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3 Ob 158/11y; OGH; 8. November 2011
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Kurt H*****, 2. Dr. Werner L*****, 3. Florian L*****, alle vertreten durch Dr. Klaus-Dieter Strobach ua Rechtsanwälte in Grieskirchen, wider die beklagten Parteien 1. Jan R*****, 2. Marina R*****, beide vertreten durch Mag. Claudia Vitek, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 7.000 EUR), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 7. April 2011, GZ 21 R 93/11a-15, mit dem über die Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Tulln vom 5. Jänner 2011, GZ 2 C 591/10h-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden abgeändert, sodass sie zu lauten haben:
„Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, die kurzfristige Vermietung ihrer Wohnungseigentumsobjekte W 4, 5, 6, 8, 12, 15, 16, 20, 21 und 24 im Haus in *****, zur Beherbergung von Touristen zu unterlassen.
Die beklagten Parteien sind weiters zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 3.223,37 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten EUR 483,03 an USt und EUR 325,20 an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 1.566,13 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten EUR 162,42 an USt und EUR 591,60 an Barauslagen) sowie die mit EUR 1.410,95 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten EUR 111,76 an USt und EUR 740,40 an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
An der streitgegenständlichen Wiener Liegenschaft ist Wohnungseigentum begründet. Es bestehen 27, auf drei Stiegen aufgeteilte Wohnungseigentumsobjekte, die ausschließlich als Wohnungen gewidmet sind.
Der Erstkläger ist seit 2008 Miteigentümer von drei Objekten, von denen eine Wohnung fremdvermietet ist, eine durch seinen Sohn bewohnt wird und das dritte Objekt in einer parifizierten, jedoch noch nicht ausgebauten Dachbodenwohnung besteht.
Der Drittkläger ist seit 2006 Eigentümer der Wohnung 22 und bewohnt diese.
Ursprünglich war der Zweitkläger, der selbst nicht im Haus wohnt, Alleineigentümer der Liegenschaft. In den Jahren 2005 (W 4, W 8, W 12, W 15 und W 24), 2006 (W 16 und W 21), 2007 (W 5 und W 6), 2008 (W 20) und 2009 (W 13) verkaufte er insgesamt elf Wohnungen an die beiden Beklagten. Alle Kaufverträge enthalten eine Bestimmung, wonach bauliche Änderungen und Widmungsänderungen innerhalb der Wohnungseinheit der vorigen Zustimmung des Verkäufers und der anderen Miteigentümer bedürfen. Einige der Wohnungen des Zweitklägers sind langfristig vermietet, andere leerstehend.
Die Beklagten bewerben zehn ihrer elf Wohnungen (ausgenommen ist W 13, die sie selbst benützen) im Internet zur Vermietung als Ferienwohnung für einen Mindestaufenthalt je nach Saison von drei Nächten bis zu einer Woche. Verpflegung wird nicht angeboten, wohl aber die Endreinigung. Die Wohnungen werden mit frisch bezogener Bettwäsche sowie Handtüchern vergeben, eine Auswechslung der Bettwäsche und der Handtücher während der Vermietungszeit erfolgt nicht. Die zehn Ferienwohnungen verfügen über insgesamt 34 Betten. Die Auslastung variiert je nach Jahreszeit, über ein Jahr gesehen ist eine Auslastung von zumindest 50 % jedenfalls gegeben. Die Vermietung erfolgt vor allem an deutsch, englisch, italienisch, spanisch und französisch sprechende Touristen. Der Kontakt der Touristen mit den Beklagten wird zumeist über Internet abgewickelt. Über eine gewerbebehördliche Bewilligung für diese Tätigkeit verfügen sie nicht. Das Anreisen der Touristen erfolgt zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten. Mit dem An- und Abreisen ist eine Lärmentwicklung durch das Rollen der Koffer sowie das Sprechen verbunden. Eine über Gebühr vorhandene Lärmentwicklung konnte nicht festgestellt werden. Dass es durch die Vermietung zu Sachbeschädigungen im Haus gekommen ist, steht nicht fest. Ebenso steht nicht fest, dass das Haustor durch die Touristen nicht zugezogen wird oder aber zugesperrt wird, so dass es mittels Sprechanlage nicht mehr geöffnet werden kann. Im Sommer 2009 kam es im Zuge der Fußballweltmeisterschaft zu einem Zwischenfall, bei dem deutsche Gastarbeiter im Innenhof gelärmt haben. Auch kommt es manchmal vor, dass Touristen den Innenhof zum Rauchen benutzen. Die meisten Hausbewohner fühlen sich durch die Vermietung als Ferienwohnungen nicht gestört.
Die Beklagten vermieten die Wohnungen seit 2005 als Ferienwohnungen. Sie wurden bislang von den anderen Wohnungseigentümern nicht aufgefordert, das kurzfristige Vermieten als Ferienwohnungen zu unterlassen. Eine ausdrückliche Vereinbarung mit den anderen Wohnungseigentümern, wonach diese damit einverstanden sind, existiert aber nicht.
Die Kläger begehren die solidarische Verpflichtung der Beklagten, die kurzfristige Vermietung ihrer als Ferienwohnungen vergebenen zehn Wohnungen zu unterlassen. Sie würden im Wohnhaus einen Gastgewerbebetrieb mit zumindest 34 Betten in Form der Beherbergung gemäß § 111 Abs 1 GewO führen und öffentlich bewerben, ohne über die dafür nötige gewerbebehördliche Genehmigung zu verfügen und die dafür erforderlichen technischen Richtlinien einzuhalten; die Situation unterscheide sich kaum von einem Hotelbetrieb, es werde auch die Reinigung der Wäsche und der Wohnung gegen Entgelt angeboten. Da die Bestimmung der Wohnungen zur kurzfristigen Vermietung an ständig wechselnde Feriengäste keine Nutzung zu Wohnzwecken darstelle, die eine dauerhafte und intensive Beziehung des Nutzers zur Wohnung voraussetze, liege eine Änderung der vereinbarten Widmung durch die Beklagten vor, zu der keine Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer eingeholt worden sei. Damit seien schutzwürdige Interessen der Kläger und sonstigen Wohnungseigentümer beeinträchtigt worden und die Grenze des Verkehrsüblichen überschritten worden; darüber hinaus bestehe eine Gefahr für die Sicherheit von Personen und Sachen durch die dauernde Fluktuation von völlig fremden Personen im Haus (zumindest etwa 35 Personen wöchentlich), deren Integrität in keiner Weise einschätzbar sei, die zu einer nicht unbeträchtlichen Lärmbelästigung ua durch den Gepäcktransport der Gäste führe. Es komme auch immer wieder zu Beschädigungen im Haus. Da schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer den änderungswilligen Wohnungseigentümer verpflichte, die Zustimmung der anderen einzuholen, hätten die Beklagten in unerlaubter Eigenmacht gehandelt.
Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten im Wesentlichen ein, die hier zu lösende Rechtsfrage sei bereits vom Obersten Gerichtshof zu 5 Ob 106/06h entschieden worden, wonach die Vermietung einer Eigentumswohnung keiner Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedürfe und auch allein die Tatsache der Vermietung als Ferienwohnung an wechselnde Personen noch keinen gesetzlichen Abwehranspruch nach § 364 Abs 2 ABGB begründe. Sowohl eine nicht unbeträchtliche Lärmbelästigung durch die Vermietung der Beklagten als auch Beschädigungen durch deren Mieter lägen nicht vor. Die von den Beklagten praktizierte Art der Vermietung sei jahrelang von den übrigen Wohnungseigentümern toleriert worden, weshalb von einer konkludenten Zustimmung zu einer allfälligen Widmungsänderung auszugehen sei. Die Wohnungen würden von den Beklagten nicht als Geschäftsräume vermietet werden, sondern zu Wohnzwecken. Es werde kein Beherbergungsbetrieb geführt. Die Vermietung bedürfe keiner gewerbebehördlichen Genehmigung. Es komme zu keiner Verletzung von Sicherheitsvorschriften, weil die übliche Personenzahl pro Zimmer nicht überschritten werde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Basis des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts ab. Es sei zwar evident, dass der Charakter eines Wohnhauses bei einer Verwendung von rund der Hälfte der Wohnungen als Ferienwohnungen und der anderen Hälfte als Wohnungen im eigentlichen Sinn verloren gehe, daher auch die Widmung innerhalb der Wohneinheit zu Wohnzwecken. Allerdings sei diese Art der Vermietung jahrelang von den übrigen Wohnungseigentümern geduldet worden, sodass es zu einer konkludenten Widmungsänderung gekommen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit EUR 5.000,–, (gemeint: nicht jedoch EUR 30.000,–) übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es mangle schon an einer Änderung der Widmung sämtlicher Wohnungseigentumsobjekte als Wohnungen. Auch ein Ferienwohngast nutze die Wohnung zur Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses, wenn auch auf kürzere Zeit als ein langfristiger Mieter. Von den Beklagten werde kein Beherbergungsbetrieb geführt, weil das für die Qualifikation als Gastaufnahmevertrag erforderliche Anbieten auch von Verpflegung und Bedienung hier nicht gegeben sei. Das gebotene Service frischer Bettwäsche und Handtücher zu Beginn des Bestandverhältnisses sowie der Endreinigung ändere nichts am Abschluss reiner Mietverträge. Die ursprüngliche Widmung beschränke die Beklagten aber nicht auf den Abschluss bloß langfristiger Bestandverträge. Eine Widmungsänderung sei erst anzunehmen, wenn eine Wohnung nicht mehr zu Wohn-, sondern zu Geschäftszwecken verwendet werde, die durch die Vermietung als Ferienwohnung nicht verwirklicht würden.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die vorliegende Konstellation noch nicht vom Obersten Gerichtshof unter dem Aspekt der Widmungsänderung beurteilt worden sei. Es könnte auch mit Rücksicht auf Judikatur zum KSchG die Auffassung vertreten werden, der Betrieb von insgesamt zehn Ferienwohnungen in Wohnungseigentumsobjekten stelle eine unternehmerische Tätigkeit in den einzelnen Wohnungen dar.
Dagegen richtet sich die ordentliche Revision der Kläger, die ihre Ansicht über eine Widmungsänderung wie bisher begründen und die Abänderung im Sinne einer Stattgebung der Klage beantragen, hilfsweise Aufhebung in die erste Instanz.
Dem treten die Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt, weil das Berufungsgericht eine Widmungsänderung zu Unrecht verneint hat.
1. Der in § 16 Abs 2 WEG 2002 verwendete Begriff „Änderungen“ ist sehr weit auszulegen (vgl RIS-Justiz RS0083132) und erfasst demnach grundsätzlich auch alle Umwidmungen; jede Änderung, die eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringen könnte (wofür also schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung genügt), bedarf der Zustimmung aller Mitglieder der Eigentümergemeinschaft oder der Genehmigung durch den Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG (5 Ob 277/04b mwN). Gegen einen Wohnungseigentümer, der eigenmächtig Änderungen einschließlich Widmungsänderungen iSd § 16 Abs 2 WEG vornimmt, kann nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung auch jeder einzelne Wohnungseigentümer mit Unterlassungs- bzw Beseitigungsklage nach § 523 ABGB im streitigen Rechtsweg vorgehen (RIS-Justiz RS0005944 [T1]; RS0012137; RS0083156 [T15]). Vom Streitrichter ist in einem solchen Fall die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung und die eigenmächtige Rechtsanmaßung als Vorfrage über die Berechtigung des Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehrens zu prüfen; die Genehmigungsfähigkeit ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (RIS-Justiz RS0083156 [T20]).
Für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts ist auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen (RIS-Justiz RS0120725; RS0119528); spätere Widmungsänderungen können konkludent die Zustimmung aller Miteigentümer und Wohnungseigentümer finden, etwa durch die jahrelange widerspruchslose Hinnahme eines konsenslosen faktischen Zustands oder durch gemeinsame Bemühungen, Abweichungen vom ursprünglichen Bauplan über eine Neufestsetzung der Nutzwerte zu sanieren (RIS-Justiz RS0114928 [T3]). Das Vorliegen (und die Zulässigkeit) einer Widmungsänderung kann nur beurteilt werden, wenn man die gültige Widmung des betreffenden Objekts der beabsichtigten Verwendung gegenüberstellt (vgl RIS-Justiz RS0101800 [T4]).
In diesem Zusammenhang stellte der Oberste Gerichtshof bereits klar, dass etwa der Betrieb einer Arztpraxis in einem als Wohnung gewidmeten Wohnungseigentumsobjekt eine genehmigungsbedürftige Änderung darstellt, wenn die Widmung jegliche Geschäftstätigkeit ausschließt; davon ist bei einer reinen Widmung zu Wohnzwecken („Wohnung“) auszugehen. Dass eine solche Umwidmung in außerstreitigen Wohnrechtsverfahren häufig genehmigt wird, weil keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer vorliegt, lässt nicht den Schluss zu, es liege gar keine genehmigungsbedürftige Änderung vor (5 Ob 277/04b mwN).
2. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die ursprüngliche Widmung sämtlicher Wohnungseigentumsobjekte auf der Liegenschaft, daher jener, die nunmehr im Eigentum der Beklagten stehen, auf „Wohnung“ lautete.
Die von den Beklagten eingewendete und vom Erstgericht angenommene konkludente Umwidmung durch jahrelange Duldung der Art der von den Beklagten praktizierten Vermietung durch die übrigen Wohnungseigentümer muss schon daran scheitern, dass weder behauptet noch festgestellt wurde, ob und allenfalls seit wann den übrigen Wohnungseigentümern diese Praxis bekannt war. Auch die Annahme eines stillschweigenden Verzichts auf ein Recht setzt aber gewisse Kenntnisse des Erklärenden (Duldenden) über die im Zeitpunkt seines Verhaltens vorliegenden maßgeblichen, rechtsbegründenden Umstände voraus (RIS-Justiz RS0109021 [T2]; RS0014420 [T12]), ohne die das Verhalten nicht die Rechtsfolgen schlüssiger Willenserklärungen hat.
Es ist daher auch hier von einer jede Geschäftstätigkeit ausschließenden Widmung der von der Unterlassungsklage betroffenen Wohnungseigentumsobjekte auszugehen.
3. Mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 5 Ob 106/06h (= immolex 2006/128 [zust Maier-Hülle] = wobl 2006/147 [zust Call]) wurde klargestellt, dass dem Wohnungseigentümer im Regelfall auch das Recht zusteht, sein Objekt zu vermieten, ohne dass dies der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedürfte (so auch Würth in Rummel³ § 16 WEG Rz 4).
Vom reinen Mietvertrag, bei dem nur die Wohnmöglichkeit zur Verfügung gestellt wird, unterscheidet sich der Beherbergungsvertrag (Hotelaufnahmevertrag, Gastaufnahmevertrag) als im Gesetz nicht ausdrücklich geregelter Vertrag, der Elemente des Mietvertrags, aber auch solche des Dienstvertrags, Werkvertrags und Kaufvertrags enthält und damit eine Beurteilung als Vertrag sui generis rechtfertigt (RIS-Justiz RS0020600). Für die Abgrenzung des Gastaufnahmevertrags vom reinen Bestandsvertrag ist entscheidend, ob dem Gast neben der Wohnmöglichkeit auch Verpflegung gewährt und für seine Bedienung gesorgt wird (6 Ob 77/08d; Nademleinsky in Schwimann ABGB-TaKomm § 1090 Rz 11). Es kommt jeweils auf die Vertragsgestaltung im Einzelfall an, von der die rechtliche Einordnung abhängt (vgl 3 Ob 153/04b; RIS-Justiz RS0107389 [zu Time-Sharing-Verträgen]). Zu den wesentlichen Merkmalen einer Vermietung im Rahmen des Betriebs eines Beherbergungsunternehmens (§ 1 Abs 2 Z 1 MRG) zählen nach der Judikatur (ua) die Überlassung der Räume mit bestimmten Dienstleistungen wie Reinigung des Objekts durch den Vermieter und Beistellung der Bettwäsche und von Geschirr aber auch dass der vereinbarte Mietzins die Kosten für Strom, Heizung und Wasser enthält (7 Ob 3/11h mwN). In dieser Entscheidung wurde auch klargestellt, dass es für die Abgrenzung nicht darauf ankommt, ob der Betrieb mit oder ohne Gewerbeberechtigung geführt wird.
Vorliegend steht fest, dass die Beklagten ihre zehn Wohnungen mit insgesamt 34 Betten im Internet zur Vermietung als Ferienwohnung für einen Mindestaufenthalt je nach Saison von drei Nächten bis zu einer Woche, jedenfalls aber für kurzfristige Aufenthalte bewerben und an Kunden überlassen. Dazu wird zwar keine Verpflegung angeboten, wohl aber die Endreinigung des Objekts sowie die Beistellung und Reinigung der jeweils frisch bezogenen Bettwäsche und der ebenso zur Verfügung gestellten Handtücher. Angesichts dieser, über die bloße Überlassung einer Wohnmöglichkeit und damit über den Vertragsinhalt eines reinen Bestandvertrags hinausgehenden Nebenleistungen und auch wegen der bloß sehr kurzfristigen Dauer der Nutzung der möblierten Wohnungen durch die Kunden der Beklagten, für die erkennbar ein Pauschalentgelt pro Nacht verrechnet wird (siehe den Ausdruck ./F), ist vom Abschluss von Beherbergungsverträgen auszugehen. Das entspricht aber nicht mehr der relevanten Widmung dieser Eigentumsobjekte als Wohnungen, weshalb dies deren Änderung bedeutet.
4. Ob es dafür der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedurfte, hängt davon ab, ob die „Vermietung“ eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringen könnte. Auch davon ist – ungeachtet der (ohnehin überschießenden) Feststellung zum Unterbleiben einer „über Gebühr vorhandenen Lärmentwicklung“ – bei den hier gegebenen konkreten Umständen auszugehen. Die mit der mehr als ein Drittel der Wohnungen erfassenden Nutzung durch Abschluss von Beherbergungsverträgen auch bei nur halber Auslastung pro Jahr zwangsläufig verbundene hohe Frequentierung des Wohnhauses durch ständig wechselnde hausfremde Personen, die einem Hotelbetrieb sehr nahe kommt, entspricht nämlich grundsätzlich nicht den Erwartungen der Erwerber einer Eigentumswohnung bei Vertragsabschluss und deren Interessen in einem ausschließlich zu Wohnzwecken gewidmeten Gebäude. Sie ist daher geeignet, deren schutzwürdige Interessen zu beeinträchtigen.
5. Die Beantwortung der Frage, ob eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer konkret gegeben ist, hat nicht im vorliegenden Unterlassungsprozess zu erfolgen, sondern ist einem außerstreitigen Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 16 Abs 2 WEG vorbehalten (RIS-Justiz RS0083148). Im Prozess ist nur die Genehmigungsbedürftigkeit der Widmungsänderung zu prüfen (RIS-Justiz RS0083156 [T3, T10]).
Es entspricht weiters ständiger Rechtsprechung, dass die fehlende Zustimmung anderer Miteigentümer auch im Nachhinein durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden kann (RIS-Justiz RS0083148 [T3]). Wegen der rechtsgestaltenden Wirkung dieser Entscheidung steht dem ein vorangegangenes Beseitigungs- oder Unterlassungsurteil nicht entgegen (Würth in Rummel³ § 16 WEG Rz 6), weshalb den Beklagten diese Möglichkeit auch in Zukunft noch offen steht.
6. Aus den dargelegten Gründen erweist sich das Unterlassungsbegehren der Kläger – sowohl nach dem Gesetz als auch im Sinne des von den Beklagten mit dem Zweitkläger getroffenen vertraglichen Vereinbarung – als berechtigt, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern waren. Zur Verdeutlichung war im Spruch der Entscheidung die Unterlassungsverpflichtung entsprechend dem Klagevorbringen (S 7 der Klage: kurzfristige Vermietung … im Sinne einer Beherbergungstätigkeit) zu präzisieren (RIS-Justiz RS0039357, RS0041254) um so die Gefährdung der Vollstreckbarkeit zu vermeiden (6 Ob 291/99h). Mit dem Bezug auf die Beherbergung von Touristen wird der unbestimmte Begriff „kurzfristig“ unter Heranziehung von Erfahrungssätzen bestimmbar, wobei an die Bestimmtheit von Unterlassungsbegehren nicht allzu strenge Maßstäbe anzulegen sind (Klicka in Angst² § 355 Rz 8b mwN).
7. Die Kostenersatzpflicht der Beklagten für alle drei Instanzen beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
Leitsätze
-
Voraussetzungen für eine Widmungsänderung eines Wohnungseigentumsobjekts
Für jede von einem Wohnungseigentümer betriebene Änderung seines Objektes gilt, dass sie nur abgewehrt werden kann, wenn sie mit wesentlichen Interessen der anderen Mit- und Wohnungseigentümer kollidiert. Der Außerstreitrichter kann allerdings auch im Nachhinein die Genehmigung erteilen.Lisa Korninger | Judikatur | Leitsatz | 3 Ob 158/11y | OGH vom 08.11.2011 | Dokument-ID: 356319