehrten nun die Beklagte schuldig zu erkennen, Lärmimmissionen durch „Steinbrecherarbeiten“ von bestimmten – von der bewilligten Geländemodellierung betroffenen – Grundstücken auf ihre Liegenschaft zu unterlassen. Im Rahmen eines Eventualbegehrens wurde das begehrte Verbot von Lärmimmissionen näher konkretisiert. Seit dem 07.10.2013 führe die Beklagte neben den eigentlich genehmigten Anschüttungsarbeiten mit Ausbruchmaterial mehrmals wöchentlich auch Steinbrecharbeiten in einem Anschüttungsgebiet vor der Liegenschaft der Kläger durch, wobei größere Gesteinsbrocken mit Hydraulikbagger und Hydrohammer in kleine Steinbrocken gebrochen würden. Auf den für diese Arbeiten verwendeten Flächen, die im Eigentum Dritter stünden, sei der Beklagten lediglich die Anschüttung, nicht aber die Vornahme von Steinbrecharbeiten genehmigt worden. Eine solche Genehmigung sei auch gar nicht beantragt worden. Vielmehr sei bei der Antragstellung dargelegt worden, dass bei den Verfüllungsarbeiten Geräuschemissionen lediglich durch die Schubraupe sowie das Rangieren der LKW und deren Rückfahrwarner entstünden. Die Emissionen erfolgten auch nicht von der im Bau befindlichen Bundesstraße selbst, die rund 2 km von der Liegenschaft der Kläger entfernt sei. Schon deshalb sei entgegen den Einwendungen der Beklagten § 24 Abs 5 BStG nicht anwendbar. Diese Spezialnorm beziehe sich auch nur auf die von Grundstücken des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) ausgehenden Einwirkungen, nicht aber auf Emissionen von fremden Grundstücken, auf denen Aushubmaterial abgelagert werde. Die Emissionen wären aber auch von den den eigentlichen Straßenbau betreffenden Bewilligungen nicht gedeckt. Im Stammbescheid sei der Beklagten die Auflage erteilt worden, den Betrieb von Materialaufbereitungsanlagen in einem Abstand von zumindest 500 m von Wohnanrainern durchzuführen. Demgegenüber fänden die die Liegenschaft der Kläger beeinträchtigenden Steinbrecherarbeiten in einem Abstand von rund 100 bis 200 m statt. Abgesehen von der Überschreitung des Bescheidinhalts verursache die Beklagte mit ihren Brecharbeiten auch gleichzeitig das gewöhnliche Maß überschreitende, ortsunübliche Immissionen zu Lasten der Liegenschaft der Kläger. Deren Liegenschaft liege in einem ruhigen, ländlichen Siedlungsgebiet und werde durch die Immissionen wesentlich beeinträchtigt. Die Beklagte sei auch für einen Unterlassungsanspruch nach § 364 ABGB als der unmittelbare Verursacher der Störungen passiv legitimiert. Es sei offenkundig, dass sie die befristet von den betroffenen Eigentümern überlassenen Grundstücke für eigene Zwecke benütze.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass das Unterlassungsbegehren schon deshalb unberechtigt sei, weil § 25 Abs 5 BStG als lex specialis das allgemeine Nachbarrecht des ABGB verdränge und auch sie insoweit privilegiere. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob für die lärmverursachenden Arbeiten eigene oder fremde Grundstücke in Anspruch genommen würden. Es gehe um Grundstücke, die zur Realisierung des Bundesstraßenprojekts in der Bauphase verwendet werden müssten, wobei ein Nutzungsrecht genüge. Schließlich könnten Sondergesellschaften des Bundes wie die Beklagte, die zum Bau einer Bundesstraße herangezogen werden, generell nicht nachbarrechtlich belangt werden. Die beiden Bescheide seien als Einheit zu verstehen, weshalb es auch rechtlich unerheblich sei, dass die Kläger im Verfahren über den „Stammbescheid“ keine Parteistellung gehabt hatten. Im Übrigen sei die rechtliche Zulässigkeit der streitgegenständlichen Immissionen erst im Änderungsverfahren begründet worden, in denen den Klägern unstrittig Parteistellung zugekommen sei. Dabei sei auch die Frage der Immissionsbelastung mit einem Sachverständigen für Lärmschutz erörtert worden. Sie halte die Bescheidauflagen vollumfänglich ein. Die Lärmimmissionen seien als geringfügig und temporär zu beurteilen und beeinträchtigten auch die ortsübliche Benützung des Grundstücks der Kläger nicht wesentlich. Die Zerkleinerungsarbeiten stellten keinen Regelfall dar und würden ausschließlich im Bedarfsfall für wenige Stunden durchgeführt. Temporäre Lärmpegelspitzen seien vom Baukonsens ausdrücklich erfasst. Die maßgebenden Grenzwerte würden stets unterschritten. Außerdem sei ein Lärmschutzdamm mit einer besseren Abschirmwirkung ausgeführt worden als im Bescheid gefordert.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren als unschlüssig ab. Der Anspruch des Grundnachbarn auf Unterlassung nach § 364 Abs 2 ABGB entfalle, weil öffentliche Straßen als behördlich genehmigte Anlagen im Sinn des § 364a ABGB zu beurteilen seien. Da § 24 Abs 5 BStG das allgemeine Nachbarrecht des ABGB als lex specialis verdränge, sei auch § 364a ABGB nicht anzuwenden. Nach der genannten Bestimmung des BStG könnten die beim Bau oder Ausbau einer Bundesstraße von Grundstücken des Bundes ausgehenden Einwirkungen nicht untersagt werden; der Nachbar sei vielmehr auf Schadenersatzansprüche beschränkt. Im Übrigen mangle es an der Passivlegitimation der „klagenden Parteien“ (richtig: der Beklagten). Der Oberste Gerichtshof habe in einer Entscheidung ausgesprochen, dass die aufgrund von Bundesgesetzen eingerichteten Autobahnerrichtungs-gesellschaften die Grundstücke, auf welchen schadensträchtige Bauarbeiten verrichtet werden und von denen schädliche Immissionen ausgehen, nicht für eigene Zwecke benützen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Die Haftungsbeschränkungen des § 24 Abs 5 BStG fänden auch im vorliegenden Fall Anwendung. Diese Bestimmung gelte auch zu Gunsten von Sondergesellschaften des Bundes, was bereits zu 1 Ob 71/97s ausgesprochen worden sei. Auch wenn § 24 Abs 5 BStG auf Immissionen von „Grundstücken des Bundes“ abstelle, müsste es sich nicht um Grundstücke handeln, die im Eigentum des Bundes stehen; es genüge auch, dass diese Grundstücke dem Bund für die Bautätigkeit (wenn auch nur befristet) überlassen würden. Die Liegenschaft der Kläger sei auch als ein der Bundesstraße „benachbartes“ Grundstück im Sinne des § 24 Abs 5 BStG zu qualifizieren, stelle doch der Nachbarbegriff des § 7a BStG darauf ab, ob das Eigentum von Personen durch den Bau oder den Betrieb gefährdet werden könnte. Die von den Klägern vertretene gegenteilige Auslegung würde zu dem unbilligen Ergebnis führen, dass direkt an die Bundesstraße angrenzende Nachbarn von der Geltendmachung nachbarrechtlicher Ansprüche ausgeschlossen wären, wogegen weiter entfernte Nachbarn von den Haftungsschranken des § 24 Abs 5 BStG nicht betroffen wären. Derartiges könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage aufgefunden worden sei, ob es sich bei den „Grundstücken des Bundes“ im Sinne des § 24 Abs 5 BStG um Grundstücke handeln müsse, die im Eigentum des Bundes bzw im Eigentum der (bauführenden) Sondergesellschaft des Bundes stehen, oder ob als Grundstücke des Bundes auch solche Grundstücke (wie hier) anzusehen seien, die der Sondergesellschaft lediglich (befristet) zur Verwendung überlassen wurden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist zulässig, weil es fraglich ist, ob die von den Vorinstanzen herangezogene rechtliche Beurteilung der Entscheidung zu 1 Ob 71/97s auch auf Bauprojekte der hier Beklagten, die einem eigenen gesetzlichen Regime (ASFINAG-ErmächtigungsG 1997) untersteht, übertragen werden kann. Darüber hinaus gibt es zur Frage, ob § 24 Abs 5 BStG auch Unterlassungsansprüche gegen Immissionen durch den Straßenbau ausschließt, die von fremden Grundstücken ausgehen bzw vom Bewilligungsbescheid nicht gedeckt sind, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen auch berechtigt.

1. Die Kläger berufen sich für ihr Unterlassungsbegehren auf § 364 Abs 2 ABGB. Auch wenn diese Bestimmung nach ihrem Wortlaut nur den „Nachbarn“ als Unterlassungspflichtigen nennt, entspricht es doch herrschender Rechtsprechung und Lehre, dass als Störer nicht nur Grundeigentümer in Anspruch genommen werden können, sondern auch andere Personen, die das Grundstück nutzen, jedenfalls wenn die Nutzung „für eigene Zwecke“ erfolgt (vgl nur 1 Ob 2337/96z; = SZ 70/85 mwN ua; RIS-Justiz RS0010654; Eccher/Riss in KBB4 § 364 ABGB Rz 16).

Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen und der Beklagten ist diese nach Auffassung des erkennenden Senats als eine solche – grundsätzlich passiv legitimierte – Störerin anzusehen, sofern sie die von den Klägern monierten Immissionen dadurch verursacht, dass sie in eigenem wirtschaftlichen Interesse auf bestimmten Liegenschaften lärmerzeugende Arbeiten vornimmt bzw vornehmen lässt. Zu Unrecht berufen sich die Vorinstanzen insbesondere auf die zu 1 Ob 2337/96z und 1 Ob 71/97s ergangenen Entscheidungen. Im ersten Verfahren verwies der Oberste Gerichtshof darauf, dass der Bund wiederholt die ihm obliegende Errichtung, Erhaltung und Finanzierung von Bundesstraßenabschnitten sondergesetzlich geregelt und diese Aufgaben zu diesem Zweck gegründeten Gesellschaften übertragen habe; er habe sich dabei der privatrechtlichen Rechtsform der Aktiengesellschaft bedient und sei als Mehrheitsaktionär daran beteiligt gewesen. Angesichts der für die damals beklagte Gesellschaft geltenden Rechtsvorschriften habe diese gleichsam als ein aufgrund eines Gesetzes berufener Bauführer Straßenbauten für den Bund zu organisieren, auszuführen und für den Bund die Maut für diese Benützung der Straßen einzuheben gehabt; auch die Grundeinlösungen seien im Namen des Bundes erfolgt, dem auch ein direktes Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand eingeräumt gewesen sei. Damit habe die Gesellschaft die Grundstücke, auf denen die schadensträchtigen Arbeiten verrichtet wurden und von denen die schädlichen Immissionen ausgingen, nicht für eigene Zwecke benützt. Ähnlich wurde in der zweiten Entscheidung argumentiert, in der die Gesellschaft „gleichsam als Bauunternehmer“ angesehen wurde, der aufgrund eines „bundesgesetzlich angeordneten Auftrags (Werkvertrags)“ Bauarbeiten auf dem Nachbargrund durchzuführen habe. Damit sei der Gesellschaft aber keine Benützungsbefugnis eingeräumt worden, die sie nach §§ 364 ff ABGB haftbar machen könnte.

Diese Rechtsauffassung wurde in der Literatur vor allem mit dem Argument kritisiert, dass auch die damals zu beurteilende Sondergesellschaft Entgelte in Höhe der Infrastrukturkosten und darüber hinaus angemessene Verwaltungskosten vom Bund zurückerhalten habe, weshalb ein Eigennutzen zu bejahen gewesen wäre (Kerschner/Wagner in Klang³ § 364a ABGB Rz 97). Zutreffend weisen die Revisionswerber für das vorliegende Verfahren darauf hin, dass die hier beklagte ASFINAG als Fruchtgenussberechtigte (§§ 2 ff ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997) eine noch weitergehende Rechtsposition habe und somit auch den Straßenbau zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken durchführe. Die Beklagte hat nach § 5 leg cit zwar ertragsunabhängig ein Entgelt für die Einräumung des Fruchtgenussrechts an den Bund zu leisten, darf aber über sämtliche (Mehr-)Einnahmen selbst verfügen (§ 6 leg cit) und wird damit durchaus auch im eigenen (Erwerbs-)Interesse tätig. Ob neben die allfällige „Handlungsstörerhaftung“ der ASFINAG eine „Zustandsstörerhaftung“ des Bundes tritt, der durch das von jener zu zahlende Entgelt laufende Einnahmen bezieht (so Kerschner/Wagner aaO), ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, richtet sich die Klage doch ausschließlich gegen die AG. Diese ist keineswegs bloß als weisungsabhängiger und beauftragter „Erfüllungsgehilfe des Bundes“ (so die Formulierung der Beklagten im Verfahren erster Instanz) zu qualifizieren, zieht sie doch nicht nur eigene wirtschaftliche Vorteile aus dem Bau (und der späteren Benützung) der Straße, sondern ist aufgrund eigener Antragstellung auch Träger der behördlichen Bewilligung zur Errichtung der – von ihr selbst zu planenden, zu bauenden und zu erhaltenden (§ 9 ASFINAG-ErmächtigungsG) – Straße.

2. Gemäß § 24 Abs 5 BStG 1971 können die Eigentümer von der Bundesstraße benachbarten Grundstücken die beim Bau oder Ausbau einer Bundesstraße von Grundstücken des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) ausgehenden Einwirkungen nicht untersagen. Diese Bestimmung verdrängt somit in ihrem – noch näher zu untersuchenden – Anwendungsbereich als lex specialis die nachbarrechtlichen Regelungen der §§ 364 ff ABGB, und damit auch den von den Klägern zur Begründung ihres Unterlassungsbegehrens herangezogenen § 364 Abs 2 ABGB (so etwa Illedits in Illedits/Illedits-Lohr, Handbuch zum Nachbarrecht³ Rz 6/27). Die genannte Norm privilegiert nicht nur den Bund, sondern auch jene Gesellschaft, die bundesgesetzlich mit der Errichtung bestimmter Bundesstraßen betraut ist (1 Ob 591/83 = RIS-Justiz RS0053811; grundsätzlich ebenso Kerschner/Wagner aaO), was sich schon aus der Teleologie der Vorschrift ergibt, die der Erleichterung der Errichtung von (dem öffentlichen Interesse dienenden) Straßen des höherrangigen Verkehrswegenetzes dient.

Nach dem Wortlaut des § 24 Abs 5 BStG 1971, geht es um die beim „Bau oder Ausbau“ einer Bundesstraße auf „benachbarte Grundstücke“ einwirkenden Immissionen. Soweit die Revisionswerber in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, der Tatbestand der Norm wäre deshalb nicht erfüllt, weil die von ihnen monierten Lärmbelästigungen nicht mit dem Bau der eigentlichen Straße zusammenhingen, sondern auf die von der Straße entfernte Geländemodellierung zurückzuführen seien, kann ihnen nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Die hier zu beurteilende Vorschrift zielt darauf ab, den Bau oder Ausbau höherrangiger Straßen zu erleichtern und „ungerechtfertigten nachbarrechtlichen Ansprüchen während des Baus von Bundesstraßen entgegenzutreten“ (so die ErläutRV 242 BlgNR 12. GP 29). Es besteht grundsätzlich keine Veranlassung dafür, danach zu differenzieren, ob die Immissionen mit dem „eigentlichen Bau“ der Straße oder aber mit sonstigen Baumaßnahmen zusammenhängen, die deshalb erforderlich sind, damit sich die Straße entsprechend der behördlichen Bewilligung in das bisher zu anderen Zwecken verwendete Gelände einfügt. Auch derartige Maßnahmen gehören zum „Bau oder Ausbau“ der Straße. Ob hier eine solche Situation vorliegt, kann allerdings mangels Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen nicht beurteilt werden.

Die Beklagte behauptet, es handle sich um Grundstücke, die zur Realisierung des Straßenprojekts in der Bauphase verwendet werden „müssen“, auch wenn nicht dargelegt wird, warum die Zerkleinerungsarbeiten nicht schon auf der eigentlichen Tunnelbaustelle vorgenommen werden können. Nach dem Vorbringen der Kläger handelt es sich um eine reine Ablagerung von Ausbruchmaterial, die auch anderswo stattfinden könne und mit der Gestaltung der Straße und ihres Umfelds nichts zu tun habe. Sollte Letzteres zutreffen, wäre den Klägern zu folgen, dass es nicht um „beim Bau oder Ausbau einer Bundesstraße … ausgehende Einwirkungen“ geht. Dann unterlägen die durch die Materialdeponierung bzw die vorhergehende Materialbearbeitung hervorgerufenen Emissionen einer Beurteilung nach allgemeinem Nachbarrecht, ein Unterlassungsanspruch aber auch in diesem Fall nur soweit es sich nicht um eine behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB handelt, die im Rahmen der erteilten Bewilligung (dazu auch unter 2.4.) betrieben wird. Aber auch zur Beurteilung der Frage, ob die konkreten Steinbrecherarbeiten im Sinne der Prozessbehauptungen der Beklagten vom „Änderungsbescheid“ gedeckt sind, fehlt es an Tatsachenfeststellungen. Diese werden im fortgesetzten Verfahren – insbesondere durch Feststellung des einschlägigen Bescheidinhalts – nachzuholen sein.

2.1. Welches Ziel der Gesetzgeber verfolgte, als er in § 24 Abs 5 BStG die Privilegierung des Errichters einer Bundesstraße auf Einwirkungen beschränkte, die „von Grundstücken des Bundes (Bundesstraßenverwaltung)“ ausgehen, ist nicht mit Sicherheit nachzuvollziehen, zumal die Gesetzesmaterialien dazu schweigen. Wie unter 2. dargelegt, sollte es bei teleologischer Betrachtung aber primär darum gehen, ob die betreffenden Einwirkungen auf Bauarbeiten zurückgehen, die mit dem Bau oder Ausbau der Bundesstraße samt den notwendigen Begleiteinrichtungen notwendigerweise verbunden sind, ohne dass es entscheidend darauf ankommen sollte, in wessen Eigentum die von den Arbeiten betroffenen Grundflächen stehen. Im Zweifel wird aber – auch unter dem Gesichtspunkt, dass es sich hier um eine Ausnahmebestimmung handelt – vom Wortlaut der Norm auszugehen sein. Solle es sich – wie die Kläger behaupten – um reine Deponieflächen handeln, die (unstrittigermaßen) im Eigentum Dritter stehen, wäre § 24 Abs 5 BStG jedenfalls nicht anzuwenden.

2.2. Nicht zu folgen ist hingegen den Revisionswerbern, wenn sie unter Hinweis auf die räumliche Entfernung ihrer Liegenschaft die Anwendbarkeit der besprochenen Norm mit dem Argument leugnen, es handle sich dabei um kein „benachbartes“ Grundstück. Abgesehen davon, dass bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen hat, dass es widersinnig wäre, nur den Eigentümern unmittelbar angrenzender Grundstücken ihr Abwehrrecht zur Erleichterung des Straßenbaus zu entziehen, es hingegen solchen von weiter entfernten zu belassen, setzen sich die Kläger in Widerspruch zu ihrer eigenen Argumentation, berufen sie sich doch in erster Linie auf Unterlassungsansprüche nach § 364 Abs 2 ABGB, die aber ebenfalls ein Nachbarschaftsverhältnis zwischen dem emittierenden und dem belasteten Grundstück voraussetzen. Zudem ergibt sich aus der einschlägigen Legaldefinition des § 7a Abs 2 BStG unmissverständlich, dass als Nachbarn alle Personen anzusehen sind, die oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte durch den Bau (oder den Betrieb) gefährdet werden könnten. Der Auffassung der Revisionswerber, sie seien zwar im Sinn des § 364 Abs 2 ABGB, nicht aber im Sinn des § 24 Abs 5 BStG Nachbarn, kann daher nicht gefolgt werden.

2.3. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass (auch) der Beklagten bei ihren Arbeiten im Zusammenhang mit dem Straßenbau die Privilegierung durch § 24 Abs 5 BStG (nur) insoweit zugute kommt, als es sich um Bauarbeiten an den eigentlichen Straßeneinrichtungen samt (allenfalls zu bearbeitenden) Nebenflächen handelt, die notwendigerweise in diesem Bereich vorzunehmen sind.

2.4. Die genannte Vorschrift immunisiert aber keineswegs alle denkbaren Immissionen durch Baumaßnahmen gegen Unterlassungsansprüche von beeinträchtigten Nachbarn, strebt das Gesetz doch – wie bereits dargelegt – lediglich die Vermeidung von „ungerechtfertigten“ nachbarrechtlichen Ansprüchen während des Baus von Bundesstraßen an. „Ungerechtfertigt“ können solche Unterlassungsansprüche aber nur insoweit sein, als deren Zulassung den Bau von Bundesstraßen unmöglich machen oder zumindest ganz erheblich erschweren würde. Da in der Errichtung derartiger Straßen ein erhebliches öffentliches Interesse gesehen wird (vgl auch VfGH G 63/81 = VfSlg 9.663), soll dieses Vorrang vor den Einzelinteressen der – durch den Bau auch nur kurzfristig beeinträchtigten – Anrainer haben. Welche Einwirkungen die Nachbarn im Einzelnen hinzunehmen haben, ergibt sich letztlich aus den behördlichen Bescheiden, mit denen der Straßenbau bewilligt wird, wobei auch die dem Anrainerschutz dienenden Bestimmungen des UVP-G 2000 zu berücksichtigen sind. Insoweit ist eine Parallele zu § 364a ABGB anzunehmen, der nach herrschender Auffassung Unterlassungsansprüche bei Beeinträchtigungen durch behördlich genehmigte Anlagen nur insoweit ausschließt, als es sich um Immissionen handelt, die mit dem bewilligungsgemäßen Betrieb der Anlage (typisch) verbunden sind, wogegen ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich solcher Immissionen besteht, die dadurch entstehen, dass sich der Inhaber der Anlage nicht an den Genehmigungsbescheid, insbesondere an darin enthaltene Auflagen, hält (vgl nur Oberhammer in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 364a Rz 4; Kerschner/Wagner aaO, Rz 154 f, je mwN). Immissionen, die bei Bauarbeiten im Zuge der Errichtung einer Bundesstraße entstehen, aber durch die behördlichen Genehmigungen nicht gedeckt sind, sind somit von § 24 Abs 5 BStG nicht erfasst und können unter den Voraussetzungen des § 364 Abs 2 ABGB untersagt werden.

Im vorliegenden Verfahren berufen sich die Kläger letztlich auch darauf, dass die Beklagte bei ihren Steinbrecharbeiten die Bescheidauflagen verletzt und insbesondere den festgesetzten Mindestabstand für derartige Arbeiten nicht eingehalten habe, auch wenn sie primär vorbringen, der „Stammbescheid“ habe die „Geländemodellierung“ gar nicht erfasst. Die Vorinstanzen haben sich aufgrund ihrer abweichenden Rechtsansicht mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt und dazu keine Tatsachenfeststellungen getroffen. Dies wird im fortgesetzten Verfahren gegebenenfalls nachzuholen sein. Sollte sich ergeben, dass die Liegenschaft der Kläger von Lärmbeeinträchtigungen erfasst wird, die durch die Bescheide nicht gedeckt sind, wird dem Unterlassungsbegehren insoweit Folge zu geben sein.

3. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Leitsätze