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Dokument-ID: 009522

Judikatur | Entscheidung

9 Ob 69/10b; OGH; 22. Oktober 2010

GZ: 9 Ob 69/10b | Gericht: OGH vom 22.10.2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Dr. Tarmann–Prentner und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** K*****, vertreten durch Dr. Arnold Mayrhofer, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen EUR 13.000,– sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. Juli 2010, GZ 2 R 239/09v–16, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 23. Oktober 2009, GZ 64 Cg 16/09w–12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 696,90 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

Der Kläger ist im Jahr 2004 in die Eigentumswohnung seiner Lebensgefährtin in Linz gezogen. In räumlicher Nachbarschaft zu dieser Wohnung verläuft die Trasse der Mühlkreisbahn, auf der die Beklagte mit Personenzügen regelmäßig den Zugverkehr betreibt. Die Schieneninfrastruktur sowie die Triebfahrzeuge werden von Schwestergesellschaften der Beklagten zur Verfügung gestellt. Im Nahbereich der Wohnung befand sich eine Eisenbahnkreuzung, die kraft bescheidmäßiger Anordnung durch Andreaskreuze sowie durch die Abgabe akustischer Signale der Schienenfahrzeuge zu sichern war.

Der Kläger begehrte unter Berufung auf einen Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB die Zahlung von EUR 13.000,– sA. Das zunächst zusätzlich erhobene Feststellungsbegehren ließ er später fallen. Die von den Zügen der Beklagten abgegebenen Pfeifsignale seien in der Wohnung deutlich wahrnehmbar, weshalb eine ortsübliche Nutzung nicht mehr möglich sei. Aufgrund der stetigen Lärmimmissionen sei er zwischenzeitlich erkrankt. Seine aktive Klagslegitimation sei deshalb gegeben, weil ihm während aufrechter Lebensgemeinschaft ein Recht auf Benützung der gemeinsamen Wohnung zustehe.

Die Beklagte bestritt zunächst die aktive Klagslegitimation, zumal der Kläger weder Eigentümer noch Mieter der Wohnung sei. Darüber hinaus verneinte sie das Vorliegen der Voraussetzungen für den Anspruch nach § 364a ABGB. Alle Einwirkungen, die der Betrieb der Eisenbahn üblicherweise mit sich bringe, gehörten zu jenen Umständen, die den Charakter der Landschaft formten, weshalb sie als ortsüblich anzusehen seien. Auch ihre Passivlegitimation sei nicht gegeben, weil sie nicht Betreiberin der behördlich genehmigten Anlage sei. Eine solche Anlage iSd § 364a ABGB sei nur in der Schieneninfrastruktur zu erblicken, nicht aber in der Beförderung von Personen bzw im Betrieb der Schienenfahrzeuge.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach § 364a ABGB sei nur der Eigentümer, der sonst dinglich Abwehrberechtigte sowie der Mieter und der Wohnungseigentumsbewerber, dem die Wohnung bereits übergeben worden sei, ersatzberechtigt. Dementsprechend stehe der Ehegattin des Mieters gegen den Störer nach der Rechtsprechung kein nachbarrechtlicher Unterlassungsanspruch zu. Dies müsse umso mehr für den bloßen Lebensgefährten gelten. Auf einen Bestandvertrag habe sich der Kläger nicht berufen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Da der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nicht für sich in Anspruch genommen habe, Mieter der Wohnung zu sein, sei die Feststellung des Erstgerichts, wonach der Kläger gegenüber seiner Lebensgefährtin anteilige Betriebskosten begleiche, überschießend. Die Frage, ob dem Kläger aufgrund der bestehenden Lebensgemeinschaft eine quasi–dingliche Stellung zukomme, habe das Erstgericht zutreffend verneint. Damit sei ihm die Anspruchslegitimation nach § 364a ABGB abzusprechen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Legitimation eines Lebensgefährten eines Grundeigentümers für einen Anspruch nach § 364a ABGB eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Immissionen aus einer behördlich genehmigten Anlage kann der Eigentümer grundsätzlich nicht abwehren. An die Stelle des Unterlassungsanspruchs gemäß § 364 Abs 2 ABGB, der unter bestimmten Voraussetzungen (siehe dazu 8 Ob 128/09w) einer Duldungspflicht weicht, tritt ein auf Vergütung des Schadens gerichteter verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB (Spielbüchler in Rummel³ § 364a Rz 1). Da die behördliche Genehmigung dem Eingriff die Rechtswidrigkeit nimmt, handelt es sich um eine Eingriffshaftung für rechtmäßiges Verhalten (Oberhammer in Schwimann³ § 364a Rz 1). Die Bestimmung des § 364a ABGB ist analogiefähig. Ausreichende Anhaltspunkte für einen Analogieschluss werden in jenen Fällen angenommen, in denen die Abwehr des Eingriffs zwar an sich zulässig bleibt, das Vorliegen einer behördlichen Maßnahme für die schadenstiftende Tätigkeit jedoch den Anschein der Gefahrlosigkeit und der Rechtmäßigkeit erweckt und dadurch die Durchsetzung von Abwehransprüchen praktisch erschwert oder unmöglich macht (vgl 6 Ob 2323/96b).

2.1 Die Anspruchsberechtigung nach §§ 364, 364a ABGB kommt zunächst dem betroffenen Grundeigentümer sowie anderen am Grundstück dinglich Berechtigten, wie zB dem Fruchtnießer oder bei Gefahr der Entwertung der Sache dem Pfandgläubiger zu, nach der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre darüber hinaus aber auch dem bloß obligatorisch Nutzungsberechtigten, wie dem Bestandnehmer (8 Ob 523/92 = SZ 65/38; RIS–Justiz RS 0010643; Eccher in KBB² § 364 Rz 15 und § 364a Rz 5; einschr Spielbüchler aaO,§ 364 Rz 1 und § 364a Rz 8). Das Bestehen nachbarrechtlicher Ansprüche wurde vom Obersten Gerichtshof auch zwischen Mit– und Wohnungseigentümern und Wohnungseigentumsbewerbern desselben Hauses bereits im Grundsätzlichen bejaht (5 Ob 444/97y; 5 Ob 82/06d).

Eine der hier aufgezählten Rechtspositionen kann der Kläger nicht für sich in Anspruch nehmen.

2.2 Der Kläger kann sich auch nicht etwa auf § 372 ABGB stützen. Nach einhelliger Ansicht kann zwar außer der Herausgabeklage auch die Klage des Eigentümers auf Störungsabwehr und ebenso die Klage eines sonstigen dinglich Berechtigten auf Behauptung seines Rechts oder ebenfalls auf Störungsabwehr mit der actio Publiciana geltend gemacht werden, so etwa durch den außerbücherlichen Erwerber einer Liegenschaft (1 Ob 33/78 = SZ 51/164), den nicht verbücherten Servitutsberechtigten (2 Ob 229/73 = SZ 47/29) oder den noch nicht verbücherten Wohnungseigentumsbewerber (5 Ob 44/99b). In Analogie zu § 372 ABGB gewährt der Oberste Gerichtshof neben dem Vorbehaltskäufer (7 Ob 768/78 = SZ 52/63) auch dem Bestandnehmer, also dem obligatorisch berechtigten Sachinhaber, die Störungsabwehr gegen Dritte (verst Senat 7 Ob 654/89 = SZ 62/204; vgl RIS–Justiz RS 0010644; Eccher aaO,§ 372 Rz 2 bis 4). Begründet wurde diese Entscheidung mit der Ähnlichkeit des Bestandrechts mit gewissen Servituten und der Stärkung der Position des Mieters durch das Mietenrecht (siehe dazu Spielbüchler aaO,§ 372 Rz 5). Unter den vom Kläger im gegebenen Zusammenhang ins Treffen geführten „besonderen Beziehungen des Mieters zur Sache“, die eine Stärkung seiner Rechte auch gegen Dritte erforderlich machten, sind naturgemäß nur die rechtlichen Beziehungen zu verstehen. Warum dem Lebensgefährten eine in dieser Hinsicht vergleichbare „Nahebeziehung zur Sache“ zukommen soll, vermag die Revision nicht schlüssig zu begründen.

In der Reichweite der Aktivlegitimation besteht zwischen publizianischer Klage einerseits und nachbarrechtlichen Abwehr– und Ausgleichsansprüchen andererseits somit kein relevanter Unterschied.

2.3 Im Einklang mit den dargestellten Grundsätzen kommt der Ehegattin eines Mieters nach der Rechtsprechung keine Aktivlegitimation zur Störungsabwehr gemäß §§ 372 und 364 f ABGB zu (4 Ob 324/98w = RIS–Justiz RS 0111381; Spielbüchler aaO,§ 372 Rz 5).

3.1 Der Kläger leitet die von ihm beanspruchte Aktivlegitimation per se aus seiner Stellung als Lebensgefährte der Wohnungseigentümerin ab. Da dem Lebensgefährten anders als dem Ehegatten kein aus §§ 90, 97 ABGB abgeleitetes familienrechtliches Wohnungsrecht zustehe und sich aus der Aufnahme einer Lebensgemeinschaft allein noch keine Rechte ergeben würden, liege notgedrungen eine bewusste Gebrauchsüberlassung vor, die als Bestandvertrag zu qualifizieren sei oder dem Mietrecht bzw einer quasi–dinglichen Stellung gleichkomme.

3.2 Den – zumindest konkludenten – Abschluss eines Bestandvertrags oder etwa eines Gesellschaftsvertrags und damit einen von der Lebensgemeinschaft unabhängigen Rechtstitel hat der Kläger nicht behauptet (vgl RIS–Justiz RS 0014313; RS 0021746). Dazu ist darauf hinzuweisen, dass selbst finanzielle Beiträge des Lebensgefährten zu den Wohnungskosten mangels objektiv nach den Gewohnheiten des redlichen Verkehrs zu erschließender beiderseitiger Rechtsgeschäftsabsicht nicht zur Annahme eines konkludenten Bestandvertrags führen könnten (vgl RIS–Justiz RS 0014313). Aufgrund fehlender Behauptungen zum Vorliegen eines Bestandverhältnisses kommt der Feststellung des Erstgerichts, dass der Kläger anteilige Betriebskosten (an seine Lebensgefährtin) begleiche, keine Relevanz zu; die entsprechende Beurteilung des Berufungsgerichts ist demnach nicht zu beanstanden.

Durch die Eingehung einer Lebensgemeinschaft allein wird kein dingliches oder obligatorisches Wohnungsrecht zugunsten des an sich nicht nutzungsberechtigten Lebensgefährten begründet. Der andere, an sich nutzungsberechtigte Lebensgefährte kann daher jedenfalls bei Aufhebung der Lebensgemeinschaft die Räumung seiner Wohnung verlangen (vgl RIS–Justiz RS 0011874; RS 0010337). Ohne besonderen Rechtstitel kommt einem Lebensgefährten daher nur ein familienrechtsnahes Wohnungsrecht zu.

Wenn nun schon dem Ehegatten eines Bestandnehmers keine Aktivlegitimation in Bezug auf nachbarrechtliche Abwehr– und Ausgleichsansprüche zukommt, muss dies umso mehr für den bloßen Lebensgefährten eines Bestandnehmers und gleichermaßen für den bloßen Lebensgefährten eines Grund– oder Wohnungseigentümers gelten. Der Argumentation des Klägers, dass zugunsten des Lebensgefährten kraft seiner Stellung automatisch ein zumindest bestandähnliches Verhältnis angenommen werden müsse, kann daher nicht beigepflichtet werden.

4. Zusammenfassend ergibt sich: Ohne besonderen Rechtstitel etwa in Form eines zumindest konkludent abgeschlossenen Bestand- oder Gesellschaftsvertrags kommt einem Lebensgefährten an der Wohnung, hinsichtlich derer der andere Lebensgefährte nutzungsberechtigt ist, während aufrechter Lebensgemeinschaft ein bloß familienrechtsnahes Wohnungsrecht zu. Die Rechtsstellung des Lebensgefährten ist nicht mit jener eines Bestandnehmers vergleichbar. Für Abwehr- oder Ausgleichsansprüche nach §§ 364, 364a ABGB kommt dem bloßen Lebensgefährten eines Mieters oder Wohnungseigentümers ebenso wie dem Ehegatten keine Aktivlegitimation zu.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren damit zu Recht abgewiesen. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Leitsätze

  • Nachbarrechte: Keine Aktivlegitimation des Lebensgefährten von Mieter oder Eigentümer

    Dem Lebensgefährten eines Mieters oder Wohnungseigentümers kommen Abwehr- oder Ausgleichsansprüche nach §§ 364, 364a ABGB nicht zu. Dem Lebensgefährten kommt bloß ein familienrechtsnahes Wohnrecht zu. Seine Rechtsstellung ist nicht mit der des Bestandnehmers vergleichbar.
    Judikatur | Leitsatz | 9 Ob 69/10b | OGH vom 22.10.2010 | Dokument-ID: 242949